Verschwörungstheorien

von Franz Bujor
28.05.2014 17:27 Uhr

Am Abend saßen wir noch lange mit den anderen Pilgern zusammen. Nachdem unser eigenes Essen nicht besonders delikat ausgefallen war, freuten wir uns sehr über die Einladung unserer Mitpilger. Es gab Brot, dass fast dem deutschen Standard entsprach, Oliven mit gutem Geschmack, Schinken, Salami, echten Käse aus Milch, Erdbeeren und Tomaten.

Beim Essen kamen wir noch einmal auf das Thema mit der wachsenden Unfruchtbarkeit zurück und sprachen dann über das Gesundheitssystem und einige verwandte Themen. Wir erzählten von unseren Recherchen und dem was wir im Laufe unserer Reise herausgefunden haben. Obwohl wir nur die Beobachtungen und die Fakten aufführten, die zweifelsfrei beweisbar waren, stießen wir mit unseren Erzählungen doch bald auf große Skepsis. „Sind das nicht alles Verschwörungstheorien?“ fragte André. Eine Frage, die wir nicht zum ersten Mal hörten. Es war immer wieder faszinierend, wie gut das System funktionierte. Jeder wusste, dass das Medizinwesen ein Wirtschaftszweig ist, dem es in erster Linie um finanziellen Gewinn und nicht um Heilung geht. Jedem war klar, dass die Pharmaindustrie mehr Macht besaß als jeder andere auf dieser Erde. Und jeder wusste, dass unsere Lebensmittel voll von krankmachenden, schädlichen und gehirnverlangsamenden Zusatzstoffen sind, die wahrscheinlich nicht ohne Grund der Nahrung beigesetzt werden. Doch wenn man beginnt, diese Tatsachen zusammenzufügen, um Rückschlüsse zu ziehen und wenn man die Zahlen faktisch belegt, dann ist man schnell in der Rolle eines Verschwörungstheoretikers. Warum? Wollen wir nicht sehen, was doch so offensichtlich vor unserer Nase liegt? Schon immer waren es die Menschen, die versucht hatten, die Wahrheit herauszufinden und zu erklären, die es am schwersten hatten. Sokrates wurde dafür hingerichtet, dass er unangenehme Fragen gestellt hatte.

Bei unseren Recherchen waren wir auch immer wieder auf okkulte Symbole und Geheimbotschaften gestoßen, die in Liedern, Musikvideos, Filmen und Bildern versteckt sein sollten. Hierum ranken sich ganze Bibliotheken von Theorien und Mythen, die alle mit einer Weltverschwörung in Verbindung stehen. Wir haben uns oft gefragt, was es damit auf sich hat. Zu glauben, dass hier der Teufel seine Finger im Spiel hat, oder dass die Welt im Geheimen von einem Satanisten Kult beherrscht wird, fiel uns äußerst schwer. Doch wir fragten uns auch, was wir machen würden, wenn wir die mächtigsten Männer der Welt wären, die verhindern wollten, dass ihnen jemand auf die schliche kommt. Ist es nicht die genialste Idee der Welt, einen Kult aufzubauen, in dem jeder eine gewaltige Verschwörung erkennen kann, wenn er es will, die jedoch keinen Bezug zur Realität hat? Denn ab diesem Moment, wird jeder, der versucht Zusammenhänge zu erkennen in die gleiche Schublade gesteckt und als Verschwörungstheoretiker abgetan, egal, ob er sich mit satanistischen Schmetterlingen in einem Rhianna-Video oder mit fundierten Recherchen über Wirtschaft und Medizin, die sich nicht mit der landläufigen Meinung decken.

Am auffälligsten ist es bei Fragen zum Thema 11. September. Ich will das Thema hier nicht aufgreifen, weil es den Umfang des Berichtes auf jeden Fall sprengen würde. Aber probiert es selbst einmal aus und stellt die offizielle Darstellung in einer beliebigen Runde in Frage. Ihr braucht selbst keine Aussagen zu treffen oder irgendwelche anderen Fakten zu liefern. Stellt nur Fragen und schaut, wie lange es dauert, bis euch jemand für einen Verschwörungstheoretiker hält. Ihr werdet verblüfft sein.

Und dann stellt euch die Frage, warum es in einer Gesellschaft, die so viel Wert auf Meinungsfreiheit legt, so schwer ist, solche Themen zu hinterfragen.

Der Jakobsweg führte uns heute nach Ribadeo, eine Kleinstadt an der Küste, die sich vor allem durch das besondere Nichts auszeichnet, dass es hier zu sehen gibt. Die Küste selbst ist beeindruckend wird aber leider von der beeindruckend hässlichen Autobahnbrücke verschandelt, die einmal quer über die Bucht führt. Auf dem Weg in die Stadt wurden wir von einem Google-Streetview-Wagen überholt, der mit 100km/h an uns vorbeirauschte. Wir haben ihm mal freundlich gewinkt. Vielleicht sind wir dann ja demnächst auf Google-Maps hier zu finden. Der Wagen hatte eine große Kugel auf dem Dach, in der sich Kameras befanden, die in jede Richtung filmten. Besonders fasziniert waren wir von der hohen Geschwindigkeit mit der der Wagen fuhr. Das Wetter heute war diesig und trübe und Heiko musste mit unserer Ausrüstung wirklich aufpassen, dass er seine Bilder nicht verwackelte. Wie gut musste also die Kameratechnik von Google sein, wenn sie es schaffte, in der Geschwindigkeit bei diesen Lichtverhältnissen trotzdem noch gute Bilder zu machen?

Auf der anderen Seite der Autobahnbrücke fanden wir als erstes die Pilgerherberge. Sie befand sich in einem Neubau, der mit einer Plakette verriet, dass er gut 14.000€ gekostet hatte. Warum man ihn hier direkt neben die Autobahn gebaut hatte, anstatt eines der vielen leerstehenden Gebäude im Stadtzentrum zu verwenden, leuchtete uns nicht ein. Für die Pilger wäre angenehmer gewesen, die Stadt hätte weniger Kosten gehabt und die Läden hätten mehr von den Pilgern profitieren können. Denn nun lag die Herberge soweit außerhalb, dass die meisten nach ihrer Tageswanderung wahrscheinlich keine langen Stadtausflüge mehr machten. Ebenso wenig verstanden wir, warum diese Herberge nun wieder 6€ kostete, obwohl sie das gleiche bot, wie die kostenlose von gestern. Beide waren städtisch und beide wurden durch die Steuergelder der Einheimischen finanziert. Warum also die Unterschiede?

Die ungünstige Lage, die 6€ Eintritt und die Tatsache, dass man am Morgen bereits vor 8:00Uhr ausgecheckt haben musste, waren gründe genug uns einen anderen Schlafplatz zu suchen.

Auf dem Weg in die Innenstadt trafen wir ein englischsprachiges Pärchen. Sie war Spanierin und er kam ursprünglich aus Australien. Beide lebten etwas südlich von hier und suchten nach einem guten Platz, um eine Kirche zu gründen. Vor vierunddreißig Jahren war er von Australien hier hergezogen um soziale kirchliche Projekte zu betreuen. Zunächst hatte er mit drogenabhängigen Jugendlichen gearbeitet, später hatte er unterschiedliche andere Projekte geleitet, die gleichzeitig eine Missionsarbeit und einen Hilfscharakter beinhalteten. Nach und nach waren dann zwei Kirchen entstanden und nun sollte die dritte entstehen.

In der Touristeninformation schlug man uns den Pfarrer und das Kloster der Clarissas als Anlaufstelle vor. Die Clarissas waren jene Nonnen, die niemals ihr Haus verließen und bei denen wir uns deswegen kaum mehr eine Hoffnung machten. Beim Pfarrer hatten wir jedoch genauso wenig Glück. Er war wieder einmal unauffindbar und kam erst gegen 19:30Uhr.

Da es regnete und wir keine große Lust auf lange hin- und her Rennereien hatten, beschlossen wir, ein oder zwei Hotels zu fragen und dann unser Zelt aufzubauen. Doch diesmal hatten wir Glück. Gleich das erste Hotel sagte zu. Es war ein gemütliches kleines Hotel mit dem Namen Hotel Mediante, in dem wir ein schönes Doppelzimmer bekamen.

Auf dem Platz vor dem Hotel trafen wir dann auf René, einen der beiden Pilger, die wir am Vorabend kennengelernt hatten. Wie sich herausstellte wohnten er und auch André im gleichen Hotel.

Nachdem die Übernachtungsfrage geklärt war, machten wir uns auf die Suche nach etwas zu essen. Seit Tagen hatten wir davon geträumt, endlich mal wieder eine Pizzeria zu finden und heute wurde dieser Wunsch endlich erfüllt. Wir gingen hinein, fragten nach etwas Nahrung und die freundliche Dame sagte sofort zu. Augenblicklich lief uns das Wasser im Munde zusammen. Kurze Zeit später kam die Dame dann mit einer Tüte zurück, die sie uns in die Hand drückte. Als wir hineinblickten, kamen uns fast die Tränen! Sie enthielt keine Pizza. Auch keine Nudeln, kein Antipasti und nicht einmal ein trockenes Pizzabrot. Sie enthielt zwei Bocadillos mit Formschinken und Scheiblettenkäse.

Um das Mahl etwas aufzuwerten schauten wir doch noch einmal im nahegelegenen Supermarkt vorbei. Der Erfolg war nicht größer als am Vortag, aber spannend war der Besuch trotzdem. Uns fiel auf, dass der riesige Markt wieder nahezu keine Auswahl an unterschiedlichen Lebensmitteln bot. Dafür bot er jedoch eine gigantische Auswahl an immer den gleichen Lebensmitteln. So gab es ein komplettes Regal über fünf Meter, dass nur Milch von verschiedenen Firmen enthielt. Ein anderes in gleicher Größe enthielt Kaffee, das nächste Jogurt und so weiter. Wie hier jemand etwas finden wollte, um damit wirklich zu kochen, blieb uns ein Rätsel.

Spruch des Tages: Man kann einen Menschen nichts lehren, man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken. (Galileo Galilei)

 

Höhenmeter: 130 m

Tagesetappe 14 km

Gesamtstrecke: 2968,07 km

Franz Bujor
Franz Bujor ist Wandermönch, Web-Nomade und Autor. Nach einem Studium in Kulturwissenschaften, bei dem er unter anderem bei einem Maya-Volk in Guatemala gelebt und in einem Kinderheim in Serbien gearbeitet hat, war er zunächst als Erlebnispädagoge und Wildnismentor tätig. 2014 ließ er sein bürgerliches Leben hinter sich und reist seither zu Fuß und ohne Geld um die Welt. Neben seinem eigenen Entwicklungsweg schreibt Franz besonders gerne über geschichtliche und gesellschaftliche Themen.

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