Stonehenge

von Heiko Gärtner
09.08.2017 07:01 Uhr

28.04.2017

Kochen in der Kirche, Workout auf dem Friedhof, Arbeiten auf dem Klo

Ich weiß nicht, wie wir es schaffen, aber wir haben ein schier unwahrscheinliches Geschick dafür, immer wieder den einzigen Tag der Woche zu erwischen, an dem der Chor in der Kirche probt, wenn wir gerade da sind. Langsam haben wir uns aber schon so sehr daran gewöhnt, dass wir uns dadurch von nichts mehr abhalten lassen. Da konzentrieren bei lautem Gesang und noch lauterer Orgelmusik meist nur schwer möglich ist, nutzen wir die Zeit meist zum Trainieren und Kochen. Mein Branding ist inzwischen soweit verheilt, dass ich meine Oberkörpermuskeln wieder fast vollkommen normal einsetzen kann. Erst haben wir mit Beintraining angefangen und gestern haben wir sogar schon wieder die Armmuskeln trainieren können. Vor ein paar Tagen haben wir unsere Sportmatten dafür auf dem Friedhof aufgebaut, weil es uns in der Kirche zu laut war. Die Sänger waren schon etwas irritiert, als sie nach ihrer Probe ins Freie traten und sahen, wie ich zwischen den Gräbern mit nach oben gestreckten Armen auf dem Rücken lag und Heikos Körpergewicht nach oben stemmte, so als wäre er eine Hantel. Gesagt haben sie dazu aber nichts.

Auch der Umstand, dass wir mitten in der Kirche kochen ist vollkommen normal geworden. Gestern haben wir die Chorzeit genutzt, um unser Abendessen vorzubereiten. In ihrer Pause sind dann einige Sänger zu uns gekommen, haben interessiert geschnuppert und wie selbstverständlich gefragt, was wir denn da feines zubereiten. „Rieche ich da Knoblauch?“ fragte eine Dame und lugte vorsichtig in unseren Kochtopf. „Das sieht gut aus, was ihr da zubereitet, schade, dass ich zum Essen nicht bleiben kann!“

Lustig war dabei auch immer wieder die Frage, wo denn der zweite Pilger sei, denn meine Antwort lautete jedes Mal: „Der Sitzt auf dem Klo um zu arbeiten! Nein, nein, er arbeitet wirklich! Das Klo ist nur der einzig warme Raum hier!“ Tatsächlich war es dort im Vergleich zur Kirche am Ende so gemütlich, dass wir sogar unser Abendessen auf dem Klo einnahmen. Heikos Computer stand als Fernseher für die abendliche Unterhaltung auf dem Baby-Wickeltisch und wir saßen auf zwei Stühlen zwischen der Toilette und der Heizung. Man, das waren noch Zeiten! Heute sitze ich wieder auf dem Klo, aber hier funktioniert die Heizung nicht einmal, weshalb es trotzdem schweinekalt ist. Nur eben nicht ganz so kalt, wie außen in der Kirche.

Heilungsansätze

Der Pfarrer kam noch einmal in der Früh, um sich von uns zu verabschieden und erzählte uns bei dieser Gelegenheit auch von der Krankheit seiner Frau. Sie hatte Knochenkrebs und die Ärzte hatten ihr bereits vor fünf Jahren gesagt, dass sie nur noch ein halbes Jahr zu leben habe. Heiko versuchte, dem Pfarrer einige Zusammenhänge und damit auch Heilungsansätze zu erklären, doch der Pfarrer wirkte, als habe er längst resigniert, was dieses Thema anbelangte. Seine Frau möge so lange Leben, wie es Gott wolle, aber mit neuen Heilungsansätzen wollte er sich nicht mehr beschäftigen.

Dennoch enthielt die Geschichte einige sehr spannende und aufschlussreiche Elemente. Die beiden hatten für einige Jahre in Afrika gelebt und waren dort Zeugen von unzähligen Krankheits- und Todesfällen geworden. Ihre eigene Erklärung dafür lautete, dass die medizinische Versorgung und die Hygienestandarts so gering waren, dass die Menschen massenweise an Infektionskrankheiten erkrankten. Viren und Bakterien waren also die größten Feinde. Dass die Ursachen für Krankheit und Tod viel mehr in den Lebensbedingungen, in der Mangelernährung, den Giftstoffen im Wasser und im Boden, der Überarbeitung und dem allgegenwärtigen Leiden der Armut und der Ausbeutung zu finden war, wurde dabei nicht bedacht. Die offizielle Erklärung lautete: Viren und Bakterien sind schuld! Also waren sie Schuld. Jetzt, rund zehn Jahre später steht die Pfarrersfrau vor dem gleichen Problem. Der Krebst, so die offizielle Aussage, zerfresse ihr Knochenmark und verhindere somit die Produktion neuer Immunzellen. Dadurch wäre ihr Immunsystem nun kollabiert und sie war anfällig für alle Formen der Infektionskrankheiten, weshalb sie auch niemanden in ihrem Haus haben wollte. Der Konflikt, den sie zuvor im Außen beobachtet hatte, fand nun in ihrem inneren statt. Ein sehr spannender Fall. Schade nur, dass dabei von Seiten der Ärzte so viel Panik geschürt wird, denn die Tatsache, dass sie bereits fünf Mal so lange lebt, wie prophezeit beweist ja bereits, dass die Diagnose des Arztes falsch und das eine Heilung alles andere als unmöglich ist.

Unerwartete Spende

Zu dieser frühen Stunde machte der Tag noch nicht den Eindruck, als wolle er zu einem der abstraktesten unserer Reise werden. Wir wanderten über friedliche, kleine Straßen und Feldwege, und hatten dabei sogar zum ersten Mal seit Wochen wieder Windstille, so dass wir die Wanderung richtig genießen konnten. Etwa zwei Kilometer von unserem Startort entfernt wurden wir von einem Radfahrer überholt, der einige interessierte Fragen stellte und dann weiter fuhr. Kurz darauf kam er jedoch wieder zurück und meine: „Es tut mir leid, aber ich habe ganz vergessen, euch eine Spende zu geben!“ Dann drückte er uns 100 Pfund in die Hand und verschwand wieder.

Der Plan des Tages war es eigentlich, rund 16km bis nach Amesbury zu wandern, einer kleinen Stadt, die kurz vor dem berühmten keltischen Heiligtum Stonehenge lag. Dort wollten wir nächtigen und dann morgen Vormittag ganz in Ruhe nach Stonehenge aufbrechen um herauszufinden, was es mit diesem Ort auf sich hatte. Doch natürlich kam es anders.

Amesbury

Amesbury war ein grauenhafter Ort. Vielleicht sogar der grauenhafteste der ganzen Reise, obwohl ich mich hier nicht wirklich festlegen möchte. Der Pfarrer hatte uns in der Früh schon gewarnt, dass uns hier eine hässliche und ungemütliche Stadt erwarten würde und es wäre sicher gut gewesen, wenn wir auf ihn gehört hätten. Immerhin hatte er einen Großteil seines Lebens in London verbracht und wenn ein Mann aus einer 9-Millionen-Menschen-Metropole sagte, dass eine Kleinstadt unerträglich war, dann wollte dies etwas heißen. Doch es gab leider nicht viele Orte in der Nähe von Stonehenge und so hofften wir auf das beste obwohl wir wussten, dass wir es nicht finden würden. Nicht einmal gutes Fastfood konnten wir ergattern, abgesehen von einigen Pommes. Wobei man sagen muss, dass der Pommesverkäufer mit Abstand der freundlichste und hilfreichste Mann war, den wir in der Stadt antrafen. Die Frau von der Touristeninformation war nicht einmal im Stande, die Nummer eines Pfarrers herauszufinden. „Sie können ja zu den Kirchen gehen und auf die Informationstafeln schauen!“ war ihre einzige Aussage zu diesem Thema, nachdem sie verzweifelt ihre Informationsbroschüren über die Stadt durchgeblättert hatte, ohne dabei auf eine Nummer zu stoßen. Mehr aus Versehen als überlegt erzählte sie uns, dass vor einem Jahr schon einmal zwei Pilger mit dem selben Anliegen bei ihr waren.

Damals waren es buddhistische Mönche gewesen und sie hatte sie einfach in die nächste Stadt geschickt. Irgendwie schien sie dann aber doch zu merken, dass sie ihren Job nicht einmal im Ansatz erledigen konnte und da ihr dies nach einiger Überlegung extrem peinlich war, steckte sie uns zum Abschied zehn Pfund zu, um ihre Seele wieder frei zu kaufen. Das war nicht unbedingt das, was man unter der feinen, englischen Art verstehen mochte, aber es war dennoch etwas mehr, als der katholische Pfarrer zustande brachte, den wir kurz darauf besuchten. Er war der erste katholische Pfarrer, den wir in diesem Land um einen Schlafplatz baten und man hätte meinen können, dass er Mitgliedern eines katholischen Ordens gegenüber offener sein müsste, als seine evangelischen Kollegen. Doch das war leider nicht der Fall. Obwohl er eine Kirche hatte, die über Unterrichts- und Besprechungsräume verfügte, dachte er nicht einmal eine Sekunde daran, uns irgendwie weiter zu helfen. Mehr noch, er hatte nicht einmal ein schlechtes Gewissen.

Da alle anderen Kirchen direkt an der Hauptstraße lagen und somit unbewohnbar waren, blieb uns nichts anderes übrig, als direkt weiter nach Stonehenge zu gehen und uns anschließend einen anderen Schlafplatz zu suchen.

Von Amesbury aus gab es einen ausgeschilderten Fußweg nach Stonehenge. Diese begann, wie sollte es anders sein, direkt neben der Hauptstraße. Nach rund einem Kilometer konnte man dann links abgehen und mitten über Wiesen und Felder bis zu dem sagenumwobenen Steinkreis wandern.

Was aber hat es nun eigentlich mit diesem Stonehenge auf sich?

Helle und dunkle Energie

Genauer werden wir die Frage noch einmal in einem separaten Artikel beantworten, denn wie bei den meisten heiligen Orten gibt es auch hier viel mehr zu wissen, als man auf den ersten Blick vermuten könnte. Stonehenge ist einer von vielen Punkten, die auf einer sogenannten Lay-Line, einer Energielinie der weißen Energie liegen. Energien und Kräfte in weiße und schwarze zu unterteilen ist natürlich etwas platt und wird dem, was wirklich geschieht nicht gerecht. Aber es ist für den Anfang ganz hilfreich, um überhaupt einmal eine Vorstellung davon zu bekommen, worum es hier geht. Wie schon des Öfteren beschrieben besteht alles im Universum aus ein und der selben Urenergie, aus bedingungsloser Liebe. Genau wie Licht in seiner Urform rein und weiß ist, ist auch die Urenergie der Liebe vollkommen kontrast- und formlos. Damit sich eine Form ausbilden kann, braucht es Abstufungen. Wenn alles zu 100% gleich hell ist, sehen wir gar nichts. Ein Bild entsteht erst durch das Zusammenspiel von Licht und Schatten, also von Licht und der Abwesenheit von Licht. Farben entstehen, weil ein Teil des Lichtspektrums herausgefiltert wird, so dass nur noch ein anderer Teilbereich übrig bleibt.

Unsere Welt ist also ähnlich aufgebaut wie ein Lichtbild. Sie besteht zu einhundert Prozent aus Liebe, doch damit Formen, Handlungen und Bewegungen möglich sind, darf die Liebe nicht überall gleich intensiv sein. Wir brauchen Nichtliebe, um Handeln zu können, so wie wir auch Dunkelheit brauchen, um sehen zu können. Die weiße Energie, von der wir hier sprechen ist dabei Liebe in ihrer reinsten Form, während dunkle Energie die Abwesenheit von Liebe also die Nichtliebe ist. Sie ist es, was wir in Form von Angst und Nichtvertrauen spüren und was wir in vielen Artikeln zuvor als Gegenspieler beschrieben haben.

Damit das Universum am Laufen bleibt und damit sich die Liebe ausdehnen kann, braucht es stets ein dynamisches Gleichgewicht zwischen Liebe und Nichtliebe. Genau wie wir auch ein Gleichgewicht zwischen Licht und Dunkelheit brauchen, um richtig sehen zu können. Wenn wir nur Licht haben, sind wir geblendet und wenn es überhaupt kein Licht gibt, stehen wir im Dunkeln. Wie bereits einige Male beschrieben, dreht sich unser Leben in erster Linie darum, aus der Dunkelheit immer mehr ins Licht zu kommen und zu erkennen, dass alles, was wir hier auf dieser Welt erleben können, lediglich eine Geschichte oder ein Traum ist. Damit sich die Liebe ausdehnen kann, haben wir uns selbst einen Gegenspieler erschaffen, der uns im Traum und in der Nichtliebe festhalten will und der uns so lange wie möglich am Erwachen hindert. Die Lay-Lines, also die weißen Energielinien hingegen sind Energieverbindungen, die uns dabei helfen können, wieder ins Licht, bzw. in die Liebe und ins Vertrauen zu finden. Die keltischen Ureinwohner von Großbritannien haben mit Stonehenge also einen Kraftplatz erschaffen, der es ihnen erleichtert, den Weg zum Erwachen bzw. zur Erleuchtung zu finden und der dafür sorgt, dass das Gleichgewicht zwischen Licht und Dunkelheit erhalten bleibt. Wie der Aires Rock in Australien ist auch Stonehenge ein heiliger Ort, der nicht das geringste mit einer Touristenattraktion zu tun haben sollte. Für einen Touristen sind es lediglich ein paar Steine in beeindruckender Größe, die auf seltsame Weise übereinander gestapelt wurden. Für einen Mystiker oder Heiler hingegen ist es ein steinernes Medizinrad und ein besonderer Kraftort, um sich direkt mit der Urenergie des Universums zu verbinden.

Und genau an dieser Stelle kommen dann wohl die Gegenspieler ins Spiel, die verhindern wollen, dass diese Kraft von den Menschen entdeckt wird. An keinem anderen Ort zuvor, konnte man so deutlich spüren, dass ein altes Heiligtum ganz bewusst zerstört und gestört wird, wie hier. Von der weißen, liebevollen Energie spürten wir zunächst einmal gar nichts. Aber die dunkle Energie der Nichtliebe, die man wie eine erdrückende Klammer außen herum gelegt hat, war mehr als nur präsent. Ich glaube, es gibt kaum eine Möglichkeit, um einen Platz zu zerstören, die man hier nicht angewendet hat. Wenn man auch nur einen Schritt weiter hätte gehen wollen, hätte man die Steine mit dem Bulldozer umwerfen und dem Erdboden gleichmachen müssen.

Es begann mit Amesbury, einer hektischen, fast panischen Stadt voller Lärm, Stress und Unbehagen, von der aus man bereits vollkommen genervt und unzufrieden aufbricht, wenn man Stonehenge besichtigen will. Direkt an der Stadtgrenze befindet sich zudem einer von vier Militärflughäfen, die (sicher rein zufällig) alle genau in diese Region gebaut wurden. Tag für Tag fliegen hier dutzende von Hubschraubern und Flugzeugen aller Art direkt über den Köpfern der Menschen herum. Auch über Stonehenge selbst jagen sie hinweg, um soviel Unfrieden wie nur irgend möglich zu produzieren. Keine fünfzig Meter vom Steinkreis entfernt verläuft die Autobahn, auf der die Trucks und Personenfahrzeuge meist Stoßstange an Stoßstange auf einem Waschbetonähnlichen Asphalt dahinrauschen.

Touristenabzocke Stonehenge

Die Idee, in Amesbury einen Platz zu bekommen, saß ein bisschen zu tief in meinem Kopf, weshalb wir hier deutlich mehr Zeit verschwendeten, als nötig gewesen wäre. Als wir endlich für die letzten Kilometer wieder abseits der Straßen auf schmalen Trampelpfaden über weite Wiesen hinweg wanderten, dröhnten uns die Köpfe und wir mussten erst einmal wieder runterkommen. Dann tauchte der imposante Steinkreis in der Ferne auf, wie er sich malerisch vor dem Nachmittagshimmel und der Autobahn abzeichnete. Als wir ihn erreichten mussten wir feststellen, dass wir nicht mehr als Zaungäste bleiben würden. Das Gelände war großräumig eingezäunt und der Eingang befand sich zwei Kilometer weiter bei einem Informationszentrum. Wer von dieser Seite zu Fuß kam, anstatt wie gewünscht offiziell mit einem Touristenbus anzureisen, der musste also zunächst einmal zwei Kilometer am Steinkreis vorbei gehen, dann offiziell den Eintritt zahlen und dann die kompletten 2km wieder zurück wandern. Wenn man dies getan hatte, konnte man im Touristenstrom eine Runde um die monumentalen Steine drehen und dann erneut 4km hin und her wandern, um das Gelände wieder zu verlassen. Allein dies erschien uns bereits als nicht allzu lohnend, weshalb wir einen der rund 20 Helfer und Aufpasser ansprachen, die mit ihren Warnwesten und Funkgeräten um den Steinkreis patrouillierten um sicher zu gehen, dass kein Tourist einen Stein berührte oder noch schlimmer, unerlaubter Weise über den Zaun kletterte. Wir erklärten unser Projekt und dass es sich dabei um eine spirituelle Reise handelte, bei der wir genau solche energetischen Kreuzungspunkte wie diesen hier kennenlernen wollten. Die studentische Aushilfskraft funkte ihren Chef an und dieser machte sich nicht einmal die Mühe, die zehn Meter zu uns herüber zu kommen, sondern befahl einfach, dass man uns den Eintritt verweigern sollte. Bei dieser Gelegenheit erfuhren wir auch die Höhe des Einrittspreises, den man hier bezahlen musste, wenn man auf die andere Seite des Zaunes wollte. Haltet euch fest! Es waren nicht weniger als 17 Pfund! Das sind umgerechnet etwas mehr als 20€! Dafür, dass man rund 10 Meter näher an den Steinkreis heran kam, als dies von dieser Seite des Zaunes der Fall war, und dafür, dass man ihn auch aus der gegenüberliegenden Perspektive betrachten konnte.

Das war alles. Man durfte nicht an die Steine heran und man durfte auch nicht zwischen ihnen hindurch. Dafür aber wurde man von der permanent nachrückenden Touristenschlange stetig weiter nach vorne gedrängt, so dass man nicht einmal in seinem eigenen Rhythmus laufen konnte. Es war das wohl lächerlichste, das wir je in diesem Bereich erlebt hatten und doch zahlten die Leute wie blöd, nur um sagen zu können, dass sie hier waren. Niemand wäre auch nur im Ansatz in der Lage gewesen, dabei etwas zu fühlen oder die Bedeutung der Steine zu erfassen. Niemand hätte auch nur den Hauch einer Verbindung aufbauen, oder dem Kraftplatz so etwas wie eine Ehrerbietung erweisen können. Es ging nur ums Abhaken und darum ein paar Selfies zu machen. Lediglich die Einheimischen ließen sich von diesem Fieber nicht anstecken, sondern betrachteten das Monument in aller Ruhe von der gleichen Position aus, aus der auch wir es betrachteten. Diese Position hatte zudem den Vorteil, dass man von hier auch den Touristenzirkus selbst mit im Blick hatte, was so amüsant war, dass es einen über die vielen anderen Enttäuschungen hinweg tröstete. Am meisten faszinierten uns einige buddhistische Mönche in ihren orange-gelben Roben, die hektisch um den Steinkreis liefen und sich dabei aus so vielen Positionen wie nur möglich mit ihren Smartphones und langen Selfie-Stäben fotografierten. Von jedem einzelnen der hier anwesenden Touristen hätten wir ein solches Verhalten erwartet, aber von einem buddhistischen Mönch?

Die Hüter des Kraftplatzes

Nachdem wir uns das Spektakel eine Weile betrachtet hatten und für uns selbst feststellen konnten, dass es unter den gegebenen Umständen nichts energetisierendes zu spüren gab, setzen wir unsere Wanderung fort. Dabei landeten wir auf einer kleinen Schotterstraße auf der anderen Seite von Stonehenge. Sie war gesäumt von mehreren Wohnwagen, Bullys und Wohnmobilen, die hier zu beiden Seiten parkten und aussahen als gehörten sie fest zum Inventar. Einer der Wagenbewohner sprach uns an und bestätigte diese Vermutung. Er und seine Nachbarn waren hier, weil sie eine tiefe Verbindung zu dem Platz spürten, die trotz all der Überlagerungen nicht verschwinden wollte. Sie waren in gewisser Weise die wahren Platzhüter von Stonehenge, auch wenn die offiziellen Betreiber des Heiligtums Schrägstrich Touristenmagneten, sie wohl eher als Störenfriede ansahen. „Wenn ihr die Steine wirklich sehen und fühlen wollt,“ meinte er im Vertrauen, „dann müsst ihr nachts her kommen. Die Wachen sind dann noch immer da und es kann sein, dass sie euch packen und rauswerfen. Aber im Schutz der Dunkelheit habt ihr eine Reale Chance, dass ihr ihnen entwischt oder vielleicht sogar unentdeckt bleibt.“

Umgeben von Militär

Die Idee klang gar nicht mal so schlecht, aber sie hätte vorausgesetzt, dass wir irgendwo in der Nähe einen Schlafplatz bekamen und das sah eher schlecht aus. Wir folgten der Schotterstraße bis zu ihrem Ende und landeten dabei in einem kleinen Ort, der Rein aufgrund des Militärgeländes entstanden war. Es gab eine Krankenstation, ein Gemeindezentrum, eine Grundschule, einen Kindergarten, einen kleinen Laden und sogar eine Kirche und alles rein für die hier stationierten Soldaten und ihre Familien. Für uns brachte das Dorf leider überhaupt nichts, abgesehen von der Tatsache, dass wir noch einmal für knapp zweieinhalb Kilometer an einer extrem unangenehmen Hauptstraße entlangwandern musste, die nun auch noch bevorzugt von Militärtrucks genutzt wurde.

Die einzige Möglichkeit diese Straße bald wieder zu verlassen bestand darin, mitten in das Militätgelände abzubiegen. Die Zeichen und Schilder die hier standen interpretierten wir dabei folgendermaßen: Das Gelände gehörte dem Militär, durfte aber aufgrund des Englandweit geltenden öffentlichen Wegerechts von Fußgängern und Radfahrern genutzt werden, sofern sich diese an die Spielregeln hielten. Dazu gehörte unter anderem, dass man die Hauptwege nicht verlassen durfte, wenn die roten Fahnen gehisst wurden, die militärische Aktivitäten auf dem Gelände anzeigten. An diese Spielregeln hielten wir uns natürlich genau. Später fanden wir allerdings heraus, dass unsere Interpretation nicht ganz mit der offiziellen Rechtslage übereinstimmte. Die roten Fahnen zeigten an, dass das gesamte Gelände für Zivilisten gesperrt war, was auch und gerade die Hauptwege mit einschloss. Tatsächlich hatten wir uns schon gefragt, ob es so klug war, dass hier Panzer mit einem Affenzahn umher heizten und hin und wieder Testschüsse abgaben, wenn zeitgleich Spaziergänger hier ihre Runden drehten. Glücklicherweise hatten wir das Gebiet bereits fast vollständig durchquert, als wir auf diesen Umstand aufmerksam gemacht wurden und so wurden wir nicht mehr vom Gelände geworfen.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Militärgeländes erreichten wir ein weiteres kleines Dorf, das nur noch zur Hälfte mit Soldaten besetzt war. Hier trafen wir dann auch eine Pfarrerin an, die uns erlaubte, in ihrer Kirche zu übernachten. Es war ein ereignisreicher und anstrengender Tag gewesen und nun freuten wir uns darauf, zumindest noch ein bisschen Entspannung genießen zu können.

Spruch des Tages: Wenn es darum geht, einen heiligen Kraftplatz zu entweihen, kann man von England einiges lernen.

 

Höhenmeter: 290 m

Tagesetappe: 42 km

Gesamtstrecke: 22.297,27 km

Wetter: trocken aber kalt und windig

Etappenziel: Kirche, Salisbury SP3 4RR, England

Hier könnt ihr uns und unser Projekt unterstützen. Vielen Dank an alle Helfer!

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

Schreibe einen Kommentar:

Speichere Namen, Email und Webseite im Browser fur zukunftige kommentare