Tag 1442 bis 1445: Im Wechsel zwischen den Welten

von Heiko Gärtner
12.04.2018 04:15 Uhr

04.11.2017 

Die Mütze, die mein Wagen verpasst bekommen hatte, stand ihm sogar recht gut. Ein klein wenig ragten die Ränder zur Seite und hinterließen dadurch einen etwas nerdigen Flair. Doch so wie es aussah, funktionierte er einwandfrei, wenngleich uns das Wetter (Gott sei dank!) noch keine Gelegenheit gab, es wirklich zu testen.

Verwunschene Häuser

Verwunschene Häuser

Werde ich nun Schizophren?

Nachdem die Nacht in Astrits Küche sogar für meine Verhältnisse recht produktiv war, spürte ich nun beim Wandern wieder, wie mich die Mattheit überkam. Nicht Müdigkeit, das wurde nun immer deutlicher, sondern eine Art Weggetreten sein, ein bisschen so wie ein Computer, der in den Ruhezustand fährt. Er ist nicht aus, sondern kann weiterhin an laufenden Programmen arbeiten und er reagiert auch auf bestimmte Impulse, aber er er ist nicht mehr aktiv im Tagesgeschehen. Mehrere Male kam es dabei vor, dass ich in das Gespräch mit Heiko, das währenddessen weiter lief. Einige vollkommen sinnlose Bemerkungen einwarf. „Stimmt, dann nehmen sie unseren Text und setzen nur die beiden anderen darüber!“ oder „Deswegen geben sie sich auf der slowenischen Seite auch so viel Mühe, den Anschluss zu finden!“ Jedes Mal war es so, dass diese Angaben in meinem Kopf noch vollkommen logisch gewesen waren, weil sie sich auf einen Teil der Kommunikation bezogen, der in mir tatsächlich stattgefunden hatte. Nur hatte er nichts mit der äußeren Kommunikation mit Heiko zu tun. Ich kam mir teilweise ein bisschen vor wie ein Medium, von dem ein Geist oder irgendetwas Besitz ergriffen hatte, um nun durch mich zu sprechen.

Moderne Kunst auf der Straße

Moderne Kunst auf der Straße

Tatsächlich testeten wir später aus, dass meine Selbstkontrolle im Moment gerade einmal bei 0,0001% währen der Rest wieder einmal vom Puppenspieler übernommen wird.

99,999% Fremdsteuerung!

Das hörte sich erst einmal hart an, aber es war genau das, wonach es sich auch anfühlte. Immer wieder spürte ich, dass ich die Kontrolle verlor und in eine Art Zwischenwelt abdriftete, in der ich stundenlang regungslos verharren konnte, ohne das Zeit und Raum für mich noch eine Bedeutung hatten. Was mich jedoch viel mehr nervte, als der Umstand Kontrolliert zu werden an sich, war das kleine Wort, das Heiko nach der Testung hinter „Puppenspieler“ geschrieben hatte. Dort stand in erschreckend klaren Buchstaben „Mutter!“

Mittelalterliche Stadt mit Stadtmauer

Mittelalterliche Stadt mit Stadtmauer

Nach all der Zeit war ich also immer noch die Marionette meiner Mutter oder zumindest der inneren Konzeptes „Mutter“ das ich nun in mir trug. „Super gemacht!“ feierte das gleich mein Selbst-Hass-Ich, „du bist mal wieder keinen Schritt weiter gekommen!“

Der Yachthafen am Flussufer

Der Yachthafen am Flussufer

Doch zum ersten Mal kamen wir dieses Mal auch auf eine Lösung, oder zumindest einen Lösungsweg, um mit dieser Situation umzugehen. Mein Problem bei der Sache war, dass ich mich selbst noch immer in den alten Konzepten gefangen hielt. Erst gestern im Gespräch mit Astrid war uns aufgefallen, dass ich in den vergangenen drei Jahren in gewisser Weise immer eine Schicht mehr abgelegt hatte. Zunächst war es das Verpflichtungsgefühl meinen Eltern gegenüber das mich davon abhielt, frei zu sein. Später war die gleiche Situation dann noch einmal mit meinen Freunden aufgetraucht, wieder im Herbst. Und nun, ein Jahr später, was ich es selbst, ohne weitere Umwege, der mich vom Freisein abhielt.

Ein neugieriges Lama

Ein neugieriges Lama

Spannend dabei war, das Heiko auf seiner Ebene an genau dem gleichen Punkt angekommen war. Soweit wir es für uns selbst herausfinden konnten, gibt es zwei große Faktoren, die einen davon abhalten können, frei und glücklich zu leben. Der erste ist die Verurteilung oder die Schuldzuweisung, also das Prinzip von „Alle anderen sind doof!“

Idyllische Burgenstadt

Idyllische Burgenstadt

In diesem Zyklus waren wir sehr lange verhaftet, doch langsam erkennen wir immer mehr, dass wir hier in vollkommenem Irrtum lagen. Wenn alles eins ist, dann gibt es niemand anderen als uns, da alles ein Teil des Allbewusstseins ist, das auch unser Bewusstsein ist. Alle anderen sind nur Spiegel unserer Selbst, also ist alles was geschieht selbst von uns erschaffen. Dieses Prinzip haben wir nun langsam immer besser verinnerlicht und auch vom Gefühl und vom Sein her begriffen. Doch führt ein tiefes Verständnis auf dieser Ebene leider noch nicht dazu, dass man in die vollkommene Wertungsfreiheit und damit in die Zufriedenheit kommt. Alles, was wir getan haben ist, dass wir das „Andere“ durch ein „Ich“ ersetzt haben. Unser Verständnis des Universums reicht noch nicht auß, um zu erkennen, dass alles gut und richtig ist. Wir empfinden viele Dinge noch immer genauso als falsch und unangenehm wie früher und suchen noch immer nach einem Schuldigen dafür. Wenn es aber ja nur uns gibt, dann müssen wir damit zwangsläufig auch der Schuldige sein. So wie wir also zuvor alle anderen verurteilt haben, verurteilen wir nun für alles uns selbst und halten uns damit natürlich genauso vom Leben ab, wie zuvor mit der Fremdverurteilung.

Die Kathedrale überragt die mittelalterliche Stadt

Die Kathedrale überragt die mittelalterliche Stadt

Auffällig war jedoch, dass obwohl bei Heiko und mir das gleiche Prinzip hinter den aktuellen Leidensthemen steckte, wir doch jeweils etwas vollkommen anderes darunter verstanden. Das Schuldgefühl, das zur Selbstverurteilung und damit auch zur Selbstbestrafung führte, wurde bei Heiko durch ein Konzept von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit ausgelöst. In seinem Verständnis der Welt, ausgehend von alten, indoktrienierten Glaubenssätzen, musste immer alles pari sein. Wenn er etwas bekam, musste er dafür auch etwas geben. Wenn er etwas gab musste er dafür auch etwas bekommen. Wenn jemand seinetwegen litt, dann musste auch er dafür leiden. Es ging nicht darum, was sich gerade richtig anfühlte oder was jetzt im Moment benötigt wurde, sondern stets darum, die Kräfte in Balance zu halten. Gelang ihm das nicht, musste er dafür bestraft werden und leiden, egal wie hilfreich die aktuelle Situation gerade wegen ihrer subjektiv empfundenen Ungerechtigkeit vielleicht auch sein mochte. Und damit uns dieses Prinzip auch gleich noch einmal glasklar wurde, erschufen wir uns ein unmissverständliches Paradebeispiel dafür.

Eine verschlafene Mittelalterstad

Eine verschlafene Mittelalterstad

Im Rahmen der Austestungen prüften wir auch meine Seelenverstöße seit dem letzten Mal, sowie die damit verbundenen Sanktionen. Es waren 69 Millionen Verstöße, die vor allem mit meiner Demut und meinem Selbstwertgefühl in Verbindung standen. Um dies auf eine Fühlbare und damit auch wandelbare Ebene zu bringen, bestand meine Ausgleichsübung aus der durchaus ekeligen Aufgabe, einmal auf Knien durch den Festsaal zu robben und dabei eine komplette Linie mit meiner Zunge über den Boden zu ziehen. Es klingt tatsächlich nicht so, als könnte dahinter ein tieferer Sinn stehen und es war keine Übung, die mich freute, aber ich verstand den Sinn darin und nahm sie bereitwillig an.

Einsame Gassen

Einsame Gassen

Tatsächlich spürte ich dabei eine große Demut gegenüber mir selbst und erkannte auch, dass das Gefühl von Ekel verschwand, sobald mir bewusst wurde, dass ich selbst dieser Boden war, den ich dort mit der Zunge berührte. Mit einer gründlichen Mundspülung was die Sache dann für mich abgehakt und ich konnte mich wieder anderen Aufgaben zuwenden. Nicht so jedoch Heiko. Er ging in den Küchenraum, den er sich als Schlafquartier auserkoren hatte und wollte sein Bett aufbauen, als er unvermittelt mit voller Wucht mit dem Kopf gegen einen Schrank stieß. Der Aufprall war so heftig, dass er zurücktaumelte und auf den Hintern viel. Dabei geriet seine Zunge zwischen deine Zähne und er biss sich eine tiefe, blutende Wunde hinein. So offensichtlich wie in diesem Moment war es sonst natürlich nie, aber in gewisser Weise war es genau das, was er sich selbst jedes Mal antat, sobald in ihm das Gefühl entstand, dass er auf bewusste oder unbewusste Weise irgendwo eine Ungerechtigkeit erzeugt hatte.

Ein Hinterhofladen mit blauen Türen

Ein Hinterhofladen mit blauen Türen

Mein Prinzip von Schuld hingegen hatte nichts mit Gerechtigkeit oder Ausgeglichenheit zu tun, sondern war von ganz anderer Natur. Es setzte sich aus dem Gefühl von Richtig und Falsch zusammen. So wie Heiko Schuld in sich verspürte, wenn er Dinge als Ungerecht empfand, kam diese Schuld in mir auf, wenn ich das Gefühl hatte, die Dinge müssten anders sein. Sie waren so, wie sie waren nicht richtig! Ich war nicht schnell genug, ein platz war nicht schön genug, eine Situation sollte freudiger oder zumindest angenehmer sein, Menschen müssten uns mehr helfen, Lektionen müssten einfacher zu lösen sein. In meinen Augen war nicht alles gut so wie es war. Ds meiste war sogar gerade genau falsch so wie es war, und dies war meine Schuld. Es war falsch, dass wir noch nicht erfolgreicher waren, dass der Reißverschluss von meinem Wagen kaputt gegangen war und vieles mehr.

Noch ein Lama

Noch ein Lama

Ich konnte die Dinge nicht als das ansehen was sie waren, nämlich als stets genau die Spiegelsituationen, die benötigt wurden, um Heilung zu finden und um ins Erwachen zu kommen. Sie waren ein Feedback, durch das man die nächsten Entwicklungsschritte leichter gehe konnte, doch ich sah sie als Kritik und als Beweis, selbst nicht richtig zu sein, was mich demotivierte und dieses Gefühl der Schuld in mir auslöste. Daher kam auch dieses Verhaftet-Sein in der selbst empfundenen Fremdgesteuertheit durch meine Mutter. Ich wusste, dass sie nur ein inneres Konzept in mir war, sah sie aber als eine Art bösen Teil in mir an, über den ich keine Kontrolle hatte, der aber jederzeit die Kontrolle über mich übernehmen konnte, wenn ihm danach war. Und das tat er dann zum Beispiel in Form der Ohnmächtigkeit, der Starrheit und der Lähmung, in die ich immer wieder verfiel.

Die Kirche im Zentrum des Friedhofs

Die Kirche im Zentrum des Friedhofs

Hier bestand die Aufgabe darin, eine neue Verknüpfung zu erschaffen und von der Idee der „bösen, manipulativen Mutter“ zum Konzept von „Mutter Erde“ überzugehen. Das was mich hier lenkte und steuerte war die Urenergie der Schöpfung, die Erschafferin allen Lebens und die Steuerung geschah aus Güte und nicht aus dem Versuch heraus, mich kaputt zu machen. Ausgehend von diesem Verständnis konnte ich dann auch wieder leichter annehmen, dass ich diese Schöpferkraft bin und mich selbst fernsteuere. Dies vollkommen zu verinnerlichen ist nun der nächste Schritt. Bislang war ich nun schon so weit, zu erkennen, dass alles eins war und dass die Schöpfung mit allem verbunden war und durch alles hindurch spürbar war. Nur eben nicht mit mir. Ich selbst sah mich irgendwo außerhalb der Schöpfung und fühlte mich daher verstoßen und abgeschnitten. Deshalb konnte ich auch keine Energie bekommen.

 

Einen Friseur gibt es in nahezu jeder Ortschaft.

Einen Friseur gibt es in nahezu jeder Ortschaft.

Höhenmeter 20m / 10m / 17m / 35m

Tagesetappe: 17km / 13km / 13km / 19km

Gesamtstrecke: 27.200,27km

Wetter: Wind und Kälte, hin und wieder sogar etwas Sonne

Etappenziel 1: Katholisches Jugendhaus, Rees, Deutschland

Etappenziel 2: Gemeindehaus, Isselburg, Deutschland

Etappenziel 3: Evangelisches Gemeindehaus, Bocholt, Deutschland

Etappenziel 4: Gemeindehaus, Borken, Deutschland

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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