Tag 322: Traumpartner gesucht

von Heiko Gärtner
20.11.2014 18:46 Uhr

Am Abend kam Manuela zu Besuch und wir bereiteten gemeinsam mit den Komunenbewohnern das Abendessen vor. Manuela erzählte uns einiges über ihre Arbeit und über verschiedene Heilungsmethoden, die sie erfolgreich angewendet hatte und von denen wir bislang noch nichts gehört hatten.

So hatte sie beispielsweise gute Erfolge mit einer Erdbeertherapie bei Gicht. Demnach sollten sich innerhalb eines Monats deutliche Verbesserungen einstellen, wenn man täglich zum Frühstück eine Schale Erdbeeren auf leeren Magen isst und dann bis zum Mittag fastet. Ob an dieser Heilungsmethoden etwas dran ist weiß ich nicht, aber wenn man Erdbeeren mag, kann man sie ja gefahrlos ausprobieren. Falls sich jemand von euch dazu berufen fühlt, sind wir für Rückmeldungen dankbar.

Joanne, eine der Bewohnerinnen hatte ein Quiche zubereitet, das in erster Linie aus Teig, Käse und Sauerrham bestand. Damit fiel es Meilenweit aus unserem Speiseplan, wenngleich es recht lecker aussah. Wir beschlossen daher selbst etwas zu kochen und bereiteten eine asiatische Gemüsepfanne zu, die zur Hälfte aus Zutaten von unseren Gastgebern und zur Hälfte aus unseren eigenen Vorräten bestand. Beim Kochen erzählten wir den anderen von unserer Nahrungsumstellung und erklärten auch, warum wir so komische Essgewohnheiten haben. Dementsprechend gingen wir davon aus, dass die Gemüsepfanne in erster Linie für Heiko Manuela und mich und das Quiche für die übrigen Anwesenden war. Doch weit gefehlt. Als erstes stürzte sich jeder auf unsere Pfanne und mit wehmütigen Augen, musste ich zusehen, wie die Portionen für Heiko und mich immer kleiner wurden. Es war ein bisschen so, als wäre man als Vegetarier unter lauter Fleischfressern, die aber alle erst einmal das vegetarische Gericht probieren wollen, weil es so schön absonderlich aussieht. Und am Ende bleibt für den Vegetarier dann nur noch ein saftiges Schnitzel übrig. Sofort war meine Verhungerungsangst auf der Bildfläche erschienen. Wiederwillig und ohne jede Freude verteilte ich Löffel für Löffel von unserem leckeren Gericht an die Mitesser.

"Reiß dich zusammen, du elender Geizhalz!" Schnauzte mein Gewissens-Ich innerlich, "Diese Menschen hier haben dir ein Dach über dem Kopf gegeben und sie haben einen Großteil des Essens gespendet. Da ist es doch wohl mehr als nur fair, ihnen auch etwas abzugeben!"

"Du hast ja recht," sagte mein Verhungerungs-Ich, "aber hätten sie nicht vorher etwas sagen können? Dann hätten wir einfach mehr gekocht. So wird es niemals für uns reichen und wir werden hungrig zu Bett gehen!"

"So ein Blödsinn!" rief mein Vertrauens-Ich, "schau dich nur einmal um, es ist noch genug da und selbst Venen du nach dem Essen noch hungrig bist, dann gibt es jede Menge Nüsse und Äpfel, an denen du dich ebenfalls Sattessen kannst. Wo ist dein Urvertrauen? Wo ist deine Gewissheit, dass du zu jeder Zeit im vollkommenen Wohlstand lebst? Merkst du nicht, dass du nur deshalb Mangel in dein Leben ziehst, weil du ständig glaubst, nicht genug zu haben? Wie soll dir denn von Herzen gegeben werden, wenn du selbst nic bereit bist, von Herzen zu geben? Das darf doch nicht wahr sein! hast du denn nichts gelernt in den 10 einhalb Monaten, in denen du nun schon im Urvertrauen reist?"

"Ja, schon," stammelte mein Angst-Ich, "aber sie doch, wie die alle reinhauen! Und vom Quiche bleibt sicher die Hälfte übrig! Das ist doch nicht gerecht! Wie soll ich vertrauen, dass ich genug habe, wenn ich doch sehe, wie es vor meinen Augen zerrinnt?"

"Glaubst du wirklich, dass du nur dann genug Lebensenergie bekommst, wenn du drei randvolle Teller isst, bis sich dein Magen so ausdehnt, dass du dich nicht mehr bewegen kannst? Oder ist es vielleicht eher deine Gier, die nic befriedigt werden kann, und nicht dein Hunger!"

"Ach leck mich doch am Arsch!" Schnauztet mein Angst-Ich beleidigt und fühlte sich so überführt, dass ihm die Argumente ausgingen. Dann fügte es pampig hinzu: "So, aber das ungute Gefühl von Mangel behalte ich trotzdem. Das mag ich nämlich und du wirst mir das mit deinem doofen Vertrauen nicht wegnehmen!"

"Na toll," dachte ich, "dass diese Ängste auch immer das letzte Wort haben müssen. Da sind sie schon komplett entlarvt und belasten einen trotzdem noch."

"Möchte noch jemand etwas?" Fragte ich laut in die Runde.

"Sagt alle nein! Sagt alle nein!" Schrie die Angststimme in mir.

"Oh, ja" riefen die Leute, "das ist wirklich sehr lecker!"

"Nein! Verdammt!" Fluchte meine Verhungerungsangst.

Am Ende sollte mein Vertrauens-Ich recht behalten. Es war nicht genug um sich damit so vollzufressen, das man das Gefühl hatten man würde platzen, doch es war genug um mit einem wohligen, gesättigten Gefühl vom Tisch aufzustehen. Und richtig, zum Nachtisch gab es Nüsse, Äpfel und sogar Kiwis. Kein Grund also, sich sorgen zu machen.

Ansonsten beschäftigte uns an diesem Abend vor allem ein Mysterium, das wir nicht lösen konnten. Das Zimmer in dem wir übernachteten wurde eigentlich von einem weiteren Bewohner der Kommune bewohnt, der in den Worten seiner Mitbewohner jedoch verschollen war. Was war wohl mit ihm geschehen? Auf seinem Tisch lag noch seine komplette Taucherausrüstung und neben dem Bett lag ein Beutel mit frischer Kleidung, der aussah, als hätte er eigentlich ins Reisegepäck gesollt. Auch sonst sah es nicht so aus, als wäre der Bewohner dieses Zimmers auf eine lange Reise aufgebrochen. Es wirkte eher, als wäre er überstürzt aufgebrochen oder als wollte er gleich zurückkommen. Seine Mitbewohner schienen sich jedoch keine Gedanken über ihn zu machen und wir konnten ansonsten nichts über ihn in Erfahrung bringen. Jeder war frei zu kommen und zu gehen. So schön das auf der einen Seite war so sehr hatte es auf der anderen jedoch den Geschmack von Gleichgültigkeit. Das mag eine komplett subjektive und vollkommen unbegründete Wahrnehmung sein, aber das Gefühl dass der Mann vielleicht irgendwo beim Surfen untergegangen oder von Kidnappern im Wald verscharrt wurde, wollte nicht verschwinden. Spannend, wie schnell man aus einem kleinen Kommentar am Essenstisch im Kopf einen ganzen Kriminalfall zusammenbastelt.

Noch etwas fiel uns an der Wohngemeinschaft auf. Alle vier waren sehr liebe Leute mit großen Ideen und tollen Zielen. Und doch wirkten sie alle etwas verloren. Auch das Haus selbst war nicht besonders gemütlich oder wohnlich sondern leider etwas verramscht. Es lag nicht daran, dass sie hier mit wenig Geld zurecht kommen mussten, es war mehr, die Unordnung und die fehlende Struktur, die die Räume dominierte. Sie erinnerte uns an alle anderen Kommunen, die wir bisher in unserem Leben gesehen hatten. Und sie erinnerte uns an unser eigenes Wohnzimmer in Neumarkt. Warum war es nur so schwer, einen Raum ordentlich zu halten und ein heimeliges Gefühl zu bewahren? Es war ein bisschen so, als läge ein Fluch über alternativen Wohngemeinschaften, der verhinderte, dass es dort gemütlich war und das sie auf Dauer den Tatendrang beibehalten konnten, mit dem sie gegründet wurden. So als wären sie immer auf die eine oder andere Art zum scheitern verurteilt und wenn es auch nur ein subtiles Scheitern in Form eines Gefühls war.

Heute wanderten wir dann am Binnensee entlang und kamen an einer Reihe von Muschelfarmen vorbei. Sie rochen unangenehm nach Verwesung und totem Fisch und es war spannend zu sehen, dass sie auf die gleiche ungesunde massenhafte Weise produziert wurden, wie alle andern Lebensmittel auch. Denn in Méze, der nächsten Stadt wimmelte es nur so von teuren Restaurants in denen man die Austern auf vornehmste Weise verspeisen konnte. Die piekfeinen Herrschaften in den noblen Restaurants wollten so gar nicht zu den slum-artigen Baracken passen in denen die Billigarbeitskräfte die Muscheln vorbereitet hatten.

In einem der Restaurants wurden auch wir auf eine Muschelsuppe eingeladen. Wirklich überzeugt waren wir von dieser Nobelküche nicht, aber die Pommes, die es dazu gab, waren klasse!

Das hohe Tourismusaufgebot machte die Situation wieder etwas komplexer. Heiko wurde beim Warten von neugierigen Blicken belagert und ich musste irgendwie versuchen, nicht mit einem Obdachlosen verwechselt zu werden, den man auf der Straße schlafen konnte. Wie sich später herausstellte, stellte ich mich damit nicht besonders gut an. Es dauerte fast zwei Stunden, bis wir einen Pfarrer auftreiben, der uns einen Gemeinderaum zur Verfügung stellte. Hier konnten wir uns dann endlich wieder dem Beziehungsthema widmen.

Beim letzten Mal hatte ich über die unterschiedlichen Strategien von Männern und Frauen geschrieben, mit dem Problem umzugehen, dass es keinen wirklich gesunden Menschen in unserer Gesellschaft mehr gibt. Wir streben nach einem Partner, der ganz in seiner Kraft steht und der wirklich sein Menschsein lebt. Das bezieht sich natürlich nicht nur auf die körperliche Ebene, über die ich schon einiges geschrieben habe. Es bezieht sich auch auf das Wesen selbst, auf den Geist und auf die Seele. Doch einen Menschen zu finden, der nicht einen Haufen Traumata mit sich herumträgt, die ihn auf irgendeine Art und Weise beeinträchtigen ist fast noch schwerer, als einen Menschen mit einem gesunden Körper zu finden. Beides ist eins. Die Körperebene wirkt sich auf unseren Geist und unsere Seele aus und ebenso verursachen unsere seelischen Themen körperliche Probleme.

Wir empfinden es meist als oberflächlich, wenn wir sagen, dass uns ein schönes äußeres bei einem Menschen wichtig ist. ‚Es kommt doch vor allem auf die inneren Werte an!’ Doch wie im Innen so im Außen! So ist jedes körperliche Symptom mit einem ungelösten Lebensthema auf der seelischen Ebene verbunden.

Warum ist bei Frauen Brust und Gebärmutterkrebs so häufig? Vielleicht, weil viele Frauen ein Problem damit haben, ihre Weiblichkeit anzunehmen? Kann es sein, dass der Körper mitbekommt, dass sie sich kraftlos und klein fühlen und sich selbst nicht richtig als Frau wahrnehmen? Wie kann man jemand anderen mit seiner Brust nähren, wen man selbst keine Kraft hat? Wie kann man ein neues, gesundes Leben in die Welt setzen, wenn man selbst nicht mit seinem eigenen zurecht kommt? Könnte es also sein, dass der Körper sich daher selbst die Fähigkeiten nimmt, mit denen man eh nicht umgehen könnte? Bei den Männern ist es ähnlich.

Dementsprechend ziehen wir auch immer jene Partner in unser Leben, die uns unsere eigenen Schwächen spiegeln und die uns dabei helfen können, sie aufzulösen. Das Leben macht keine Fehler, denn es folgt immer einem Schöpfungsplan. Daher gibt e auch keine „falschen“ Partner. Wenn eine Beziehung letztlich scheitert, dann bedeutet das nicht, dass man sich zuvor den falschen Partner ausgewählt hat, mit dem es „einfach nicht passt“. Es bedeutet, dass man seine Lernaufgabe entweder gelöst oder aber nie wahrgenommen hat. In den meisten Fällen ist es leider das letztere. Solange wir Lernaufgaben in uns tragen, die wir lösen müssen um ganz wir selbst zu sein, solange werden auch alle Beziehungen, die wir führen Lernpartnerschaften sein. Erst wenn wir vollkommen in unserer Kraft stehen und unser wahres Sein wirklich angenommen haben, ist auch eine heilige, darmatische Beziehung möglich.

Bildlich gesprochen läuft es auf folgendes hinaus: Wir wünschen uns für die Sexualität eine Banane, bekommen jedoch eine Birne. Dann aber tun wir so, als wäre es eine Banane und stellen uns diese Banane beim Sex vor. So kommen wir dann zwar zu unserem Lustmoment, doch dieser entsteht in unserem Gehirn, in unsere Phantasie und nicht als Ergebnis der gemeinsamen Nähe. Mit der Zeit verlieren wir immer mehr die Lust daran, die Birne als Banane zu essen und man beginnt ganz in der Bananenfantasie zu leben. Vielleicht trennt man sich dann von der Birne und sucht nach einer neuen Frucht, die dieses Mal dann vielleicht eine Banane ist. Doch stattdessen bekommt man nun eine Orange und das Spiel beginnt von vorne.

Da es keine wirklich gesunden Menschen mehr gibt, haben wir immer einen Partner, der uns zu 10-70% antickt, während und 30-90% an ihm stören. Manchmal sind es nur subtile Themen, die wir ausblenden können, dass wir sie nur noch als unbestimmtes Gefühl der Entfremdung wahrnehmen. Manchmal finden wir sie jedoch auch richtig abstoßend. Es können Pickel, Narben, Zellulite, Hängetitten, Allergien, lästige Angewohnheiten, Schnarchen, Rauchen, Alkoholismus, Kaufzwänge, Humorlosigkeit, Falten, unreine Haut, lästige Ticks, Unaufmerksamkeit oder tausend andere Dinge sein. Doch es ist immer irgendetwas, das uns nervt. Jetzt ist es so, dass wir das aus unserem Geist verdrängen und sagen: ‚Dies ist das Beste, das ich erwirtschaften kann, also muss ich dabei Lust empfinden. Doch es hat nichts mit Lust zu tun, da ich mich die ganze Zeit selbst belüge und da ich mich durch diese Unehrlichkeit selbst schwäche.

Es ist ein bisschen wie bei der Wahl der richtigen Wohnung. Wir wünschen uns eine Wohnung mit Balkon und Badewanne, doch das beste was wir finden können ist ein Kompromiss. Entweder wir haben einen Balkon und eine Dusche oder wir haben eine Wanne, dafür aber keinen Balkon. Jetzt entscheiden wir uns vielleicht für eine Wohnung mit Badewanne und diese hat vielleicht sogar noch eine Whirlpoolfunktion, mit der man lustige Blubberbläschen machen kann. In diesem Punkt wurden unsere Erwartungen also vielleicht sogar übertroffen. Dennoch ist die Wohnung ein Kompromiss, der nicht dem Entspricht, was ich eigentlich für mich vorgesehen hatte. Vielleicht habe ich vorgehabt, auf meinem Balkon in der Sonne ein Buch zu schreiben, was ich nun nicht machen kann. In der Wohnung starre ich jedoch immer gegen die Wand und so kommen mir keine kreativen Ideen. Klar freue ich mich über die Wanne, doch es ist immer auch ein Gefühl des Verzichts in mir. Wenn ich nun davon ausgehe, dass ich mich immer nur in meiner Wohnung aufhalten muss, dann wird mich dieser Verzicht auf Dauer Krank machen. Er erzeugt ein subtiles Gefühl der Unzufriedenheit, das mich permanent schwächt.

Etwas anderes ist es jedoch, wenn ich weiß, dass ich meine Wohnung auch verlassen darf. Vielleicht kann ich regelmäßig einen Freund besuchen und schreibe das Buch auf seinem Balkon, oder ich schreibe es im Schlosspark auf der Bank neben dem schönen See mit den Schwänen.

Finde ich hingegen eine Wohnung die alles hat, so kommt es nicht mehr zu diesem Gefühl des Verzichtes und ich mache mich selbst auch nicht mehr krank. Daher suchen wir ständig nach dem perfekten Partner. Doch meist finden wir entweder einen Partner, der eine tolle Seele hat, die gut zu uns passt und von dem wir uns vorstellen können, dass wir unser Leben mit ihm teilen wollen. Er hat vielleicht das gleiche Dharma wie wir und wir sind absolut begeistert davon. Dafür zeigen sich die Lebensthemen jedoch auf der Körperebene auf eine Weise, die uns abstößt und mit der wir überhaupt nicht einverstanden sind. Oder andersherum. Man findet einen schönen, attraktiven Partner, der sich jedoch auf eine Art und Weise verhält, die einen in den Wahnsinn treibt. Hier steht man also wieder vor der Frage nach dem Kompromiss. Doch egal wie ich mich entscheide, es wird auf einen Verzicht hinauslaufen. Man bekommt nur einen kleinen Teil von dem was man sich wünscht und somit verweigert man sich selbst die Ganzheit.

Ist es dann vielleicht wirklich eine Lösung, eine Beziehung in Offenheit zu führen? Zu sagen: „Danke Partner, dass du so eine schöne Wanne mit Blubberbläschen hast, aber hin und wieder gehe ich zum Buchschreiben zu einem anderen Partner in den Stadtpark?“

Ein Blick in andere Kulturen und auf andere Beziehungsformen zeigt, dass dies auch keine Patentlösung ist. Denn in vielen Kulturen gibt es eine Vielehe, es gibt Polygamie, Bigamie, freie Ehe, Harems und anerkannte Prostitution. So abstrakt diese Beziehungsformen für uns klingen mögen, so normal sind sie in den Kulturen, in denen sie bereits seit Jahrhunderten so gelebt werden. Doch glücklicher oder zufriedener als wir sind die Menschen dadurch meist auch nicht. Wenn man genau hinschaut, so findet man dort die gleichen Gefühle der Unzufriedenheit, wie bei uns. Es geht also nicht wirklich darum, ob eine Beziehung nun polygam, trigam, bigam oder wie auch immer ist. Es geht um eine tieferliegende Ursache. Es liegt daran, dass wir uns selbst nicht lieben und nicht mit unserem Ego zurecht kommen. Wenn wir verlernt haben, Nährstoffe aufzuschließen, dann macht es keinen Unterschied, ob wir einen Salat oder einen fetten Burger essen. Beides kann unseren Hunger nun nicht mehr stillen.

Das Problem ist nur, dass wir unsere Beziehungen nicht als Lernpartnerschaften anerkennen, sondern uns einbilden, dass es wahre Lebenspartnerschaften sind. Wir wollen den Spiegel, den uns unser Partner vor die Nase hält nicht sehen. Wir wollen, dass er uns mit all unseren Schwächen liebt, auch wenn wir es selbst nicht können. Wir wollen, dass er uns glücklich macht und dass wir durch ihn vervollständigt werden. Gleichzeitig geben wir ihm die Schuld dafür, wenn wir unglücklich sind oder wenn etwas in unserem Leben nicht passt. Wir sagen zwar, dass wir ihn lieben wie er ist, doch machen wir das wirklich? Bedingungslose Liebe bedeutet, dass uns der andere als Wesen wichtiger ist, als unsere Beziehung. Demzufolge würde es bedeuten, dass wir auch dann zu seinem Besten handeln, wenn wir wissen, dass es die Beziehung zerstören könnte. Wie oft sind wir bereit, das zu tun? Wie oft sehen wir, dass sich unser Partner durch ein Verhalten krank macht, sehen aber weg, weil wir ihn nicht verletzen wollen? Und wenn wir es aussprechen, sagen wir es dann so, dass der andere es annehmen kann oder geht es uns dabei nur darum unserem eigenen Frust loszuwerden? Wie viel echte Ehrlichkeit steckt in unseren Beziehungen? Wie oft sprechen wir wirklich unsere wahren Gefühle, Ängste und Bedürfnisse aus?

So kommt es, dass sich zwei angsterfüllte Kinder mit Rucksäcken voller Lebensthemen treffen und beschließen eine Partnerschaft einzugehen. Anstatt diese Partnerschaft jedoch als Weg des Lernens und des Wachstums zu begreifen, glauben sie, dass sie eine perfekte Beziehung führen, die jeden erfüllt und glücklich macht. Dies muss ja zwangsläufig zur Endtäuschung führen.

Dadurch treten dann die üblichen Alltagssymptome einer unglücklichen Beziehung auf. Man bleibt länger auf der Arbeit, um seinem Partner aus dem Weg zu gehen. Man setzt sich gemeinsam vor den Fernseher um nicht mehr so viel reden zu müssen und um den Austausch auf das wesentliche zu beschränken. Man hat alle paar Jahre einmal Sex, weil man ja bereits genau weiß, worauf es hinausläuft. Sie ist dabei unzufrieden, weil er es nicht schafft, ihr einen Orgasmus zu bereiten. ‚Er weiß halt einfach nicht wie es geht, denn wenn ich es selbst mache, dann mache ich es ganz anders! Er ist nicht sensibel genug und weiß gar nicht was ich will!’ Umgekehrt fragt sich der Mann, wie er es schaffen soll, schon wieder mit dieser alten Schachtel zu schlafen, die er längst nicht mehr erotisch findet. Eigentlich wünscht er sich doch etwas Jüngeres, Schöneres damit es überhaupt noch klappen kann. Die Frau beschwert sich, dass sie von ihrem Mann nicht mehr die Romantik, die Zärtlichkeit, die Anerkennung und die Streicheleinheiten bekommt, die sie sich wünscht. Gleichzeitig sehnt sie sich nach einem animalischen, wilden Verführer, bei dem sie sich fallen lassen kann. Doch sie bekommt beides nicht. Der Mann wiederum ist enttäuscht, weil er von seiner Frau kein Sexappeal bekommt. Wo ist diese Ausstrahlung, die die Frauen im Fernsehen immer haben? Wo ist die Erotik? Warum gibt es nie diese Highheals und Miniröcke, die einen wirklich anturnen würden? Was ist mit verführerischen Spielen und mit Reizwäsche? Er will sie begehren, doch in den meisten Fällen bleibt dieses Begehren aus. Die Frau sagt wiederum: „Du findest mich gar nicht so attraktiv wie ich bin!“ Das mag sogar stimmen, denn sie selbst schafft es ja auch nicht mehr. Vielleicht sagen wir trotzdem, dass wir sie so lieben, wie sie ist, doch der Wunsch nach diesem Begehren-Wollen bleibt bestehen.

„Du findest mich überhaupt nicht mehr attraktiv, wenn ich hier so im Jogginganzug herumsitze, während meine Brüste bis zum Boden hängen, mein Bauch größer ist als mein Busen, meine Zellulite so stark ist, das man darauf Golf spielen kann und mir die Schuppenflechte über den Rücken rankt.“

Andersherum sagt der Mann: „Ich verstehe gar nicht, warum du keine Lust mehr auf Sex mit mir hast, wenn ich mit meinem dicken Bierbauch vor der Glotze hocke und zwischen dem Umzappen zwischen zwei Programmen plötzlich Lust darauf bekommen. Wieso findest du es nicht erotisch wenn ich einfach kurz über dich drüberrutschen und schnell absamen will?“

Das sind überzeichnete Beispiele, aber in abgeschwächter Form findet man sie in fast jeder Beziehung.

Keiner spricht jedoch darüber und so bleibt die Unzufriedenheit bestehen. Faktisch bedeutet das, dass beide Partner so schlecht in Sachen Sexualität werden, dass keine Befriedigung mehr stattfindet. Nicht weil sie nicht wollen, sondern weil jeder so ungesund und damit auch so unattraktiv ist, dass er den anderen nicht mehr anregen kann.

In Familien kommt noch ein weiterer Faktor hinzu. Dadurch, dass wir keinen Clan mehr haben, der die Kindererziehung gemeinsam mit uns übernimmt, müssen wir alles alleine schaffen. Dadurch werden wir zu Vollzeiteltern. Wir sind nun keine Partner in dem Sinne mehr, wie wir es zuvor waren, wir werden zu Mama und Papa. Immer. Die Frau steht als Mutter auf, geht als Mutter durch den Tag und legt sich als Mutter ins Bett. Der Mann wechselt in den meisten Fällen in der gleichen Zeit zwischen Vater, Ernährer, Businessmann und wieder zurück zum Vater. Die Rollen als Partner kommen jedoch kaum noch vor. Wie also sollen hier eine Anziehung und eine Erotik aufkommen?

Genau aus diesem Grund, weil 99% aller Beziehungen so ablaufen und wir keine anderen sehen, haben wir komplett den Glauben daran verloren, dass es eine heilende, darmatische Beziehung überhaupt geben kann. ‚An einer Beziehung muss man arbeiten!’

Sie bedeutet Kraftaufwand, man muss sich investieren. Es ist Arbeit, keine Erholung. Doch sollte das so sein? Sollte unsere Beziehung nicht eher eine Kraftquelle, eine Oase der Heilung und der Energetisierung sein? Wenn sie uns nicht stärkt, warum gehen wir sie dann ein?

Es kann ja nicht das Ziel sein, einen Partner an der Seite zu haben, mit dem man sich gegenseitig so effektiv wie möglich schwächen kann. Einen idealen Streitpartner, der einem so viel Energie wie möglich raubt und der einem dabei hilft, möglichst viele Krankheiten auszubilden. Wenn wir ehrlich sind, haben wir unsere Beziehung aus einem anderen Grund gewählt. Unser Partner kann uns nicht glücklich und auch nicht unglücklich machen. Das können nur wir selbst. Und doch legen wir die Verantwortung für unser Glück in seine Hände. Wenn wir dann unglücklich werden, machen wir uns Gedanken darüber, warum unser Partner so schrecklich ist. Doch die Frage lautet eigentlich, warum wir so schrecklich sind, dass wir genau jenen Partner anziehen mussten, der uns darauf hinweist. Wir merken nicht mehr, dass es für uns unmöglich ist einen anderen Partner anzuziehen, der uns unsere Themen nicht spiegelt. Es ist ein Aktiva- und Passiva-Spiel. Das was ausgesendet wird, muss ein entsprechendes Gegenstück anzuziehen.

Doch was passiert, wenn man anerkennt, dass man sich in einer Lehrpartnerschaft befindet? Wenn man den Fokus auf die gemeinsamen Aufgaben und die jeweilige Wandlung legt? Energie folgt der Aufmerksamkeit. Erkennen wir an, dass es in unserer Beziehung um Entwicklung, Wandlung, Lernen und gegenseitiges Spiegeln geht, so kann letztlich auch eine Harmonie und damit eine erfüllende, nährende und energetisierende Sexualität und Partnerschaft entstehen.

Soweit die Theorie. In der Praxis ist das jedoch nicht so leicht umzusetzen. Ich sehe es ja an mir selbst, wie lange ich nun schon immer wieder an den gleichen Themen arbeite und nur im Schneckentempo vorankomme. Kann ein Partner bei so etwas überhaupt dabeibleiben? Vielleicht, vielleicht auch nicht. Es gibt noch einiges, was hier an offenen Fragen übrig ist.

Spruch des Tages: 

Willst du glücklich sein im Leben,

Trage bei, zum anderen Glück,

Denn die Freude, die wir geben,

Kehrt ins eigene Herz zurück

(Paulinas alter Karatelehrer)

Höhenmeter: 30 m

Tagesetappe: 13 km

Gesamtstrecke: 6118,37 km

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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