Tag 556: Zehntausend Kilometer

von Heiko Gärtner
11.07.2015 17:23 Uhr

Noch 5 Tage bis zum Treffen mit Paulina!

Heute ist es soweit! Wir haben in 556 Tagen genau 10.000 Kilometer zurückgelegt. Zehntausend! Das ist ein Viertel des Weltumfangs. Wer hätte vor eineinhalb Jahren auf unserem Weg von Postbauer-Heng nach Nürnberg gedacht, dass wir diese Marke eines Tages wirklich einmal erreichen würden? 100km wirkten damals fast unerreichbar weit. Tausend waren utopisch. Und 10.000 konnten wir uns nicht einmal im Traum vorstellen. Außerdem hätten wir niemals geraten, dass wir bei 10.000km ausgerechnet in Bosnien sein würden. In der Türkei eher oder vielleicht sogar schon in Israel. Aber die Welt ist eben doch größer, als man so denkt. Und gleichzeitig kommt sie uns auch wieder kleiner vor als gedacht, wenn man sich überlegt, wie weit man kommt, wenn man jeden Tag einfach nur ein paar Kilometer spazieren geht. Ich muss dabei gerade an die alte Dame aus Spanien denken, die wir kurz vor Santiago getroffen haben Sie ging jeden Tag ein paar Mal die Straße in ihrem Dorf auf und ab und schaute den Pilgern zu, die nach Santiago wanderten. Sie selbst war den Weg noch nie gepilgert, doch da er direkt auf der Straße entlang führte, die sie zum Spazieren nutzte, hatte sie wahrscheinlich mehr Kilometer auf dem Jakobsweg zurückgelegt, als die meisten Pilger. Wie weit war sie wohl in all den Jahren gekommen, ohne sich dabei aus ihrem Dorf herauszubewegen. Wenn sie in den letzten 50 Jahren nur 2km am Tag gelaufen war, dann war sie nun auch bereits bei 36.000km. Noch ein bisschen mehr und sie ist einmal um die Welt gewandert, ohne ihr Dorf je verlassen zu haben.

Wir möchten die 10.000km noch einmal zum Anlass nehmen, um uns für die schöne Zeit zu bedanken. Danke zunächst einmal an unsere Füße und an unsere Beine, die uns den ganzen Weg bis hier her getragen haben. Danke an Keen, Hanwag, Meindl und Scarpa für die Schuhe sowie an Falke für die Socken, Pedag für die Einlegesohlen und Compeed für die Blasenpflaster. Ohne euch hätten unsere Füße das niemals schaffen können. Vielen Dank auch an die Jakobsgesellschaft, die Straßenbauer, alle Wegmarkierer und Kartendrucker, an den Bergverlag Rother für die Wanderführer, an Kompass für das gute Kartenmaterial, an Garmin für die Orientierungshilfe per GPS und natürlich an Google-Maps für die Orientierungsmöglichkeiten, wenn sonst nichts mehr ging. Danke an den Weg selbst, der uns so gut getragen und beschützt hat und auf dem wir so viel erleben, sehen, fühlen, lernen und entdecken durften. Die 10.000km haben uns nicht nur äußerlich als kleine Männchen auf einer Landkarte und als Punkte auf diesem Erdball weitergebracht, sondern auch unsere innere Reise vorangetrieben. Vieles hat sich in uns verändern, wir sind gewachsen, haben uns selbst kennengelernt und erkannt, dass es noch viel zum wachsen und kennenlernen gibt. Soviel, dass wir es uns selbst noch immer nicht vorstellen können. Danke für die Gelassenheit, die du uns gelehrt hast und mit der wir nun auch Umstände hinnehmen können, an denen wir früher verzweifelt wären. Danke für die vielen Begegnungen, die wir auf dem Weg hatten und die unser Leben auf so vielfältige Weise bereichert haben. Es waren so viele einzigartige Momente dabei, dass es Tage dauern würde, sie alle aufzuschreiben. Zum Glück habe ich das ja schon gemacht, dafür gibt es dieses Tagebuch ja schließlich.

Und natürlich war unsere Reise auf diesen 10.000km weitaus mehr als eine Wanderung. Es begann als Auszeit, als Urlaub und als verrückter Trip ins Ungewisse und wurde unsere neue Heimat, unser Leben. Auch das war nur möglich, durch die viele Unterstützung, die wir von so unterschiedlichen Seiten bekommen haben. Danke an Hilleberg für unser mobiles Heim, dass uns nun schon so viele Nächte vor Kälte und Regen geschützt hat. Danke an Valandré für die bequemen und warmen Schlafsäcke, die uns jede Nacht das Gefühl geben, zu hause zu sein, egal wo wir uns befinden. Danke natürlich auch an alle anderen Sponsoren, die uns mit Ausrüstung versorgt haben, die unser Leben hier wirklich angenehm gestaltet. Und natürlich vielen Dank an Ortlieb, Outdoorpacks und Marlin für die Packsäcke, sowie an Ben, Karl, Hans und alle anderen, die dafür gesorgt haben, dass unsere Pilgerwagen unsere treusten Begleiter sein können. Ohne euch könnten wir nichts von unserer Ausrüstung überhaupt transportieren.

Vielen Dank auch an unsere Eltern, unsere Freunde und Verwandte, an alle Leser und alle guten Engel, die von irgendwo her auftauchten und die uns alle auf so vielfältige Weise unterstützt haben.

Und schließlich natürlich noch ein dickes Danke an Paulina, die in fünf Tagen bei uns sein wird. Auf das wir die nächsten 10.000km dann zu Dritt wandern werden.

Spruch des Tages: Alle sagten „es geht nicht!“ Dann kam einer, der wusste das nicht und machte es.

Höhenmeter: 15 m

Tagesetappe: 13 km

Gesamtstrecke: 10.000,77 km

Wetter: sonnig und warm

Etappenziel: Zeltplatz auf einer Wiese, Plocari, Bosnien und Herzegowina

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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