Die Geschichte der Meyerwerft von Papenburg
15.01.2018
Unser kleiner Abstecher nach Papenburg wurde etwas anders als geplant, war im Großen und Ganzen aber doch interessant und lohnend. Die kleine Stadt an der Ems hat einige Berühmtheit erlangt, weil sie der Sitz einer Werft ist, die unter anderem so kleine Schiffe wie die der AIDA-Flotte herstellt. Einige Bilder im Internet, die zeigten, wie die gigantischen Schiffe durch die winzige Ems getrieben wurden reichten aus, um uns zu überzeugen, dass wir uns dieses Spektakel dann doch einmal vor Ort ansehen wollten.
Wie die Tage zuvor organisierten wir auch für Papenburg unseren Schlafplatz wieder telefonisch im Voraus. Dieses Mal bei einem holländischen Pfarrer, der uns bereits von unseren letzten beiden Gastgebern wärmstens empfohlen wurde. Als wir jedoch ankamen, war er nicht da und seine Assistentin führte uns in einen Raum, der so von Straßenlärm erfüllt war, dass wir ex nicht einmal unserem Pilgerwägen zumuten wollten, hier für längere Zeit abgestellt zu werden.
So machten wir uns auf die Suche nach einer Alternative und landeten so schließlich bei einem Ehepaar, bei dem die Frau vor einigen Jahren selbst noch Führungen durch die Meyerwerft gegeben hatte.
Besser hätte es also kaum kommen können, denn wie sich herausstellte, war es verboten, das Werftgelände ohne zuvor angemeldete Führung zu betreten. Alleine wären wir also 5 km durch den strömenden Regen gewandert, um dann eine große Werfthalle von außen zu sehen und direkt wieder zurückgehen zu dürfen. So überbrückten wir die Strecke mit dem Auto und bekamen zumindest noch einige sehr interessante Hintergrundinformationen.
Die Entstehung Papenburgs
Die Geschichte der Meyerwerft ist eng mit der Geschichte der Stadt verknüpft, in der sie sich befindet. Viele Jahre zurück war das Gebiet hier ein unwirtliches Sumpfland. Auch heute noch kommt man durch eine kilometerbreite Moorlandschaft, wenn man die Stadt besuchen will. Und doch gab es mitten im Sumpf immer wider vereinzelte Stützpunkte der Zivilisation, seien es nun Farmen oder Burgen, in denen reisende Adelsmänner einen Zwischenstopp auf dem Weg zur Nordsee einlegten. Im Falle von Papenburg ab es einen Fürsten, der gerne nach Ostfriesland reiste und daher hier an der Stelle eine Burg errichten ließ, die den Namen Papen-Burg bekam. Damit wäre dann wohl auch die Frage geklärt, woher diese Stadt ihren Namen hat.
Einige Zeit später kam man dann auf die Idee, der Burg eine Stadt hinzuzufügen und machte sich Gedanken darüber, wie man das Moor trocken legen und so Bau- und Weideland gewinnen konnte. Die einfachste und brillanteste Lösung war es, Gräben anzulegen, über die das Moorwasser in die Ems fließen konnte. Um solch ein Bauprojekt finanzieren zu können holte man die Bürger mit ins Boot und verteilte großflächige Baugrundstücke zu günstigen Preisen, unter der Bedingung, dass jeder Anwohner den Kanal auf der Länge seines eigenen Grundstückes selbst ausbaute. Dadurch entstand dann auch die seltsame Form, die Papenburg bis heute hat, denn die Stadt wuchs nun natürlich nicht um ein Zentrum an, sondern reihte seine Häuser wie Perlen auf einer Kette aneinander, bis es zu einem endlosen Schlauch wurde.
Der Beginn des Schiffbaus
Nachdem das Wasser verschwunden war, hatte man nun noch einen zweiten Stoff, den man irgendwie loswerden musste, denn wie in Mooren üblich war nun alles voller Torf. Als Heizmittel war das zwar ein wertvoller Stoff, aber wenn man nur Torf hatte, half einem das auch wieder nicht allzu viel. Also begann ein intensiver Tauschhandel mit Ostfriesland, denn dort war es kalt und ungemütlich dafür gab es aber reichlich Ziegel, die man hier zum Bau der Häuser brauchte. Was wäre also naheliegender gewesen, als einen See, bzw. Kanal- und Flusshandel zu kreieren und da das Moor voller Bäume war entstanden überall kleine Redereien, die ihre eigenen Segelschiffe produzierten. Der Handel florierte und auch der Schiffsbau kam gut an und schon bald segelten die Männer und Frauen aus Papenburg um den halben Globus. Einer dieser Schiffsbauer war ein gewisser Herr Jansen, der aus einer Nachbarregion zugereist war und hier nun ebenfalls ins Seefahrtsgewerbe einsteigen wollte. Das könne er schon tun, hieß es, allerdings unter einer Bedingung. Denn Jansens gab es hier wie Sand am Meer (oder in diesem Fall: wie Torf im Moor) und das Vorkommen unzähliger Familienbetriebe die alle den gleichen Namen trugen, ohne dass sie miteinander verbandelt waren, führe nur zur Verwirrung. So wurde der Herr Jansen mit samt seiner Familie kurzerhand in „Meyer“ umgetauft, denn auch wenn man sich das heute kaum vorstellen kann war „Meyer“ an jenem Ort und zu jener Zeit ein seltener Name.
Der Umbruch durch die Technisierung
Viele Jahre lang war Papenburg somit ein florierendes Schiffsbau-, Handels und Seefahrerstädtchen, bis es eines Tages zu einem großen und fatalen Umbruch kam. Irgendwo hinter dem Ende des Moors war irgendein Nerd, der nichts Besseres zu tun hatte auf die Idee gekommen, das Motorboot zu erfinden. Zunächst natürlich mit Dampfdruck, später dann auch mit anderen Techniken. Diese neumodischen Stahlschiffe waren schneller, wendiger und leistungsfähiger als die Papenburger Segelschiffe und verdrängten die kleinen Familienwerften innerhalb kürzester Zeit vom Markt. Schließlich war nur noch eine einzige von ihnen übrig, die es geschafft hatte, schnell genug mit dem Strom der Zeit zu gehen und auch auf Moderne Stahlgiganten umzusteigen: Die Werft von Herrn Jansen, der nun Herr Müller hieß. Die Schiffe, die hier nun produziert wurden, wurden zunehmend größer, bis eines Tages sogar der Auftrag kam, ein gewaltiges Frachtschiff für lebendige Schafe zu bauen, mit denen die australischen Farmtiere in alle Welt verschifft werden können. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war die Meyerwerft in Papenburg eine international anerkannte Größe in Sachen Großschiffbau.
Die Produktion der Kreuzfahrt-Giganten
Zu Beginn dieser neuen Zeit wurden die Kreuzfahrtschiffe noch im Freien, direkt neben der Ems gebaut. Der Rumpf wurde dabei parallel zum Ufer ausgerichtet und dann mit dicken Tauen fixiert. Wenn ein Schiff fertig war, wurden die Seile einfach gekappt und das Schiff rutschte seitlich in den Fluss hinein. Ihr könnt euch sicher vorstellen, was das für ein Spektakel war, denn die Schiffe waren auch damals teilweise schon über 100 m lang. Wenn sie seitlich ins Wasser rutschten, dann legten Sie sich erst auf eine Seite und richteten sich dann im Fluss wieder auf. Dabei entstand natürlich eine gewaltige Bugwelle, die auf der gegenüberliegenden Flussseite bis weit hinaus über die Wiesen rollte. Zu hunderten kamen die Anwohner zu diesem Ereignis, teilweise um sich das Spektakel anzusehen, aber hauptsächlich um einen Teil der Fische einzusammeln, die bei dieser Aktion an Land gespült wurden. Angeln war noch nie einfacher als mit einem Kreuzfahrtschiff anstelle eines Hakens.
Später wurde dann die erste, kleinere Halle gebaut in der ein Großteil der Schiffe bereits Indoor und regenfrei hergestellt werden konnte. Dann kam die zweite, wirklich große Halle hinzu, in der ein modernes Kreuzfahrtschiff in ganzer Höhe Platz hat. Und genau davor standen wir nun. Vor uns befand sich ein Tor in einem schier unbeschreibaren Ausmaß und dahinter im Verborgenen befand sich der Mittelteil der neuen AIDA Nova. Wie wir von unserer Reiseführerin erfuhren, sollte dies das Weltweit erste Kreuzfahrtschiff werden, dass mit Gas und nicht mit Erdöl betrieben wurde. Der hintere Teil dieses Schiffes befand sich bereits außerhalb der Halle im Wasser und wurde nun von weiteren Booten mit Kränen darauf gestrichen, geschliffen und poliert. Denn auch wenn die Werkshalle größer war als jedes Gebäude, das wir je gesehen haben, reichte sie noch immer nicht für ein ganzes Kreuzfahrtschiff nicht aus. Daher wurden die Giganten hier in drei Einzelteilen gebaut, die am Ende zu einem großen Gesamtkollos zusammen geschweißt werden.
Fortsetzung folgt...