Warum die Natur uns Heilt und die Zivilisation uns krank macht

von Heiko Gärtner
11.05.2016 20:51 Uhr

Fortsetzung von Tag 861:

Die Angst vor dem Leben führt also dazu, dass wir unsere Baseline für eine sehr lange Zeit am Stück verlassen und permanent im Ausnahmezustand leben. Wenn ich Angst vor einem imaginären Feind habe, kann ich nicht mehr zur Ruhe kommen, wenn ich mich in meinem Mauseloch verkrieche, denn der Feind ist nicht im Außen, sondern in meinem Kopf und begleitet mich daher überall hin. Mein Körper verhält sich also auch weiterhin so, als müsste er vor irgendetwas fliehen. Bekomme ich beispielsweise von einem Arzt gesagt, dass ich eine tödliche Krankeheit habe, dann kann mein Körper auf dieses Gespräch mit dem gleichen Sonderprogramm reagieren, wie die Maus, die einer Katze gegenüber steht. In beiden Fällen nimmt der Organismus eine tödliche Bedrohung wahr und will davor fliehen, vorrausgesetzt natürlich, dass ich den Worten des Arztes glauben schenke. Anders als die Maus kann ich vor der schlechten Nachricht jedoch nicht weglaufen und mich in Sicherheit bringen. Der Impuls “Gefahr vorbei!” wird also nicht gegeben. Das bedeutet, dass das Sonderprogramm, das eigentlich nur für einen kurzen Moment vorgesehen war, zu einer Dauerschleife wird. Kurzfristig hatte dieses Programm einen Sinn und leistete einen elementaren Beitrag zu unserem Überleben. Langfristig sieht dies jedoch etwas anders aus. Um mit dem permanenten Ausnahmezustand umgehen zu können, muss sich unser Körper umstellen. Je nach Konflikt müssen bestimmte Organe stärker, kräftiger und leistungsfähiger werden, während andere, die für die Konfliktlösung vielleicht nicht direkt von Bedeutung sind, heruntergefahren, abgebaut oder verkleinert werden, um neue Reserven zu mobilisieren. Dadurch kommt es zu einem Ungleichgewicht in unserem Körper, der uns langfristig schadet. Solange wir uns in einem kurzfristigen, realen Sonderprogramm befinden, haben wir zwar unsere Baseline, nicht aber unser inneres Gleichgewicht verlassen. Unsere Lunge stellt beispielsweise mehr Energie für die Flucht bereit und diese Energie wird sofort wieder verbraucht. In einer Dürrephase steigert die Leber ihre Funktion um mehr Nährstoffe aufzuschlüsseln, so dass unser Nährstoffhaushalt mehr oder weniger auf dem gleichen Stand bleibt, wie bei normaler Nahrungsversorgung und einer gewöhnlich arbeitenden Leber. Wir bleiben also in Balance. Existiert die Gefahrensituation jedoch nur in meinen Gedanken, so kann die überschüssige Energie nicht abgebaut werden, weil ich rein körperlich überhaupt nicht flüchte. Ich liege vielleicht sogar den ganzen Tag im Bett, weil mir verordnet wurde, dass ich mich schonen muss und trotzdem arbeitet mein Körper als würde er einen Dauersprint hinlegen. Meine Existenzangst spielt mir vor, dass ich nicht genug zum Leben habe und daher vielleicht verhungern werde. Also schlüsselt meine Leber noch den letzten Rest an Inhaltsstoffen meiner Nahrung auf. Gleichzeitig sorgt aber die Angst auf der emotionalen Ebene dafür, dass ich permanent am Futtern bin und alles in mich hineinstopfe, was ich finden kann. Dieses innere Ungleichgewicht ist es, was uns schadet.

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Hinzu kommt, dass das Sonderprogramm durch seine Dauerschleife die ursprüngliche Sinnhaftigkeit verliert. Eine Lungenvergrößerung für einen kurzen Zeitraum um mehr Sauerstoff in den Körper bringen kann im passenden Moment lebensrettend sein. Die Lunge dauerhaft zu vergrößern und immer größer und noch größer werden zu lassen, bringt uns hingegen nicht weiter. Irgendwann drückt sie von oben auf das Zwerchfell und engt die darunterliegenden Organe ein, die uns nun schmerzen und die in ihrer Funktionstüchtigkeit eingeschränkt werden. An dieser Stelle kommt dann auch noch unsere moderne Medizin ins Spiel, die es beeindruckenderweise fertig bringt, durch ihre grandiose Fehlinterpretation der Lage, alles noch schlimmer zu machen. Denn da wir uns in der Medizin normalerweise nicht mit der Natürlichkeit und Unnatürlichkeit unseres Lebens beschäftigen, interpretieren wir die körperlichen Veränderungen durch die Sonderprogramme als Krankheiten. Erkennen wir in einem Organ einen ungewöhnlichen Zellzuwachs, der aufgrund eines lange aktiven Sonderprogramms entstand, nennen wir dies in der Regel krebs. Wir können uns nicht erklären, warum sich die Zellen in den unterschiedlichen Organen plötzlich so schnell vermehren und glauben daher, dass die Zellen kaputt sind. Die Frage, ob ihre vermehrte Zellteilung einen Grund haben könnte, stellen wir in der Regel nicht. Stattdessen sehen wir nun auch die Zellen als einen Feind an, auf den wir mit zwei unterschiedlichen Verhaltensweisen reagieren. Zum einen fürchten wir uns vor ihnen, weil wir schon wieder glauben, dass sie uns töten wollen. Ehe wir uns versehen haben wir also gleich noch einen weiteren Todesangstkonflikt, der in Dauerschleife läuft. Gleichzeitig versuchen wir die feindlichen, bösartigen Zellen in unserem Körper zu töten, indem wir sie verstrahlen oder vergiften. Beides führt dazu, dass unser Organismus weiter geschwächt und noch mehr aus dem Gleichgewicht gebracht wird.

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Doch kommen wir noch einmal auf die Konfliktsysteme zurück. Denn es kommt noch ein weiterer Faktor hinzu. Solange der Konflikt in uns aktiv ist, läuft nicht nur ein körperliches Sonderprogramm in uns ab, wir befinden uns auch in einem Dauerangstzustand. Unser ganzes Denken, Fühlen und Handeln auf diese Angst ausgerichtet. All unsere Gedanken drehen sich im Kreis und lassen nichts anderes mehr zu, als die Konzentration auf die Angst. Es ist, als würde uns pausenlos jemand mit einem kleinen Hammer gegen den Kopf schlagen. Wir sind permanent abgelenkt, unsere Aufmerksamkeit sinkt ins Bodenlose, wir können nicht mehr richtig schlafen, fühlen uns gestresst, werden unkontrolliert und führen lauter irrationale Handlungen aus. All dies endet erst dann wieder, wenn wir von irgendwo den Impuls bekommen, dass die Gefahrensituation wieder vorbei ist. Da die Gefahr selber jedoch nicht real war, ist es oftmals nicht so leicht, diesen passenden Impuls zu finden. Vor allem, weil wir uns oftmals nicht einmal bewusst sind, dass wir uns in einer Konfliktsituation befinden. Um den Entwarnungsimpuls zu bekommen müssen wir die Konfliktsituation also zunächst einmal erkennen und auf ihre Ursächlichkeit zurückführen. Und hierbei stoßen wir auf die nächste Schwierigkeit die uns unser intuitionsloses, verstandes- und angstorientiertes Handeln einbringt.

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Da Tiere intuitiv auf die Gefahrensituationen reagieren, lassen sich ihre biologischen Sonderprogramme meist sehr leicht den entsprechenden Situationen zuordnen. Wenn ich als Maus einen Fressfeind wahrnehme, reagiere ich mit Flucht. Wenn ich als Löwenmännchen einen Rivalen in meinem Revier bemerkte, reagiere ich mit Angriff und Kampf. Als Mensch ist dies jedoch bei weitem nicht so klar, da wir jede Situation aufgrund unserer Ängste individuell interpretieren. Nehmen wir einmal an, Herr Müller erwischt seine Frau mit einem anderen Mann im Bett. Wäre Herr Müller eine Ente, so wäre dies für ihn ein Zeichen für einen Revierkonflikt und seine Intuitive Handlung wäre, dass er das fremde Männchen verbeißt und vertreibt. Anschließend wäre die Situation für ihn geklärt. In unserem Fall hat Herr Müller aber seit seiner Kindheit Verlassensängste und empfindet sich selbst als nicht liebenswert. Seine Frau nun mit einem anderen Mann im Bett zu sehen, wird von ihm daher nicht als Eindringen in sein Revier sondern als Bestätigung seiner eigenen Unzulänglichkeit bewertet und seine Reaktion ist kein Angriff sondern eine Selbstverurteilung. Er befindet sich nun also in einem Selbstwertkonflikt. Herr Huber hingegen hat laufend wechselnde Frauen und ein starkes Selbstbewusstsein. Als er seine aktuelle Frau im Bett mit einem anderen erwischt, stört ihn weniger das Fremdgehen als die Tatsache, dass dieser Hallodri in seinem Revier wildert. Genau wie der Enterich vertreibt er den Eindringling, da er die Situation als einen Revierkonflikt wahrnimmt.

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Durch das Zwischenschalten vom Verstand können wir also ein und die selben Impulse vollkommen unterschiedlich interpretieren und daher auch mit vollkommen anderen Konfliktprogrammen darauf reagieren. Wie diese Reaktionen aussehen, hängt dabei sehr stark von unserem Portfolio an Ängsten ab, das wir uns im Laufe unseres Lebens angeeignet haben. Es ist ein bisschen wie bei den alten Computern, die noch mit Lochkarten funktionnierten. Jeder Mensch sammelt aufgrund von Erfahrungen die er als nagativ, verstörend oder traumatisierend empfunden hat, eine mehr oder minder große Anzahl von Ängsten an, die jeweils auf einer solchen Lochkarte vermerkt werden. Wenn nun eine neue Gefahrensituation auftaucht, gleicht er diese mit seinen Angstkarten ab und entscheidet dann, zu welcher Angst sie am besten passt. Dementsprechend startet er dann das passende Sonderprogramm. Damit die Sache jedoch nicht zu einfach wird, kommen wir nicht als unbeschriebene Blätter zur Welt. Bereits im Bauch unserer Mütter haben wir schon ein Bewusstsein und bekommen Eindrücke und Erfahrungen mit. Alles was eine Wesen in seinem Leben erfährt, wird als Information in jeder einzelnen Zelle abgespeichert. Solange wir uns imi Bauch unserer Mutter befinden, sind wir ein Teil ihres Organismus. Dadurch bekommen wir auch ihre Ängste und alle Konfliktprogramme mit, die sie während der Schwangerschaft durchlebt. Wenn man bedenkt, dass auch die Samen und Eizellen mit den Erfahrungsinformationen unserer Eltern ausgestattet sind, kommt höchst wahrscheinlich auch schon ein ganzer Stapel an Angst-Lochkarten aus der Zeit vor unserer Zeugung bei uns an. Wir haben also schon bei unserer Geburt eine große Auswahl an Ängsten, mit denen wir jede mögliche Gefahrensituation abgleichen können. Je nachdem wie unsere Kindheit verläuft, können sich diese Ängste unterschiedlich auf unsere Konfliktsystem auswirken. So kann es zum Beispiel sein, dass Felix sehr vorsichtige und ängsliche Eltern hat, die stets versuchen, ihn vor allem zu beschützen. Er bekommt nie eine starke, traumatische Erfahrung, die in seinem Leben besonders einschneidend war. Dafür aber ist er von einer unzählbar großen Menge an Ängsten erfüllt, die sich gegen alles und jeden richten können und bei denen man kaum noch eine Üersicht behalten kann. Christian hingegen hat als Kind zwei oder drei traumatische Erfahrungen gemacht, die ihn tief geprägt und beeinflusst haben. Die daraus resultierenden Konfliktsituationen sind riesig, aber dafür sind es nur sehr wenige. In Christians Fall wird es später wahrscheinlich deutlich leichter sein, seine Konflikte aufzulösen, da sie zum einen sehr präsent und zu anderen sehr klar und gradlinig strukturiert sind. Felix' System hingegen ist so komplex und verschachtelt, dass es eine große Herausforderung wird, die einzelnen Konflikte überhaupt erst einmal ausfindig zu machen. Außerdem waren die Auslöser möglicherweise so klein und subtil, dass er sich kaum noch an sie erinnern kann und dementsprechend schwierig wird es sein, die nötigen Impulse für die Konfliktbeendung zu setzen. Obwohl Christian auf den ersten Blick vielleicht die schwierigere Kindheit hatte, ist sie im nachhinein trotzdem leichter zu lösen.

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Es gibt aber noch weitere Faktoren, die die Art und die Tiefe der Konfliktsysteme beeinflussen. Herr Schmitt und Herr Köhler wurden beide von ihren Frauen verlassen, die jeweils auch gleich noch ihr komplettes Vermögen mitgenommen haben. Beide Männer stehen nun also komplett mittellos dar und können nicht einmal mehr ihre Miete bezahlen. Dadurch kommen beide in einen Existenzangstkonflikt, weil beide fürchten, dass ihre Grundexistenz durch diese Situation gefährdet ist. Herr Schmitt ist jedoch ein gewiefter und erfolgreicher Gschäftsmann. Für ihn ist klar, dass dieser Zustand der Mittellosigkeit nur von kurzer Dauer sein wird. Er muss sich auf den Hosenboden setzen, ordentlich ranklotzen und zusehen, dass er das Geld innerhalb kürzester Zeit wieder zusammen hat. In dieser Phase arbeitet er auf Hochtouren und geht an seine körperlichen und psychischen Grenzen. Sobald die Situation vorbei ist, kehr er jedoch in sein gewohntes Muster zurück. Bei Herrn Köhler sieht die Sache hingegen anders aus. Schon als Kind hat er gelernt, dass er ein Versager ist, der es nie zu etwas zustande bringen wird. Ständig ließ er sich übers Ohr hauen und die Situation mit seiner Frau zeigt ihm nur noch einmal aufs Neue, dass er kaum lebensfähig ist. Sein Existenzkonflikt ist also nicht nur auf diese einzelne Situation bezogen, sondern durchzieht sein ganzes Leben. Jetzt, wo er mittellos darsteht, weiß er nicht, wie er das jemals wieder auf die Reihe kriegen soll. Für ihn ist der Zustand nicht überschaubar, sondern wird zu einem endlosen Desaster, das er wohlmöglich niemals lösen wird. Zu seinem Existenzkonflikt kommen nun also noch viele weitere Konflikte hinzu und wenn er zurück in seine Baseline will, muss er die Ursächlichkeiten in seiner Kindheit auflösen.

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Schließlich gibt es noch eine andere Form von Konfliktsystemen, die wir genauer beleuchten müssen, um das Konzept vollständig zu verstehen. Tiere, die als Teil des göttlichen Ganzen leben, besitzen kein Ego, das verletzt werden könnte. Sie sind daher auch nicht nachtragend und können ein Probem, das behoben wurde vollkommen loslassen. Wir Menschen hingegen haben gerne die Angewohntheit, selbst gelöste Situationen noch ewig mit uns herum zu tragen, weil wir uns in unserem Ego dadurch verletzt fühlen. Kehren wir dafür noch einmal zu dem Beispiel von Herrn Müller und seiner untreuen Frau zurück. In der Tierwelt ist der Konflikt nach dem vertreiben des Männchens beendet. Bei uns ist dies jedoch häufig nicht der Fall. In Herrn Müller kommen verschiedenste Gedanken auf, die ihn weiter in der Situation festhalten. “Du hast mich betrogen! Wie konntest du einfach fremd gehen? Bin ich im Bett nicht gut genug? Will meine Partnerin mich jetzt verlassen?” und so weiter. Diese Gedanken können ebenfalls eine Reihe von Konflikten auslösen, je nachdem mit welcher Angst Herr Müller sie verbindet. Als Menschen haben wir also eine ganze Reihe von Konfliktsystemen erfunden, auf die unser Körper mit einem biologischen Sonderprogramm reagiert, die es in einer natürlichen, artgerechten Welt eigentlich nicht geben würde. Wenn ich Angst davor habe, von meinem Partner verlassen zu werden, dann trage ich diese Angst in jeder Sekunde mit mir herum und kann sie nicht ablegen. Der Konflikt, der das biologische Sonderprogramm in mir auslöst endet also erst, wenn ich es schaffe, meine Angst aufzulösen oder wenn mich mein Partner wirklich verlässt und ich nun nichts mehr zu verlieren habe.

Fortsetzung folgt...

Spruch des Tages: Medizin ist eine Wissenschaft, die verhindern will, dass die Menschen eines natürlichen Todes sterben. (Robert Lembke)

Höhenmeter: 310 m Tagesetappe: 17 km Gesamtstrecke: 15.148,27 km Wetter: größtenteils Sonnig und scwülwarm Etappenziel: Zeltplatz hinter einem Feld, kurz vor 2955 Kotschan, Bulgarien

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Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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