Schmerztherapie

von Heiko Gärtner
31.08.2016 20:31 Uhr

Fortsetzung von Tag 932: (Hier geht es zum Gesamtartikel)

Erste Erfahrungen mit den Sanktionen

Es sind nun bereits ein paar Tage vergangen, in denen wir das Sanktionierungssystem täglich durchgeführt haben. Vor allem jetzt am Anfang kommt dabei ganz schön was zusammen. Zum einen merke ich, dass ich noch immer sehr unaufmerksam bin und dadurch viele Fehler und Patzer mache. Ich trete so gut wie in jedes Fettnäpfchen, verliere immer wieder den Überblick, vergesse Dinge, mache sie doppelt, bin hektisch und unkoordiniert, unkonzentriert und komme schnell ins Schludern. Durch die Sanktionen wird mir dabei alles was ich verpatze vollkommen bewusst. Zuvor war es einfach da und ich habe ihm meist keine weitere Beachtung geschenkt. Es war immer einfach der Gedanke „Ups, naja, ist ja nicht wirklich was passiert!“ da und schon verschwand die Situation wieder aus meinem Bewusstsein. Außerdem war immer das Gefühl da, dass die Sachen eigentlich ja gar nicht passiert sind, wenn sie niemand bemerkt hat. Das Gefühl oder die Gedankgen dahingehend sind schon noch immer in mir, nur nützen sie jetzt nichts mehr, da ja nicht Heiko entscheidet, was sanktioniert wird, sondern mein eigenes, höheres Selbst.

Plötzlich bekommt der Satz „Gott sieht alles!“ eine völlig neue Bedeutung. Ich selbst bin Gott und ich bin immer bei mir, so dass mein höheres Selbst jeden noch so kleinen Patzer mitbekommt. Vielleicht ist dies auch die Botschaft, die mir die vielen starrenden Menschen mitteilen wollen, die uns nun schon seit Tagen begleiten. Egal wohin man kommt, man fühlt sich immer beobachtet. Man ist nie allein und da alles eins ist, ist man das ja auch wirklich nicht. Das Dumme an der Sache ist nur, dass ich noch immer Angst vor den Sanktionen habe und durch das Bewusstwerden nun in eine Erstverschlimmerung rutsche. Ich merke, was ich überall für einen Scheiß baue, versuche es zu verhindern, werde dadurch hektisch und baue gleich noch mehr Scheiß. Was mir immer bewusster wird, durch diese neue Art der Herangehensweise ist, dass ich stets auf dem komplett falschen Wege versuche schneller und effektiver zu werden. Ich versuche stets mich zu beeilen, weil ich glaube, nicht genügend Zeit zu haben. Dadurch werde ich jedoch hektisch und unruhig, mache Fehler, verpatze und vergesse die Hälfte und brauche letztlich die doppelte Zeit.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt hier offenbar in der Entschleunigung. Ich werde nicht dadurch schneller, dass ich immer mehr der Zeit hinterher hetze, sondern dadurch, dass ich mir Zeit nehme und alles in Ruhe und Gelassenheit mache. Ich nehme mir nie die Zeit, kurz innezuhalten und genau zu überlegen, was jetzt getan werden muss und wie es am besten geschehen kann. Stattdessen hetze ich immer gleich los und vergesse dann, was ich eigentlich wollte. Das Grundprinzip lautet hier: Erst denken, dann handeln. Wenn ich es schaffe, dies nun auch noch wirklich in meinen Alltag zu integrieren, bin ich ein großes Stück weiter.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Entschleunigung.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Entschleunigung.

Die zweite Sache, die zu einer Häufung der Sanktionen führt ist, dass die Sanktionen und der Bewusstwerdungsprozess zum ersten Mal Heilungsprozesse in mir ansteuern. In der ersten Woche der Sanktionierungen haben wir als eine Sanktion ein 45sekündiges Auspeitschen mit Brennesseln gemacht. Normalerweise sollte das erst ordentlich zwiebeln, dann eine Weile brennen und jucken, wobei die Durchblutung und der Kreislauf angeregt wird und dann wieder abklingen. Bei mir kam es jedoch zu derart heftigen Reaktionen meiner Haut und meines gesamten Organismus, dass ich zunächst einmal einen riesigen Schreck bekam. Überall am Rücken, auf der Brust und an Armen und Beinen entstanden dicke Pusteln und Blasen und meine Haut quoll regelrecht auf, so dass sie wirkte wie die Haut einer Echse oder einer Schildkröte.

Der Grund dafür waren die Immensen Wassereinlagerungen die ich bereits seit geraumer Zeit in meinem Körper hatte. Mir war bereits häufiger aufgefallen, dass meine Füße am Abend sehr stark anschwollen, weil sich das Wasser darin sammelte und auch bei den ersten Sanktionen mit der Rute und der flachen Hand war es schon zu starken Schwellungen gekommen, weil mein Körper das eingelagerte Wasser in die Stelle schoss, die durch den Schlag stimuliert wurde. Der Grund für diese Wassereinlagerungen lag vor allem in einer Kombination aus drei verschiedenen Angstkonflikten, die ich in mir trug. Um das zu erklären muss ich noch einmal ein kleines bisschen weiter ausholen. Ähnlich wie eine gefühlte Todesangst, wie sie durch die Hiobsbotschaften der Medien oder unserer Ärzte ausgelöst werden kann, zu einem Anwachsen unserer Lungenbläschen führt, gibt es auch Konflikte, die eine Wassereinlagerung im Körper verursachen. In der Natur steckt auch hier wieder ein einfaches Prinzip dahinter.

Wenn ein Tier in eine Situation gerät, in der seine Existenz bedroht ist, oder es glaubt, nicht genügend Wasser und Nährstoffe zur Verfügung zu haben, weil beispielsweise eine Dürreperiode angebrochen ist, dann behält der Körper mehr Wasser in seinen Zellen als normalerweise, um von diesem im Notfall zehren zu können. Auch hier gibt es also wieder einen biologisch sinnvollen Nutzen hinter den Symptomen. In meinem Fall wurde die Wassereinlagerung von drei verschiedenen Angstkonflikten ausgelöst. Der erste war der sogenannte Geborgenheitskonflikt, der dadurch entstand, dass ich mich in mir selbst nicht zuhause fühlte. Der zweite war ein Flüchtlingskonflikt, also der Versuch, vor meinen Ängsten und Lebensthemen davon zu laufen und der dritte war ein sogenannter Existenzangstkonflikt. Ich hatte Angst davor, nicht selbstständig leben zu können und so sah ich meine eigene Existenz stets bedroht.

All diese Konflikte waren jedoch nicht aktiv, sondern begleiteten mich auf latente Weise permanent, ohne dass sie mir wirklich bewusst wurden. Sie wurden also nie zu einem akuten Problem um das ich mich kümmern musste, konnten daher aber auch nicht gelöst und geheilt werden. Erst durch das Ritual, durch das ich zu Franz wurde, löste sich der Geborgenheitskonflikt und kam damit theoretisch von der aktiven in die Heilungsphase. Nur hatte ich mich bereits so sehr an die chronischen Wassereinlagerungen in meinem Körper gewöhnt, dass ich mir eine Heilung nicht mehr vorstellen konnte. Erst jetzt, wo die Brennnesseln diese heftigen Hautreaktionen auslösten und mir das Wasser buchstäblich ins Auge schoss, begann ich wieder an eine Veränderung zu glauben. Ich wusste, dass Brennnesseln eine Heilwirkung haben und konnte nun endlich das eingelagerte Wasser, das mit dem Geborgenheitskonflikt in Verbindung stand loslassen. Die Symptome, die zuvor latent und weitgehend unbemerkt geblieben waren, wurden für mich nun sichtbar und fühlbar und durch diese Bewusstwerdung begann mein Körper mit dem ersten großen Heilungsprozess. Er war bei weitem nicht so schlimm wie der von Heiko neulich, bei dem er eine ganze Nacht lang kotzend und scheißend im Wald verbracht hat, doch für mich als Neuling in diesem Bereich war es durchaus ordentlich. Die komplette Nacht hatte ich Schweißausbrüche und fror dabei zeitgleich wie der Teufel in der Arktis. Ich war hellwach, wälzte mich von einer Seite auf die nächste und brachte so gut wie kein Auge zu. Dementsprechend gerädert war ich am nächsten Morgen und dies wiederum führte natürlich dazu, dass ich gleich noch unaufmerksamer wurde, als ich es normalerweise ohnehin schon war.

So entstand in der Folge ein erster Highlight-Tag in Sachen Sanktionierung. Es gab 65 Kniffe, 12 Klatscher, 3 Minuten lang ganzkörperliches Auspeitschen mit Brennesseln und 3 Hiebe mit einer Rute. Die Kniffe, Klatscher und Hiebe waren schnell wieder abgeklungen, doch die Brennesseln spürte ich noch mehrere Tage. Mein kompletter Kreislauf und auch meine ganze Haut reagierten darauf und spielten nun vollkommen verrückt. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass es eine Heilungsphase ist, die schon bald abklingen würde und durch die ich insgesamt gesünder, fitter, lebendiger und aufmerksamer werde, hätte ich mir vor Angst in die Hose geschissen. Doch so war es einfach ein unangenehmer Prozess, durch den ich eben hindurch musste und auch wenn ich mir gerade wünschte, dass ich es schon überstanden hätte, freute ich mich darüber dass er da war und dass nun doch endlich mal Bewegung ins Spiel kam. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich jedoch noch keine Ahnung, dass die Brennnesselsanktionierungen bis auf über eine halbe Stunde am Stück ansteigen sollten und dass ich dadurch in noch tiefere Heilungsphasen mit noch heftigeren Körperreaktionen geführt werden würde.

Die Peitschen der Brennesseln brachten die längste Heilungsphase.

Die Peitschen der Brennesseln brachten die längste Heilungsphase.

Der dritte Grund, warum die Sanktionen nun am Anfang besonders groß ausfallen, sind die Altlasten, die nach und nach durchkommen. Vieles habe ich gar nicht heute oder an den letzten Tagen verbockt, sondern schon vor langer Zeit und es kommt nun nach und nach an die Oberfläche. Das vorläufige Highlight in diesem Bereich, waren 50 Ruten-Hiebe am Stück, von denen ein Großteil auf das Konto einer unüberlegten Aktion in Moldawien ging, bei der ich nach einer Wanderung über eine Staubstraße mit meinem T-Shirt über meine Brille wischte um sie zu reinigen. Dass die kleinen Staubpartikel dabei Schlieren in die Gläser reiben würde, hätte eigentlich jedem klar sein müssen, aber in dem entsprechenden Moment hatte ich nicht darüber nachgedacht. Derartige Situationen gibt es in meiner Vergangenheit wie Sand am Meer und es wird sicher noch eine ordentliche Weile dauern, bis sie alle abgebaut sind. Gleichzeitig kam nun aber noch ein neuer Aspekt hinzu. Denn dass mir mein kontraproduktives Verhalten nun bewusst wurde, führte noch nicht dazu, dass ich es deswegen auch änderte. Im Gegenteil, ich hatte sogar nach einigen Tagen das Gefühl, ein größerer Trottel, Tollpatsch und Energieräuber zu sein, als ich es je zuvor in meinem Leben gewesen war.

Heiko konnte mich jedoch beruhigen: „Keine Angst, es ist genauso schlimm wie immer! Es ist dir zuvor nur nie aufgefallen!“ Dadurch, dass mir nun bewusst wurde, dass jede Handlung, die gegen meine Seele verlief, eine schmerzhafte Konsequenz nach sich trug, spürte ich zum ersten Mal, wie oft ich gegen mich handelte. Es ging nicht um ein oder zwei Missgeschicke am Tag, sondern um nahezu jede einzelne Handlung die ich ausführte und jede einzelne Entscheidung die ich traf. Später machten wir auch hierzu noch einige Muskeltests und kamen dabei auf ein absolut erschreckendes Ergebnis.

In 100% der Entscheidungen, die ich von mir aus alleine traf, handelte ich gegen mein Herz und meine Seele. Ich hatte nicht nur das Gefühl, nichts richtig zu machen, ich machte auch wirklich alles falsch, was ich nur falsch machen konnte. Sogar wenn ich kacken ging, hatte ich mir dabei Trotzverhaltensmuster angewöhnt, durch die ich mir selbst Zeit stahl und dadurch gegen mich handelte. Nahezu alles, was ich tat, führte zu einer Sanktion, weil es vollkommen oder zumindest teilweise gegen mein Herz war. Es war also kein Wunder, dass ich mir selbst nicht vertraute. Mindestens genauso erschreckend war jedoch das Ergebnis des zweiten Tests. Hier fragten wir, ob ich das was ich tue wirklich für mich mache, weil ich es vom Herzen her will, oder ob ich es für jemand anderen mache. Auch hierbei kam wieder heraus, dass ich alles für jemand anderen tat. Die Quote der Fremdmotivation lag bei 100%.

Franz nach seiner Brennessel Sanktion

Franz nach seiner Brennessel Sanktion

Bei Heiko lag sie im Vergleich dazu bei 10%. 3% von dem was er machte, machte er nicht für sich, sondern für seine Eltern, 4% für andere Menschen an sich, also für Fremde, Reisekontakte, Leser und ähnliches und weitere 3% machte er für Heidi und mich. Zunächst dachte ich, dass ich einen Großteil noch immer für meine Eltern machte, doch dies war nicht der Fall. 100% von dem was ich tat, tat ich für Heiko. Wie konnte das sein? Erst etwas später kamen wir auf die Antwort. Ich selbst wusste, dass ich keinen Kontakt zu meiner inneren Stimme und meiner Intuition hatte und traute mir deshalb keinen Millimeter weit. Gleichzeitig wusste ich aber, dass Heiko als Mentor und Seher sehr wohl erkennen konnte, was mein wahres Sein war und wie ich mich ihm nähern konnte. Aus diesem Grund hatte ich begonnen, ihn mit meinem höheren Selbst gleichzusetzen.

Meine Schlussfolgerung lautete: Wenn ich Heikos Entscheidungen folge, folge ich damit automatisch auch meinem höheren Selbst. Wenn Heiko wegen etwas sauer ist, ist auch mein höheres Selbst sauer. Die Fehlerquote, die Heiko dabei als Seher für andere hat, liegt bei 0,01%. Eine von tausend Entscheidungen, die er trifft und der ich folge, ist also falsch und damit gegen mein höheres Selbst. Die 999 anderen dienen meinem höheren Selbst. Ich selbst brachte es nicht einmal auf eine einzige richtige Entscheidung von 1000. In gewisser Weise hatte ich meine Intuition damit also outgesourced. Auf ihre verquere Art funktionierte diese Strategie ja sogar, aber sie fühlte sich dennoch weder für Heiko noch für mich in irgendeiner Weise gut an. Es galt nun also zu lernen, meine eigenen Entscheidungen so zu treffen, dass sie zumindest hin und wieder meinem Sein dienten, so dass ich mir selbst wieder mehr und mehr vertrauen und damit auch für mich selbst und nicht für Heiko handeln konnte.

Spannend waren aber vor allem auch die Gefühle, die bei der Sanktionsdurchführung in uns aufkamen. Denn in jedem von uns schlugen zu diesem Thema zunächst noch zwei Herzen. Auf der einen Seite fühlte es sich vollkommen richtig und heilsam an und zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass sich bei mir wirklich etwas bewegte und ich anfing, tatsächlich erste Fortschritte zu machen. Auf der anderen Seite hatten wir aber auch alle drei einige Bedenken und in jedem von uns kamen Gefühle auf, die durch das kollektive Gesellschaftsbild ausgelöst wurden, das wir übernommen hatten. Für uns beide war und ist klar, dass Heiko lediglich die Ausführende Hand meines eigenen Gottbewusstseins ist und dass er nichts tut, um das ich ihn nicht ausdrücklich bitte. Und doch ist das Gefühl von Schuld bei ihm stets präsent, weil es uns von der Gesellschaft, bzw. vom Gegner sehr stark eingeredet wurde. Obwohl wir uns ja vollkommen einvernehmlich darauf geeinigt hatten, die Sanktionen einzuführen und er sich zu 100% sicher sein konnte, dass ich damit einverstanden war, kam beim Sanktionieren in ihm immer wieder das Gefühl auf, dass er sich damit Schuld auflastete. Wir haben seit unserer Kindheit stets eingeredet bekommen, dass wir uns alles gefallen lassen müssen. Wir dürfen keine Grenzen setzen und müssen jeden Energieraub zulassen. Wenn man selbst geschlagen wird, kann man das Glück haben, dass ein Rück-Schlag gerade noch so eben akzeptiert wird. Doch wenn uns jemand nervt, bis wir kurz vorm Durchdrehen sind und wie ein HB-Männchen durch die Decke gehen könnten, dann erwartet man trotzdem von uns, dass wir ruhig und gelassen bleiben und diesen suptilen Angriff hinnehmen. Noch herber ist es, wenn der Energieräuber nach außen hin niedlich, mitleiderweckend oder freundlich erscheint. Ein unangenehmer, schlecht gelaunter und hässlicher Energieräuber oder Nervenbolzen, darf in seinem Tun noch einigermaßen gestoppt werden, ohne dass man deshalb den Schmach der Nation auf sich zieht. Ist aber jemand niedlich, kränklich, sympathisch, freundlich oder gar behindert und raubt uns den letzten Nerv, dann lautet die Devise, dass der arme Kerl ja nichts dafür kann und man ihn schon verstehen müsse. Doch ist das wirklich hilfreich?

In meiner Zeit in der Förderschule war es auffällig, wie viele Kinder es gab, die ganz bewusst ihre Behinderung in Kombination mit ihrem Niedlich-Sein einsetzten, damit alle anderen alles taten was sie von ihnen wollten. In anderen Klassen hingegen hatten die Lehrer ein klares System eingeführt, bei dem jede Handlung eine direkte Konsequenz hatte, die unabhängig von Niedlichkeitsgrad knallhart durchgesetzt wurde. Hier waren die Kinder nun plötzlich auch bereit zu lernen und entwickelten Fähigkeiten, die ihnen niemand zugetraut hätte. Ich erinnere mich zum Beispiel noch an einen Jungen im Rollstuhl, der allen Glauben machte, dass er sich nicht selbstständig bewegen könne. Kraft hatte er dafür genug, doch er war der Ansicht, dass er sein Leben weitaus bequemer gestalten konnte, wenn jeder glaubte, dass er seine Hände nicht gut genug koordinieren konnte, um die Reifen seines Rollstuhls zu bewegen. Er bekam daher eine einfache aber wirkungsvolle Aufgabe gestellt, die er jeden Tag aufs neue meistern musste. Beim Mittagessen schob man ihn nicht mehr an den Tisch, sondern an einen Platz, der rund zwei Meter davon entfernt war. Er hatte nun eine gute halbe Stunde Zeit, um diese Distanz zu überwinden und an sein Essen zu gelangen, da für ihn die Mittagspause zur gleichen Zeit endete, wie für alle anderen. Am Anfang wartete er noch, in der Hoffnung, dass ihn irgendjemand zum Essen schieben würde und so verpasste er über mehrere Tage hinweg jedes Mittagessen. Irgendwann jedoch spürte er, dass sein Hunger und sein Appetit größer wurden als sein Ego und seine Faulheit und so rollte er ganz langsam in Richtung Essenstisch. Bei den ersten Versuchen kam er so spät, dass er gerade noch ein oder zwei Löffel abgreifen konnte, bevor sein Teller weggeräumt wurde. Dann wurde er schneller und am Ende war die Distanz in wenigen Sekunden überwunden, so dass er genauso essen konnte, wie alle anderen auch. Zunächst kam dabei auch in uns ein immenses Schuldgefühl und ein Gefühl von Mitleid auf. Immerhin sorgten wir dafür, dass ein körperlich und geistig behinderter Junge, der in seinem Leben ohnehin schon genug durchgemacht hatte, nun auch noch täglich hungern musste, während seine Mitschüler genüsslich aßen. Doch wären wir diesem Mitleid nachgegangen und hätten die Sanktion in Form des Essensenzuges unterbrochen, hätte es keinen Lernerfolg für ihn geben können. Er wäre immer tiefer in die Unselbstständigkeit gerutscht und hätte nie gelernt, dass es durchaus auch Vorteile hat, den Rollstuhl selbst zu bedienen.

Rituale können sehr unterschiedlich aussehen und wirken.

Rituale können sehr unterschiedlich aussehen und wirken.

Tatsächlich ist das Auslassen der Konsequenzen und der Verzicht auf die Sanktionen nur in unserer Gesellschaft möglich, weil wir uns ein soziales Netz erschaffen haben, in dem wir auch dann noch überleben können, wenn wir vollkommen Lebensunfähig sind. Auch hier lassen wir die Sanktionen und Konsequenzen für lebensfeindliches Handeln natürlich nicht wirklich aus. Gott und die Schöpfung lässt sich nicht verarschen. Wenn ich eine Vase vom Tisch werfe, wird sie zerbrechen und die Scherben verteilen sich über den ganzen Boden. Dies ist die natürliche Konsequenz und diese können wir nicht aufhalten. Das einzige was wir durch unsere naturferne Lebensweise erreicht haben ist, dass wir die Konsequenzen hinauszögern , aufschieben und auf eine andere Ebene verlagern, in der wir sie nicht mehr zuordnen können. Dadurch erschaffen wir uns jedoch gleich in doppelter Hinsicht die Hölle auf Erden. Je länger wir die Verantwortung abgeben und uns so vor den Konsequenzen unserer Handlungen drücken, desto mehr sagen wir der Schöpfung, dass sie uns die ausstehenden Sanktionen irgendwann in einem gewaltigen Pressschlag schenken soll, der dann so hart sein muss, dass wir ihm nur noch schwer standhalten können. Wir können uns vor den Konsequenzen unserer Handlungen nicht drücken. Sie müssen kommen, das ist ein Naturgesetz. Wenn wir es versuchen und die Sanktionen nicht bewusst annehmen, dann bekommen wir sie in Form von Krankheiten, Schicksalsschlägen oder ähnlichem direkt von der Schöpfung, also faktisch ebenfalls wieder von uns selbst, da ja alles eins ist.

Hinzu kommt jedoch, dass wir uns durch das Aufschieben der direkten Konsequenzen und Sanktionen Verhaltensmuster antrainieren, die so Lebensfeindlich sind, dass man es kaum glauben kann. Wir können uns durch Alkohol und Drogen sämtlicher Sinne berauben, können zu dumm sein, uns die Schuhe zuzubinden und können sogar aufhören zu essen und zu atmen und doch wird es immer ein Fangnetz geben, das dafür sorgt, dass wir nicht sterben. Es geht soweit, dass wir mit Hilfe von Maschinen künstlich beatmet und ernährt werden können, wenn wir dazu selbst nicht mehr in der Lage sind. Auf den ersten Blick wirkt das wie ein gigantischer Fortschritt. Aber ist es das wirklich? Oder ist es vielmehr so, dass wir uns dadurch zwar vor dem Tod schützen, aber auch davon abhalten, wirklich zu leben? Da keine unserer Handlungen mehr eine direkte, nachvollziehbare Konsequenz hat, können wir so lebensfremd werden, dass von uns am Ende nicht mehr übrig bleibt als ein Zombie. Ich weiß das, denn ich habe ja immerhin lange genug als einer gelebt.

In der Natur spürst du jeden Fehler sofort.

In der Natur spürst du jeden Fehler sofort.

In der Natur kann dies nicht vorkommen. Hier bedeute jede lebensfremde Handlung sofortige Lebensgefahr. Wenn also ein Wolfsjunges damit beginnt, seine Mutter und seine Geschwister ununterbrochen zu pisaken, dann bekommt es dafür von seiner Mutter so sehr eine ins Gesicht gezimmert, dass es ein für alle Mal weiß, dass es dies nie wieder zu tun braucht. Die Mutter tut dies nicht, weil sie ihrem Kind schaden will, sondern weil sie weiß, dass ihr Kind stirbt, wenn es dieses Verhalten weiterhin an den Tag legt. Denn wenn das Wolfsjunge nun mit diesem Verhalten hinaus in die Welt zieht und dabei zufällig an einen Bären gerät, den es aus lauter Übermut ebenfalls zu piesacken beginnt, dann wird dieser nicht lange fackeln und den kleinen Quälgeist mit einem wuchtigen Prankenhieb am nächsten Baum zerschmettern. Anders als wir Zivilisationsmenschen lässt sich die Natur nun einmal nicht verarschen. Wir aber verurteilen die Mutter dafür und sagen, dass sie so nicht mit ihrem Kind umgehen kann. Das gleiche gilt auch für Lehrer und Mentoren. Wenn ein Lehrer versucht, eine Klasse zu unterrichten, die ihm auf der Nase herum tanzt, dann muss er dies hinnehmen und versuchen, sie irgendwie mit sanften Mitteln dazu zu bekommen, dass sie sich freiwillig am Unterricht beteiligen. Warum aber haben die Schüler das Recht, sich selbst und den Lehrer auf diese Weise zu zerstören? Als ich vor vielen Jahren anfing, Pädagogik zu studieren wurden die antiquierten Erziehungsmethoden mit denen unsere Eltern und Großeltern aufgewachsen sind nur noch mit einem herablassenden Lächeln betrachtet. „Damals gab es sogar noch Schläge, wenn jemand nicht richtig spuren wollte! Könnt ihr euch das vorstellen?“

Die neue Form der Pädagogik, die auf ein antiautoritäres Miteinander setzte, bei dem den Kindern keine echten Grenzen mehr gesetzt wurden, galt nun als der große Durchbruch. Damit würde nun alles besser werden und es konnte eine Generation voller Freigeister entstehen. Aber passierte das wirklich? Ist die nachwachsende Generation wirklich lebensfroher, friedlicher, zentrierter, aufmerksamer, konzentrierter, klarer und lebensfähiger als die unserer Großeltern? Wenn ja, wie kommt es dann, das inzwischen Millionen von Kindern auf der ganzen Welt Ritalin-Süchtig sind? In der Zeit in der wir selbst als Erlebnispädagogen gearbeitet haben, haben wir viele erschreckende Situationen miterlebt, die es so vor 50 Jahren sicher nicht gegeben hätte. Andere haben wir aus Erzählungen von Lehrern und anderen Pädagogen mitbekommen. Am beeindruckendsten war dabei eine Grundschulklasse, in der ein siebenjähriger Junge mehrfach seine Mitschüler vergewaltigt und sexuell misshandelt hat. Es begann mit relativ harmlosen Grapschereien auf dem Schulhof. Er trat hier und da einem Mädchen zu nahe und fasste sie auf eine Weise an, die sie als belästigend empfanden. Hätte man ihm zu diesem Zeitpunkt eine klare Grenze gezeigt, wäre es wahrscheinlich bei einem einzigen Vergehen geblieben und seine Mitschüler hätten ihre Ruhe gehabt. Doch die Konsequenz blieb aus.

Die Lehrer ignorierten die Handlungen und taten sie zunächst als Kinderspielkram ab, da sie ohnehin nicht gewusst hätten, was sie hätten tun sollen, um diese Übergriffe zu unterbinden. Also tat der Junge das, was jeder tun muss, der dabei ist, seine Grenzen auszuloten, diese aber nicht finden kann. Er ging einen Schritt weiter und drängte eine Mitschülerin in die Ecke, so dass er sie in ruhe überall begrapschen konnte. Wieder bestand die Konsequenz aus nichts weiter als einem lächerlichen „Du, du, du!“ und der Junge musste sich abermals etwas neues überlegen. Die nächste Aktion fand nach dem Schwimmunterricht in der Dusche statt. Im Beisein von vier anderen Jungen fickte er einen Mitschüler zunächst in den Arsch und steckte ihm seinen Schwanz dann in den Mund. Obwohl sechs Kinder die Situation beschreiben konnten und sich darüber einig waren, dass es sich dabei um eine echte Vergewaltigung gehandelt hatte, bei der der Junge mit einem erigierten Penis in den Anus es anderen eingedrungen war, taten die Lehrer auch diese Situation aus Hilflosigkeit ab und beschlossen, dass Kinder in diesem Alter noch keine Erektion bekommen können. Der Junge musste also nur so getan haben als ob, ein echtes Eindringen gab es sicher nicht! Und auch wenn das Verhalten des Jungen zweifelsfrei nicht in Ordnung war, so musste man ja auch bedenken, dass er eben einfach nur ein Kind war und es sicher nicht so gemeint hatte. Dennoch bekam er die größte Strafe, die man als Lehrer einem Schüler in diesem Fall geben konnte: Eine Konferenz und eine Verwarnung, dass er beim nächsten Verstoß von der Schule fliegen würde. Etwas spürbares, durch dass der Junge eine Grenze hätte erkennen können gab es hingegen nicht. Es dauerte nur wenige Tage, bis er die nächste Steigerung in seiner Vergewaltigungslaufbahn auf den Plan rief. Dieses Mal schaffte er es, einige der anderen Jungs als Komplizen zu gewinnen und gemeinsam mit ihnen einige der Mädchen in einem Spielhaus auf dem Schulhof einzusperren und sexuell zu misshandeln. Soweit man es im Nachhinein beurteilen konnte, kam es dabei zu keiner „echten Vergewaltigung“ mit Eindringen, doch die traumatischen Folgen für die Mädchen werden sie wohl dennoch ihr Leben lang begleiten. Ich frage also noch einmal: Haben wir durch unsere antiautoritäre Erziehung der vollkommenen Konsequenzlosigkeit wirklich etwas verbessert? Nach dieser Massenvergewaltigung flog der Junge von der Schule und wurde an eine neue versetzt, wo er natürlich noch immer keine Konsequenzen erhält. Was seither noch alles passiert ist weiß ich nicht, aber es ist schwer zu glauben, dass sich etwas verbessert haben soll. Der Junge ist kein Einzelfall und auch wenn es in den meisten anderen Fällen vielleicht nicht so extrem ist, erziehen wir unsere Kinder doch zu Energievampiren und geben ihnen die offizielle Erlaubnis, ihre Lehrer auszusaugen, zu nerven und in den Wahnsinn zu treiben. Am deutlichsten wurde dies beim Kommunionsunterricht in Italien. Hier war die antiautoritäre Lehrmethodik so extrem, dass man den kompletten Unterricht über nur schreiende Kinder hörte, gegen die keine Lehrerstimmer mehr ankam. Für uns, die meist drei Räume weiter saßen, war es die Hölle. Wie schlimm es für die Lehrer selbst gewesen sein musste, konnten wir uns kaum noch vorstellen. Doch auch für die Schüler war es grässlich. Sie schrien nicht, weil sie so viel Spaß hatten, sondern weil sie sämtlichen Bezug zu sich selbst verloren hatten und nicht mehr wussten, wie sie mit ihrem Leben umgehen sollten. Das Argument gegen die Prügelstrafe in der Schule lautet meist, dass man die Kinder damit traumatisieren würde. Aber stimmte das wirklich? Wir haben uns auf unserer Reise viel mit älteren Menschen unterhalten, die als Schüler Sanktionen von ihren Lehrern und Eltern bekommen hatten und niemand war darunter, der nicht der Meinung war, dass er diese Hiebe damals benötigt hatte. Die ablehnende Haltung gibt es vor allem bei den Menschen, die selbst keine Erfahrung mit dem Sanktioniert werden gemacht hatten. Die landläufige Meinung bei den anderen war in der Regel: „So ein bisschen Prügel hat noch niemandem geschadet!“

Kinder dürfen nicht zu Energievampieren erzogen werden.

Kinder dürfen nicht zu Energievampieren erzogen werden.

Und auch hier zeigt sich wieder, dass die Sanktionen nicht ausbleiben, nur weil die Lehrer diesen Part nicht mehr übernehmen. Die Konsequenzen entstehen trotzdem, nur dass die Schüler sie nun selbst in die Hand nehmen, wodurch die vollkommen unkontrollierbar werden. Die Aufgabe, die früher die Lehrer übernommen haben, übernehmen nun die Mobber, die Schläger und in einigen Fällen die Vergewaltiger. Glauben wir wirklich, dass dies weniger traumatisierend ist, als eine kontrollierte Strafe durch den Lehrer? Das, war an der autoritären und sanktionierenden Erziehung wirklich traumatisierend war, waren nicht die Sanktionen. Es war der Umstand, dass einige Lehrer ihre Machtposition ausgenutzt und zur Willkür gegriffen haben, so dass es Situationen gab, in denen die Schüler die Sanktionen nicht verstehen und daher auch nicht annehmen konnten.

Doch nicht nur im Schulsystem des vorherigen Jahrhunderts spielten Sanktionen eine Rolle, sie waren auch Teil jedes Mentorings, bei dem ein Schüler auf das Leben vorbereitet wurde. Als Stalking Wolf mit 82 Jahren angefangen hat, den jungen Tom Brown zu unterrichten, wird er sich dabei kaum auf der Nase herumtanzen gelassen haben. Er wird nicht gesagt haben: "Hey, ich bin 62 Jahre lang frei durch ganz Amerika gereist um das Wissen über das native Leben und die uralten Heiltraditionen zusammenzutragen, aber jetzt ist es vollkommen in Ordnung, wenn ein kleiner Junge kommt, mir Energie raubt und sich verhält wie der letzte Schmarotzer. Wenn Tom eine solche Idee gehabt hat, dann wird er sehr schnell zu spüren bekommen haben, dass es so nicht ging. Und Stalking Wolf wird dabei nicht zimperlich gewesen sein. Anders hätte Tom auch nie zu dem Tracker und Wildniskundigen werden können, der er heute ist. Dadurch, dass wir das Grenzenziehen verurteilen und abwerten, verbieten wir es den Mentoren also Mentoren zu sein und sagen gleichzeitig, dass auch der Schüler kein Schüler mehr sein darf. Alles im Leben hat eine Konsequenz und wenn ich einen Schüler auf das Leben vorbereiten will, muss ich ihn auch auf die Konsequenzen vorbereiten. Wir jedoch wollen ihn vor diesen Konsequenzen bewahren und beschützen, wodurch wir ihn automatisch vom Leben fernhalten. Ohne dass der Schüler die schmerzhafte Konsequenz einer Fehlhandlung spürt, kann er auch keine Lehre daraus ziehen. Die Sanktion dient nicht dazu, den Schüler zu verletzen und ihn klein zu halten. Sie ist ein Wegweise, der ihm zeigt, wie ins Leben und ins Erwachen kommt. Ohne die Sanktionen entsteht ein Stillstand, da nun keine Absicht mehr da ist, sich zu entwickeln. Wenn es doch ohnehin vollkommen gleich ist, was ich tue, warum sollte ich mir dann die Mühe machen, etwas zu lernen?

In der Natur ist die Konsequenz davon, dass man in irgendeiner Form einen Scheiß baut, in der Regel der Tod. Als Mentoren sind wir in der Lage, den Schüler darauf vorzubereiten, in dem wir die Konsequenz auf seine Fehlhandlung nicht der Natur bzw. der Schöpfung überlassen sondern selbst übernehmen. Er bekommt also vom Mentor die Konsequenz seiner Handlung gespiegelt und zwar auf eine Weise, die so schmerzhaft ist, dass sich bei ihm einprägt: "Wenn ich diese Handlung durchführe, würde ich normalerweise sterben". In unserem System ist es aber verboten, diese Konsequenz deutlich und fühlbar zu machen und wenn wir es dennoch tun, dann fühlen wir uns schuldig, weil wir einem anderen Schmerzen zugefügt haben. Dabei übernimmt der Mentor lediglich die Rolle des höheren Selbst des Schülers. In Heikos Fall brauchte es keinen äußeren Sanktionierer, weil er seinen bereits im Inneren trug. Sobald er auch nur den kleinsten Fehler machte, schenkte ihm sein höheres Selbst eine ordentliche Tracht Prügel in Form von Krankheiten, Schmerzen oder anderen Leiden. Wie immer diese Leidenskörper auch aussahen, sie waren stets in genau der Intensität, die Heiko brauchte um aufwachen zu können. Die meisten Seher haben derartige Emotionstrainer in Form von Krankheiten oder chronischen Beschwerden in sich, die sie immer wieder auf ihr Fehlverhalten gegenüber dem eigenen Herzen hinweisen. Vor allem am Anfang, also in der Zeit in der sie dieses Leid noch nicht als Emotionstrainer und Wegweise ansehen können, macht es sie oft wahnsinnige und bringt sie an den Rand der Verzweiflung. Denn der innere Sanktionierer ist in jeder Millisekunde bei ihnen und beobachtet jeden ihrer Schritte bis ins kleinste Detail. Er übersieht nichts und das kleinste Vergehen gegenüber der eigenen Seele wird sofort knüppelhart bestraft. Hier gibt es kein vorsichtiges Rantasten und auch keine Möglichkeit „Stopp! Ich brauche eine Auszeit!“ zu sagen. Dieser innere Sanktionierer ist also härter als es jeder Mentor sein könnte und trotzdem verbieten wir nun auch dem Mentor, überhaupt noch eine Form der Sanktionierung durchzuführen. Die einzige Form der Konsequenz die bei uns noch zulässig ist, ist eine Erklärung. Der Schüler darf also nicht mehr erfahren, dass eine bestimmte Handlung Leid verursacht, er darf es nur noch erklärt bekommen, so dass er es in der Theorie versteht. Warum aber sollte er darauf reagieren? „Hey! Du darfst das nicht machen! Hör bitte auf damit!“

Wenn Eltern Angst vor den Kindern bekommen.

Wenn Eltern Angst vor den Kindern bekommen.

Warum sollte man auf eine solche Ansage reagieren, wenn es doch keine Konsequenz gibt? Jedes Verhalten, das wir an den Tag legen hat einen Grund und eine Ursache. Wir verhalten uns also immer auf eine bestimmte Art und Weise, weil wir erkannt haben, dass sie in Bezug auf ein bestimmtes Ziel funktioniert. Wenn ich als kleines Kind Aufmerksamkeit von meinen Eltern möchte, dann probiere ich nacheinander verschiedene Strategien aus, um diese zu bekommen. Sobald ich merke, dass eine davon besonders gut funktioniert, mache ich sie zu meiner Standartstrategie und gewöhne sie mir als Verhaltensmuster an.

So kann es zum Beispiel sein, dass ich immer dann Aufmerksamkeit bekomme, wenn ich etwas besonders gut mache und irgendwo der Beste bin. In diesem Fall versuche ich nun immer besser als alle anderen zu sein, um dadurch die Aufmerksamkeit zu erhalten. Es kann aber auch sein, dass ich dann Aufmerksamkeit bekomme, wenn ich mich besonders dumm und ungeschickt anstelle, wenn ich etwas kaputt mache, wenn ich besonders leidend wirke oder ähnliches. In diesem Fall wird es zu meiner Liebliengsstrategie, mich selbst als Opfer zu fühlen und mir dadurch die Aufmerksamkeit zu erschleichen. Egal welche Strategie ich für mich nun als optimal auserkoren habe, ich werde dabei bleiben, solange sie funktioniert. Ganz sicher aber wird mich niemand durch ein „Hey, lass das!“ davon abhalten. Der einzige Grund, mein Verhalten zu ändern ist, dass ich feststelle, und zwar durch ein direktes, praktisches Erleben, dass ich mir mit diesem Verhalten mehr Nachteile als Vorteile einhandele.

Mir muss vollkommen präsent werden, dass meine Verhaltensstrategie nicht mehr funktioniert. Erst dann bin ich bereit, mir die Mühe zu machen, eine neue, funktionalere auszuarbeiten. Je länger die Strategie als erfolgreich anerkannt wurde, desto deutlicher muss nun auch das Gefühl sein, das benötigt wird, um sie zu ändern. Auch hier wird es bei der Kindererzihung wieder am deutlichsten. Wenn ein kleines Kind beispielsweise ein neues Spielzeug oder eine Süßigkeit will, und versucht, sich diesen Wunsch dadurch zu erfüllen, dass es seine Eltern nervt, dann ist es am Anfang noch sehr leicht, es davon zu überzeugen, dass diese Strategie nicht zielführend ist. Reagieren die Eltern beim ersten Mal mit einer Rüge und einer Abweisung, versteht das Kind sofort, dass es mit dieser Masche nicht anzukommen braucht. Funktioniert es jedoch und das Kind bekommt seinen Wunsch erfüllt, wird die Strategie als erfolgreich abgespeichert und bei nächster Gelegenheit wiederholt. Wenn die Eltern sie nun stoppen wollen, brauchen sie dafür bereits etwas mehr Aufwand und Nachdruck denn das Kind weiß nun, dass es bereits einmal geklappt hat und vielleicht wieder klappen kann. Vielleicht funktioniert es ja dann, wenn man die Mechanismen verstärkt.

Je öfter die Strategie zum Erfolg führt, desto mehr verankert sie sich im Grundverhaltensreportoir des Kindes und je schwieriger wird es, sie daraus wieder zu entfernen. Wenn sie 100.000 Mal funktioniert hat, gibt es aus Sicht des Kindes ja auch keinen Grund, warum sie nun beim 100.001sten Mal nicht mehr funktionieren sollte. Vor allem aber gibt es nun keinen Grund mehr, warum man sie ändern sollte obwohl sie funktioniert, nur weil einen jemand darum bittet. „Wenn ich meine Mama genug nerve, dann bekomme ich immer was ich will! Selbst wenn Mama sagt, dass sie das nicht gut findet und dass sie die möchte, dass ich damit aufhöre, funktioniert es am Ende trotzdem. Warum also sollte ich irgendetwas ändern?“

Warum sollten Kinder ihre erlernte Taktik ändern, wenn sie doch funktioniert?

Warum sollten Kinder ihre erlernte Taktik ändern, wenn sie doch funktioniert?

Schließlich ist die Strategie dann so tief in einem verankert, dass man sie nicht einmal mehr dann ändern kann, wenn man es selber will. In meinem Fall zählt es zu meinen Lieblingsstrategien, mich wie ein trotteliger Tollpatsch zu benehmen, so dass mir andere die Verantwortung abnehmen und mich umsorgen. Auf diese Weise kann ich ihnen dann die Energie aussaugen und meine eigene Lebensenergie sparen. Natürlich weiß ich, dass ich ein Parasit bin, und dass ich durch diese Taktik sowohl mir selbst als auch anderen schade, dass ich alle aus meiner Nähe vertreibe und vergraule und dass ich sie damit krank mache. Doch dieses Wissen ist in meinem Verstand und nicht mit einer direkten, fühlbaren Konsequenz verbunden, die stark genug wäre um die Vorteile meines Parasitentums zu übertreffen. Die größte Präsenz hat meine Angst vor dem Tod und daher ist es mein erstes Ziel, mein eigenes Leben so lange wie möglich zu verlängern. Um das zu erreichen hat sich das Parasitentum, bei dem ich selbst faul sein kann und möglichst wenig Energie verbrauche, gleichzeitig aber möglichst viel von anderen abzapfe als äußerst profitabel erwiesen. Warum also sollte ich diese Strategie ändern, nur weil es ein paar logische und moralische Gegenargumente gibt? Solange ich mit der Strategie Erfolg habe und für diesen Erfolg einen Preis zahle, der mir geringer vorkommt, als der Energiegewinn, den ich erhalte, muss ich die Strategie beibehalten. Wichtig dabei ist das subjektive Empfinden des Preises, den man zahlt und nicht der Preis selbst. Denn dieser ist verdammt hoch und überwiegt den Nutzen des Parasitentums bei weitem. In meinem Fall besteht er darin, dass ich mein Gottbewusstsein verleumde, mein inneres Kind mit Füßen trete und meine Seele verkaufe. Bei einem überzeugten Alkoholiker besteht er darin, dass er seinen Körper und all seine Organe zerstört und seine Mitmenschen wie auch sich selbst zugrunde richtet. Der Gewinn den er erhält ist lediglich die Betäubung seiner Gefühle. Objektiv betrachtet ist der Preis, den er zahlt also viel höher, als der Nutzen den er erhält, doch aus seiner subjektiven Wahrnehmung ist es genau anders herum. Und nicht anders ist es auch bei mir. Erst wenn der gefühlte Preis, den ich für mein Parasitentum zahle so groß ist, dass er den gefühlten Nutzen überwiegt, entsteht die Notwendigkeit in mir, eine neue Strategie zu entwickeln. Erst dann ist eine Wandlung möglich.

Hinzu kommt, dass wir im Schnitt gerade einmal 3% des Inhaltes eines sachbezogenen Textes oder einer Erklärung aufnehmen. Den Rest registrieren wir kurz, vergessen ihn aber sofort wieder und setzen ihn in keinen Bezug zu unserem Leben. Eine Erklärung, warum ein Fehlverhalten anderen und/oder einem selbst schadet, kann also niemals etwas bringen, da sie keinerlei Präsenz hat. Alles, was nicht mit einem direkten erleben und fühlen verbunden ist, dringt nicht soweit in unser Bewusstsein vor, dass wir daraus eine Handlung geschweige denn eine Verhaltensänderung ableiten können. Dies ist auch der Grund, warum man sich in der Regel an die meisten Filme, die man einmal gesehen hat auch nach langer Zeit noch recht gut erinnert, während die meisten Dokumentationen oder Sachvorträge vollkommen aus dem Gedächtnis verschwinden. Bei einem Film geht es um eine Geschichte, in die man sich einfühlt und die dadurch Gefühle in einem auslöst. Ein reiner Sachvortrag hingegen spricht nur den Verstand an und wird dadurch in der Kartei „Langweilig“ im Gehirn abgelegt, wo sie unter anderen Informationen verstaubt, auf die wir bewusst nicht mehr zugreifen können. Selbst wenn der Betroffene also bereit ist, der Erklärung zuzuhören und sie vielleicht sogar verstehen und anwenden will, kann sie dennoch nicht zu ihm vordringen, weil sie mit keinem Gefühl verknüpft ist. Es ist, als würde man einem Alkoholiker erklären, dass ihn der Alkohol krank macht. Sein Verstand nimmt diese Information auf, aber darüber hinaus kommt es zu keinem weiteren Erfolg. Es bleibt eine Theorie, über die man vielleicht einmal nachdenken sollte, wenn man Zeit hat und gerade zufällig einmal nüchtern ist.

Als würde man einem Alkoholiker erzählen wollen, das ihn der Alkohol schädigt.

Als würde man einem Alkoholiker erzählen wollen, das ihn der Alkohol schädigt.

Dadurch, dass wir nun also begonnen haben, fühlbare Konsequenzen aus unserem Leben so gut wie möglich zu verbannen, verlagern wir alles auf die Ebene eines Verstandeskonzeptes. Im Grunde reduzieren wir so unser ganzes Leben auf die Idee und das Konzept eines Lebens ohne es aber wirklich leben und spüren zu können. In meinem Fall wurde mein Verstandesgegner dadurch so stark, dass ich nahezu überhaupt keine Gefühle mehr hatte. Wie aber will ein Mensch, der keine Gefühle hat, ein Gefühl verstehen, wenn er nichts zum Fühlen bekommt? Die Konsequenzen bleiben dadurch natürlich nicht aus. Handeln hat immer eine Konsequenz, ob wir sie nun fühlen oder nicht. Wenn dies nicht so wäre, würde eine Pflanze, die kein Wasser mehr bekommt, trotzdem einfach weiter wachsen, ein Apfel, der vom Baum geschüttelt wird, würde einfach in der Luft hängen bleiben und eine Billard-Kugel, die man anstößt wirde nicht davon rollen. Doch so ist es nicht. Es gibt immer eine Konsequenz. Jede Aktion führt zu einer Reaktion, die ihrerseits wiederum zu einer Reaktion führt. Anders könnte das Universum nicht funktionieren. Das einzige, was wir durch unsere Erziehung der Samthandschuhe erreichen ist, dass wir diese Konsequenzen nicht mehr klar wahrnehmen können. Wir begreifen nicht mehr, welche Handlung zu welcher Konsequenz führt, da wir statt des Erlebens nur noch einen Redeschwall bekommen, mit dem wir nichts anfangen können. Das kleine Kind, das seine Mutter nervt um ein Leckerli zu erhalten, bekommt die Aussage, dass es dies nicht tun soll. Es kann aber nicht verstehen, warum es das nicht tun soll. Es spürt, fühlt und erlebt nicht, was es mit der Mutter, ihm selbst und dem Gesamtsystem macht. Niemand erklärt uns, wer wie sind und niemand gibt uns die Möglichkeit, dies durch gezielte Aufgaben und Fragen selbst herauszufinden.

Wenn wir wüssten, dass wir Liebesausdehner sind, die einen Lebensauftrag zu erfüllen haben, würde es uns natürlich leichter fallen, zu erkennen, wie wir uns verhalten müssen, damit wir unserer Seele treu bleiben. Da uns dies jedoch niemand beibringen und begreiflich machen kann, tappen wir im Dunkeln und suchen uns unsere Lebensstrategien nach dem Try-and-Error-Verfahren aus. Und genau aus diesem Grund ist der Drucknavigator in Form von Leid, Krankheit und Sanktion so wichtig. Durch ihn erkennen wir, wer wir wirklich sind. Der Druck presst uns gewissermaßen zur Erkenntnis. Krankheiten sind dabei das göttliche Sanktionssystem. Wenn wir sie annehmen, zeigt uns unser höheres Selbst durch unseren eigenen Körper, welche Verhaltensweisen für unser erwachen förderlich sind und welche nicht. Sanktionen durch andere Menschen laufen auf das gleiche Ergebnis hinaus, vorausgesetzt natürlich, diese handeln nach ihrem Gefühl und nicht nach ihrem Ego oder ihrem Verstand. Jemandem zu erklären, warum eine gewisse Verhaltensgrundform zum Tod führen kann, ist nichts anderes, als ihm einen Vortrag über ein wertvolles Museumsstück und dessen Geschichte zu halten. Irgendwie ist die ganze Kiste schon interessant, aber sie hat keinen Bezug zu einem selbst und kann nicht gefühlt werden, also ist das meiste davon innerhalb von Sekunden wieder vergessen. Eine alte Grundregel des Kommunikationslehre besagt: "Fakten verblassen, Gefühle bleiben." Damit aber aus den theoretischen Fakten erlebbare Gefühle werden, muss der Schüler auch etwas fühlen, spüren und erleben können. Und wenn die Konsequenz seiner Handlung schmerzhaft ist, dann braucht der Schüler auch den dazugehörigen Schmerz, um lernen zu können. Man kann ihn natürlich nicht erst einmal auffressen oder von einem Felsen fallen lassen, damit er dann ins fühlen kommt. Das mag zwar insofern funktionieren, dass er dann im nächsten Leben noch einmal eine neue Chance bekommt, aber für dieses ist es ganz und gar nicht hilfreich. Stattdessen muss der Mentor dem Schüler eine Ersatzkonsequenz spiegeln, die ihm zwar nicht schadet, die aber deutlich macht, dass es nicht um ein Spiel sondern um eine ernsthafte Situation geht.

Kennt man seinen Lebensweg, wird vieles klarer und einfacher.

Kennt man seinen Lebensweg, wird vieles klarer und einfacher.

Hierbei ist es wichtig zu verstehen, dass der Sanktionierende nicht die Ursache für das Leid ist, sondern lediglich die Rolle des inneren Sanktionators übernimmt, die der Schüler als Kind getötet hat. Um das zu verstehen muss man noch einmal tiefer in die Situation eines kleinen Kindes eintauchen. Wenn wir als Kind erkennen, wer wir wirklich sind und dass es unsere Aufgabe ist, ins Erwachen zu kommen, dann haben wir zwei Möglichkeiten damit umzugehen. Wenn wir in diesem Moment im Urvertrauen sind und spüren oder wenigstens ahnen, dass alles eins ist und es weder Leben noch Tod gibt, dann können wir uns dafür entscheiden uns selbst treu zu bleiben und zu unserem Sein zu stehen. Uns ist jedoch bereits in diesem Moment bewusst, dass dies immer mit Schmerz verbunden ist. Wenn wir den Weg annehmen, wissen wir, dass wir das wir automatisch von uns selbst für jedes Vergehen gegen unsere Seele sanktioniert werden. Wir bekommen also permanent Krankheiten und Schmerzen, die uns jede Fehlhandlung deutlich machen. Heiko hat sich als Kind für diesen Weg entschieden. Schon damals hatte er die Vermutung, dass Schmerzen nicht real sind, sondern nur eine Illusion des Geistes und so machten sie ihm keine wirkliche Angst. Er erinnerte sich sogar noch heute an Gespräche, die er als Kind mit seinem Vater geführt hatte und bei denen es darum ging, ab wann man beispielsweise Hunger hat oder nicht. Ist es wirklich ein reales Gefühl oder nur ein Gedankenmuster? Wie ist es mit Schmerz? Ist es da das selbe? Diese Überlegungen führten dazu, dass Heiko bereits früh den Gedanken in sich zulassen konnte, dass Leid nicht wirklich existiert. Dadurch wiederum hatte er genug vertrauen in sich, um seinen Lebensweg anzunehmen und sich dem damit verbundenen Sanktionierer in Form der Krankheiten zu stellen. Ich hatte dieses Vertrauen jedoch nicht, genauso wenig wie Heidi. In meinen Augen waren Leid, Krankheit und Schmerz etwas vollkommen Reales, vor dem ich mich fürchtete. Und in meinen Augen war auch der Tod etwas reales, vor dem ich eine tiefe Angst spürte.

Als ich nun vor der Wahl stand, ob ich freiwillig den Schmerz des inneren Sanktionierers annehmen und meinem Sein treu bleiben wollte, siegte bei mir die Angst. Ich wollte diesen Wegweiser des Schmerzes, der mich zum Erwachen führen wollte nicht haben. Ich wollte keine Krankheiten, kein Leid und keinen druck von außen. Lieber gab ich alles auf, was ich bin, wenn ich damit nur in Ruhe und Frieden vor mich hin leben konnte.

Der Gegner in Form meiner Angst machte mir daher das folgende Angebot: Solange ich mich nicht entwickelte und einfach nur ein Zombie blieb, der nette Kunststückchen aufführte und der sich in jede Richtung verbog, die andere ihm vorgaben, würde es keine Sanktionen für das Fehlverhalten geben. Anders als Heiko, der für jeden kleinen Verstoß gegen sich selbst eine schmerzhafte Krankheit bekam, konnte ich nun ungesühnt nach allen Regeln der Kunst gegen mein Herz und meine Seele handeln, bis ich mich maximal verirrt hatte und keine Ahnung mehr hatte, wer ich war und was ich selber wollte. Die Idee, dass ich ein unsterbliches, göttliches Wesen sein könnte, war vollkommen aus meinem Bewusstsein verschwunden und ich identifizierte mich zu 100% mit der Rolle des Tobias Krüger, die ich in diesem Lebensfilm spielte. Mein Glaube lautete: Wenn ich dieses Leben verliere, dann ist es vorbei! Dann endet deine Existenz und du bist für immer verschwunden! Dieser Gedanke machte mir Angst. Ich wollte nicht einfach verschwinden. Ich wollte nicht, dass meine Existenz endete und dass es danach war, als hätte es mich nie gegeben. Gerade wird mir bewusst, dass ich mich damals wirklich an jeden Strohhalm klammerte, den ich finden konnte. In einem Buch las ich, das irgendjemand davon überzeugt war, dass ein Mensch erst dann wirklich tot war, wenn sich niemand mehr an ihn erinnerte. Diese Idee beruhigte mich und ich fasste den Plan, berühmt zu werden, um mich so unsterblich zu machen. Auch in dem Versuch, erfolgreich zu werden steckte also bereits wieder die Todesangst.

Als begrenztes, getrenntes Wesen hatte ich nun aber natürlich auch nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung, bis mich der Tod ereilen würde. Dieses schreckliche Ereignis wollte ich nun so weit wie möglich hinauszögern und dafür konnte ich einen inneren Sanktionator, der mich krank machen oder verletzen würde, überhaupt nicht gebrauchen. Ich wollte so viel Lebensenergie sparen wie möglich und dies konnte ich am besten, wenn ich überhaupt nicht wirklich zu leben anfing und so meine Existenz so gut wie möglich auf Kosten anderer aufbaute.

Sollte man wirklich Lebensenergie ansparen?

Sollte man wirklich Lebensenergie ansparen?

Durch diesen Entschluss entschied ich mich also gegen Gott und damit gegen mich selbst, weil ich zum einen Angst vor dem Tod und zum anderen Angst vor jeder Form des Schmerzes hatte. Dadurch kam ich nun natürlich immer weiter vom Weg ab und verirrte mich immer mehr. So lange, bis das Gummiband, das mich mit meinem wahren Sein verbindet so sehr gespannt war, dass es mich einfach zurück reißen musste. Plötzlich wurde klar, dass ich nicht länger gegen mich handeln konnte. Denn ich hatte das Leid, das Heiko als permanenten Wegweiser sein ganzes Leben über erhalten hatte nicht vermieden, ich hatte es nur aufgespart und angesammelt. Mein Körper zeigte mir bereits deutlich, dass er nicht mehr lange warten würde, bis er mir die gesammelte Rechnung für alle Herzensverstöße in einem Schlag zurückzahlen würde. Die Durchblutung in meinen Händen und Füßen war bereits so schlecht, dass die obersten Hautschichten abstarben, die Wassereinlagerungen wurden immer größer und teilweise sah es so aus, als wollten meine Zehen bald platzen, wenn ich so weiter machte. Was käme also als nächstes? Krebs? Ein Kreislaufzusammenbruch? Ein Herzinfarkt oder ein Schlaganfall, weil mein Blutsystem versagte? Gleichzeitig wurde meine Unkonzentriertheit immer stärker und ich provozierte Unfälle und Pannen am laufenden Band. Noch befand sich alles in einem Rahmen, in dem ich uns durch diese Aktionen nur theoretisch umgebracht hätte, wenn wir in einer natürlichen Situation auf uns allein gestellt gewesen wären. Wie lange aber würde dies noch so bleiben?

Alle Anzeichen sprachen dafür, dass es nicht mehr lange dauerte, bis ich einen Unfall oder ein Unglück heraufbeschwor, durch dass ich mich oder sogar uns beide ernsthaft verletzen oder gar töten würde. Heiko konnte dies natürlich unmöglich akzeptieren und einfach hinnehmen. Wenn ich also diesen Pfad einschlagen wollte, dann musste ich ihn alleine gehen. Und spätestens dies würde bei mir zum vollständigen Zusammenbruch führen, da ich alleine außerhalb meiner Kindheits-Seifenblasenwelt definitiv nicht überlebensfähig war. Ich stand nun also direkt vor dem Wendepunkt, an dem ich all das angestaute Leid auf irgendeine Art und Weise geballt zu spüren bekommen würde. Dies war Fakt und daran ließ sich nichts rütteln. Jeder Mensch erlebt auf seinem Erwachensweg das gleiche Leid, um erkennen zu können, dass dieses nicht real ist. Heiko hatte einen Großteil seiner Dosis bereits in der ersten Hälfte seines Lebens angenommen. Dadurch, dass er diesen Lehrmeister bereits als Kind angenommen hatte, der ihm immer wieder auf die Finger schlug, wenn er von seinem Weg abkam, machte er stets nur kleine Umwege und Ausschweifungen.

Ich hatte mir meines fast vollständig bis heute aufgespart, so dass ich es nun in kürzerer Zeit aber mit doppelter Intensität durchleben durfte, da ich mich ordentlich verrannt hatte. Im Gesamtkontext betrachtet, gibt es keinen Unterschied zwischen demjenigen, der sich von Anfang an für die Sanktionen entschieden hat und dem, der sie nach einiger Zeit gebündelt bekommt. Beide erhalten das gleiche. Es ist immer Pari, auch wenn es sich für die Betroffenen oftmals nicht so anfühlt. Der eine bekommt sein Pensum in kleinen Dosen und geht so Schritt für Schritt auf die Erleuchtung zu. Der andere bekommt es auf einen Schlag und da die Zeit nun kürzer ist, erlebt er es in diesem Moment umso intensiver. Die Entscheidung, vor der ich nun stand lautete also nicht: „Will ich das Leid spüren oder nicht!“, sondern „Will ich mich selbst und ganz bewusst für die Sanktionen entscheiden, oder will ich dass die Schöpfung diese Aufgabe für mich übernimmt.“ Paulina hatte vor einem Jahr vor der gleichen Entscheidung gestanden und sich damals für die unbewusste Variante entschieden. Auf diese Weise hatte sie dann als externe Sanktionierer die Vergewaltiger und die besoffenen Jugendlichen angezogen. Alles ist eins. Die Sanktionierungen durch andere sind also nichts anderes als die Sanktionierungen durch den eigenen Körper in Form von Krankheiten.

Lediglich unser Empfinden ist ein anderes, doch da es nur ein Bewusstsein, also auch nur uns selbst gibt, gehen stets alle Sanktionierungen von uns selber aus. Nun, wo mir bewusst wurde, dass ich nicht länger vor mir selbst davonlaufen konnte, wurde die Angst vor dem Schmerz und dem Tod noch einmal um ein vielfaches stärker. Mir war klar, dass die Verletzungen, die ich meiner Seele über all die Jahre hinweg zugefügt hatte, nun mit einem Schlag und mit voller Härte ihren Tribut forderten. Sofort kam die Angst in mir auf, dass ich diese Ladung niemals würde überstehen können. Die Todesangst, die ich latent immer in mir trug, wurde nun akut und mit voller Intensität spürbar. Klar hatte ich vom Verstand her kapiert, dass alles eine Illusion war, dass es weder das Leben, noch den Tod, noch Leid oder Schmerz gab und somit auch keinen Grund, mich vor irgendetwas zu fürchten. Doch in meinem Gefühl kam dies noch nicht an. Ich glaubte noch immer, dieser Mensch und dieser Körper zu sein, personifizierte mich damit und erlebte daher auch den Schmerz und die Angst als etwas vollkommen reales. Und doch war mir klar, dass ich mich entscheiden musste, wie ich diesen Schmerz erleben wollte. Wollte ich trotz allem weiter versuchen, vor ihm zu fliehen und damit der Schöpfung sagen, dass sie mir nach ihrem Ermessen den Leidensdruck schicken sollte, den sie für richtig empfand? Wenn ich dies tat, entschied ich mich automatisch dafür, auch weiterhin bewusst gegen meine Seele zu handeln, wodurch ich ein noch höheres Leidensmaß anstaute. Im ersten Moment mochte es wirken, als wäre dies der leichtere Weg, doch am Ende war die gefühlte Leidensintensität wahrscheinlich gut zehn Mal höher, als wenn ich mich bewusst für die Sanktionen durch einen Mentor, also in meinem Fall durch Heiko entschied. Mit den ersten Sanktionen wurde nun klar, dass ich durch sie nicht mehr länger in meiner Gefühlslosigkeit bleiben konnte. Bei jedem Schlag spürte ich nicht nur einen Schmerz, sondern auch das Erwachen von tiefliegenden, verdrängten Gefühlen. Wenn ich bei einem Schlag mit der Weidenrute aufschrie, dann geschah dies zum Teil wegen des Schmerzes. Doch es war kein reiner Schmerzensschrei, sondern auch ein Schrei der Wut. Die Wut, die normalerweise unterdrückt wurde und die ich nie rauslassen konnte, entwich nun automatisch und wurde unmittelbar spürbar, ohne dass der Verstandesgegner etwas dagegen tun konnte. Durch das Fühlen der Schmerzen mussten auch die Gefühle gefühlt werden und ein Unterdrücken war nun nicht mehr möglich. Das gleiche gilt auch für Trauer, Verzweiflung und alle anderen Gefühle, die normalerweise unterdrückt werden. Durch das Spüren des Schmerzes kann man nicht mehr tot sein. Eine Leiche fühlt keinen Schmerz und wenn man plötzlich doch Schmerz spürt, dann weiß der ganze Organismus, dass er am Leben ist. Plötzlich wurden alle möglichen Körperfunktionen bei mir wieder aktiv, die zuvor wie eingeschlafen waren. Adreanlin wurde ausgeschüttet, mein Kreislauf kam in Schwung, meine Durchblutung wurde wieder angeregt und mein Körper bekam wieder richtig Sauerstoff. Meine Wangen begannen sogar zu kribbeln, so wie es Körperteile tun, die nach dem Abklemmen, also Einschlafen wieder mit frischen Blut versorgt werden. Dabei haben meine Wangen selbst nichts abbekommen. Sie provitierten lediglich davon, dass mein ganzer Kreislauf angeregt worden war. Dieses Gefühl kannte ich bislang nur vom holotropen Atmen. Plötzlich verstand ich, warum Borderliner so oft beschreiben, dass sie das Gefühl haben, dass sie durch den Schmerz ins Leben kommen. Das gleiche Gefühl hatte ich auch. Und es war auch das Gefühl, das Sonnentänzer beschrieben, wenn sie ihr Schmerzritual durchlebt hatten.

Schmerzen können physisch und psychisch wahrgenommen werden

Schmerzen können physisch und psychisch wahrgenommen werden

Die Schwierigkeit für den Mentor besteht darin, dass er die Sanktionen genau so durchführen muss, dass sie das richtige Schmerzmaß enthalten, so dass der Schüler nicht daran zerbricht, es jedoch so intensiv wahrnimmt, dass er ins Fühlen kommen kann. Er muss durch das empfundene Leid fühlen, wer er in Wahrheit ist und welche Masken er trägt, hinter denen er sich versteckt. Es darf keine Misshandlung aber auch kein Spiel sein, sondern ist ein ernstzunehmendes Mittel des Lernens.

Die optimale Technik ist so gewählt, dass der Schüler den Schmerz am Anfang sehr gut ertragen kann. Die nächsten Schläge sollten so gewählt werden, dass er sie gerade noch so eben ertragen kann und der letzte Schlag ist stets so, dass er die volle Konsequenz zeigt, also dem Schüler bewusst macht, wo es A hingehen kann, wenn er weiterhin keine Lernerfolge erzielt und B dass er erkennen kann, was ihm bereits dieses Mal geblüht wäre, wenn er sich nicht freiwillig für die Konsequenz entschieden hätte, sondern im Autopiloten das Leben hätte entscheiden lassen. Diese letzte, volle Intensität wäre die Gottkonsequenz gewesen, also die Konsequenz die er vom Leben selbst erhalten hätte. Dies erfordert eine extrem hohe Sensibilität vom Mentor, da er zum einen seine eigene Kraft, zum anderen aber auch die Leidensfähigkeit des Schülers richtig einschätzen muss. Gleichzeitig kommt aber auch noch ein anderer wichtiger Punkt hinzu. Denn der Mentor übernimmt im Ritual der Sanktionierung ja die Rolle des Gottbewusstseins des Sanktionierten. Er wird zur ausführenden Hand des höheren Selbst seines Schülers. Dies bedeutet aber auch, dass er sich während des Sanktionierens komplett im Vertrauen befinden und nach seinem Gefühl handeln muss. Wenn er aus Verlustangst oder Mitleid zu gering sanktioniert, muss die Schöpfung den Rest übernehmen und auf das selbstgewählte Leid noch ein unfreiwilliges draufpacken, damit es zu einem Ausgleich kommt. Dieses wird dann aber wiederum deutlich intensiver sein, als wenn es von vornherein das richtige Maß gehabt hätte.

Wenn der Mentor nicht im Vertrauen ist und somit weiß, dass alles gut, ergo alles bedingungslose Liebe ist, führt seine Angst also dazu, dass sein Schüler von der Schöpfung härter angepackt wird und folglich mehr Leid erfahren muss. Er mag in diesem Moment glauben, dass er aus Liebe oder Mitgefühl zu seinem Schüler handelt, doch letztlich ist es genau das Gegenteil, da er es ihm nicht leichter, sondern schwerer macht. Mit Erleuchtet sein hat dies nur wenig zu tun und somit bekommt auch der Mentor nun einen Leidensdruck durch die Schöpfung, da er seiner göttlichen Aufgabe nicht nachgekommen ist und in diesem Moment selbst dem Gegner in Form der Angst und des Unvertrauens folgte. Das Sanktionieren erfordert also ein immens hohes Maß an Vertrauen, denn man fügt in diesem Moment ganz bewusst einem Menschen, den man mag Schmerzen zu. Gleichzeitig muss man jedoch auch das eigene Ego sowie eigene Verletzungen aus dem Spiel halten. Damit dies gelingen kann, muss man direkt mit dem Allwissen verbunden sein und seiner Intuition zu 100% vertrauen können. Handelt man stattdessen aus dem Ego heraus, oder legt eigene Wut und eigenen Jähzorn in die Sanktionen, durch die diese eine übertriebene Härte bekommen, die dem Schüler nicht gerecht wird, bekommt der Mentor ebenfalls wieder eine ordentliche Sanktion von der Schöpfung, da er seine Rolle als Stellvertreter des höheren Selbst missbraucht hat.

Sanktionen sind zum Lernen als Heilungsritual da.

Sanktionen sind zum Lernen als Heilungsritual da.

Solange der Schüler erkennt, dass man als Mentor nicht der Leidensbringer sondern nur der Bewusstmacher ist, wird dieser dem Mentor für seine Hilfe auf dem Erwachensweg dankbar sein. Bevor wir mit den Sanktionierungen begonnen haben, kam mir der Gedanke zunächst komisch vor, dankbar für Schmerz sein zu sollen. Doch nach der ersten Erfahrung änderte sich dies sofort. Es war nun vielmehr so, dass ich eine starke und tiefe Dankbarkeit empfand, wie ich sie bislang erst selten gespürt hatte. Natürlich war der Schmerz selbst unangenehm, aber ich spürte jedes Mal deutlich, dass ich dadurch ein kleines Stück mehr zurück ins Leben fand. Ohne Heiko als Mentor wäre dies nicht möglich. Mehr noch! Obwohl ich ihn als Energieparasit bei jeder Gelegenheit aussaugte, nahm er trotzdem die Arbeit und die Verantwortung auf sich, mir durch die Sanktionen den Weg zum Erwachen zu ermöglichen. Dies war mehr, als jemals jemand zuvor für mich getan hatte. Wenn der Schüler jedoch nicht erkennt, dass der Sanktionierer lediglich den bereits vorhandenen Schmerz fühlbar macht, und ihn stattdessen als Grund für den Schmerz ansieht, besteht die Gefahr, dass man von dem anderen verlassen oder verstoßen wird. Solange man davor Angst hat, kann man seiner Aufgabe nicht richtig nachgehen, da man bei jedem Schmerzzufügen einen inneren Zwiespalt in sich trägt, der einen hämmt und blockiert. Bedingungslose Liebe bedeutet, dass man auch dann zum Wohle der Entwicklung des anderen handelt, wenn dies die Beziehung zerstören könnte.

Gleichzeitig muss man sich als Mentor aber auch selbst bewusst sein, dass man dem anderen nicht wirklich einen Schaden zufügt, sondern nur den Schmerz ins fühlbare Bewusstsein bringt, den er ohnehin in sich trägt. Das Außen ist immer nur ein Spiegel, der am meisten geglaubten Gedanken. Ohne, dass ein Mensch Schmerz und Leid in Form von Glaubenskonzepten und Überzeugungen in sich trägt, kann er auch keinen Schmerz von außen anziehen. Der Sanktionierer, egal ob er nun bewusst gewählt oder unbewusst angezogen wurde, kann also niemals Schmerz verursachen, sondern nur das sichtbar, bzw. fühl- und erlebbar machen, was ohnehin schon da ist. Er wird aus dem unbewussten also lediglich in die Präsenz geholt. Und nur wenn er fühlbar wird, kann er auch abgebaut werden. Wenn einem dies als Mentor nicht bewusst ist, kommen sehr leicht innere Schuldgefühle auf, die einen ebenfalls wieder vom Erwachen wegbringen. Das Gefühl und die Überzeugung, einem anderen und da alles eins ist, somit auch sich selbst, durch die Sanktionen auf dem Weg zum Erwachen und zur Heilung weiter zu bringen, führt dazu, dass man A immer mehr Situationen anzieht, in dem man wahrlich hilfreich sein kann und dass man B auch selbst immer mehr in Richtung Erwachen kommt. Alles ist eins. Als Sanktionierender sanktioniert man also niemals jemand anderen, sondern immer sich selbst, bzw. den Anteil von sich, der sich ebenfalls vor dem Schmerz drücken wollte. Als Menschen bestehen wir immer aus einer Vielzahl von inneren Stimmen und Persönlichkeitsanteilen. So trägt jeder Mensch, der sich als Kind für den Leidensmentor entschieden hat, immer auch Anteile in sich, die ebenfalls in Angst vor dem Schmerz und dem Tod verstrickt sind und die am liebsten vor den Sanktionen geflohen wären. Durch das Sanktionieren des Schülers, der nichts anderes ist, als ein Spiegel dieser Anteile seiner Selbst, führt er also auch sie ins Licht.

Ohne das Dunkel sehen wir kein Licht.

Ohne das Dunkel sehen wir kein Licht.

Die Überzeugung, dass man einem anderen Leid und Schmerz zufügt und ihm damit schadet, wird hingegen noch mehr Situationen anziehen, in dem man Schaden bringt und selbst erfährt. Wenn man jedoch erkannt hat, dass alles eins und daher auch alles Liebe ist, erkennt man auch, dass es weder Schmerz noch Leid geben kann. Es ist nur eine Illusion, die uns dabei hilft, unser wahres Sein zu erkennen. Dies können wir jedoch nur dann erkennen, wenn wir den Schmerz zulassen und fühlen. Wehren wir uns dagegen oder fürchten wir ihn so sehr, dass wir ihn nicht fühlen wollen, bleibt es stets als festes Glaubnskonzept bestehen. Wir wollen den Schmerz nicht in unserem Leben haben und glauben deshalb, dass die Welt anders sein müsste, als sie gerade ist. Solange wir dies tun, identifizieren wir uns noch immer mit der Rolle, die wir im Schauspielstück unseres Lebens spielen.

Wenn wir erkennen, dass alles nur ein Traum bzw. eine Illusion ist, gibt es für uns kein Leid mehr. Alles was existiert ist die lebendige Energie der Liebe, das Allbewusstsein, also also das form- und zeitlose Sein, das alles mit Hilfe seiner Gedanken erschafft. Das was wir als Realität wahrnehmen, ist nichts anderes als ein Film, der vor dem geistigen Auge dieses Allbewusstseins abläuft. Am einfachsten ist es, wenn man es sich wirklich wie in einem Spielfilm vorstellt. Wenn Roger Moore in einem James Bond Film von einem Bösewicht verprügelt wird, dann spürt er dabei keinen Schmerz, da die Schläge nicht real sind. Er befindet sich in keinem Kriegsgebiet und auch auf keiner geheimen Militärbasis, die jeden Moment in die Luft fliegen könnte. Er befindet sich in einem Studio auf einer Filmkulisse und reagiert dabei auf Schläge von einem Kollegen, die ihn nicht wirklich treffen. Den Schmerz kann also nur James Bond spüren, da er die Filmfigur ist. Innerhalb des Filmes schwebt die Figur des 007 ständig in Lebensgefahr und muss schwierigste Aufgaben lösen. In Wirklichkeit gibt es diesen James Bond jedoch nicht. Er ist nur eine Idee, die jemand mit Hilfe seiner Phantasie erschaffen hat. Selbst wenn sie wirklich im Film sterben sollte, spielt dies für den Schauspieler keine Rolle, da er weiß, dass er nun einen neuen Charakter in einem anderen Film spielen wird. Komplex würde es erst dann, wenn Roger Moore anfangen würde zu glauben, dass er wirklich James Bond ist und sich tatsächlich im Kampf gegen einen Superschurken befindet.

Nicht anders ist es auch im Leben. Solange wir glauben, reale Wesen zu sein, werden wir auch den Schmerz spüren, der in dieser Geschichte verteilt wird. Erkennen wir jedoch, dass es ein Traum ist und dass die Wesen, die wir zu sein glauben nicht wirklich existieren, gibt es auch keinen Schmerz und kein Leid mehr. Doch um das erkennen zu können müssen wir es fühlen. Es reicht nicht, es vom Kopf her verstanden zu haben, denn sobald dann eine schmerzhafte Situation eintritt, fallen wir sofort wieder in unsere alten Überzeugungen zurück, die uns weismachen, dass wir wirklich die Filmfiguren sind. Nur wenn wir es erleben, also den Schmerz fühlen, die Angst davor verlieren und ihn annehmen können, können wir ihn irgendwann auch als Illusion erkennen. Doch das geht nicht von einer Sekunde auf die Nächste. Es braucht Übung, Geduld, Gelassenheit und Hingabe. Denn dadurch, dass uns unser Verstandesgegner von unserem Lebensweg abgebracht und verwirrt hat, sind unsere Köpfer voll von Lügenkonzepten, die wir als Wahr empfinden. Wir glauben, dass wir Einzelwesen sind, dass wir nur geliebt werden, wenn wir bestimmte Bedingungen erfüllen, dass wir anders sein sollten, als wir es gerade sind und vieles, vieles mehr. All diese Überzeugungen halten uns davon ab, unsere wahre Natur als Gottpartikel zu erkennen. Um uns also bewusst darüber zu werden, dass wir Gott sind, müssen wir nacheinander alle Lügen in unserem Kopf erkennen, in unser Bewusstsein holen und auflösen. Dies ist letztlich die einzige Aufgabe bzw. die einzige Arbeit, die wir in unserem Leben haben. Um die Lügen jedoch überhaupt als Lügen zu erkennen, brauchen wir die Spiegelreaktionen von außen. Alles, was wir an Gedankenmustern in uns tragen, das gegen die Liebe ist, verursacht auf irgendeine Art und Weise Leid. Jedes Leid in unserem Leben hat also den sinnvollen Zweck, uns auf eine Lüge hinzuweisen, die unser Gottbewusstsein verschleiert.

Die Schwierigkeit besteht jedoch darin, dass das Leid oft mit einer Zeitverzögerung in unser Leben tritt, so dass wir nicht mehr erkennen, welche Überzeugung und welche Handlungsweise es ausgelöst hat. Je mehr wir uns dabei von unserer wahren Natur entfernen, desto größer wird die Verzögerung und desto komplexer wird es, die Zusammenhänge zu erkennen. Wenn ich als Aborigine in der australischen Steppe das Urvertrauen verliere und nicht mehr daran glauben kann, dass ich eine Wasserstelle finde, dann bekomme ich das Feedback dafür relativ schnell und direkt. Die Natur spiegelt mir mein Unvertrauen in Form von fehlendem Wasser und ich merke sofort, dass ich Gefahr laufe, zu verdursten. In der Zivilisation ist es anders, da wir uns hier Wege erschaffen haben, durch die wir auch ohne das Urvertrauen überleben können. Haben wir hier Existenzangst, bekommen wir sie vielleicht dadurch gespiegelt, dass wir eines Tages unseren Job verlieren, doch gelingt es uns dann meist nicht, die Verbindung zu unseren Gedankenmustern herzustellen. Auch dabei hilft also die bewusste Entscheidung, den Schmerz in Form von Sanktionen selbst in die Hand zu nehmen, anstatt zu warten, bis sich die Schöpfung darum kümmert. Auf diese Weise werden einem alle Verhaltensmuster, die zur Sanktion führen bewusst und man erkennt auch die Gedankenmuster und Motivationen, die dahinter stehen. Wir erhalten die Sanktion und wissen dabei sofort, warum wir sanktioniert werden. Die Zeitverzögerung, durch die wir diesen Zusammenhang im Normalfall nicht erkennen können, lässt uns hingegen glauben, dass es so etwas wie ein Schicksal gäbe, das uns aus heiterem Himmel bestraft, dass wir einfach nur Pech haben oder dass die Welt einfach ein grausamer, ungerechter Ort ist, an dem es sinnloses und willkürliches Leid gibt. In meinem Fall habe ich gemerkt, dass ich sofort ins Fühlen kam, sobald ich den Schmerz spürte. Plötzlich wurde meine Gefühlskette deutlich sichtbar, die ich bereits mein ganzes Leben lang unterschwellig in mir trage. Sobald eine schwierige oder in diesem Fall schmerzhafte Situation zu mir kommt, habe ich zunächst den Impuls, hart und protzig zu sein. Mein Gedankengang lautet: "Ich pack das schon! das ist doch kein Thema für mich". Dann merke ich, dass ich mit der Situation hoffnungslos überfordert bin und gerate in eine Verzweiflung, die in eine tiefe Trauer und dann eine noch tiefere Wut umschlägt, bis schließlich der Hass in mir aufkocht. Wenn dies geschieht verkrampfe ich vollkommen und werde absolut handlungsunfähig, so dass ich auf nichts mehr reagieren kann. Dann kommt wieder der Trotz in mir auf und ich versuche als harter Macker alles durchzustehen. Damit beginnt der Kreislauf dann von vorne.

Der Wutabbau als durchgeführte Sanktion.

Der Wutabbau als durchgeführte Sanktion.

Gleichzeitig mit den Gefühlen kamen aber auch die Gedankenkonzepte zum Vorschein, die mich dazu veranlassen, gegen mein Sein zu handeln. Bisher hatte ich es prima geschafft, alle meine Themen weitgehend zu verdrängen und meine Konflikte daher schwelen zu lassen, so dass sie nie richtig ausbrachen aber auch nie richtig abklingen konnten. Nun brach plötzlich alles an die Oberfläche. Mit einem Mal wurde mir bewusst, auf wie vielen Ebenen ich permanent gegen mich selbst handelte. Auf der einen Seite war da dieses Gefühl, immer zu langsam zu sein, das ich ebenfalls seit meiner frühsten Kindheit in mir trage. “Wenn du in der Schule auch so langsam isst, dann wirst du verhungern, weil sie dir das Essen immer vor der Nase wegnehmen werden, weil die Pause vorbei ist, ohne dass du auch nur einen Bissen hinuntergebracht hast!” lautete einmal eine Warnung meiner Mutter. Und ja, sie hatte damit Recht. Ich weiß nicht genau wo der Ursprung lag, aber das Thema mit der Langsamkeit begleitet mich schon so lange ich denken kann. Je älter ich wurde, desto stärker wurde immer mehr das Gefühl daraus, mich beeilen zu müssen, um hinterherkommen zu können. Meine innere Natur sagt mir also ständig, dass ich chillen und alles langsam angehen soll, mein Verstand führt mich jedoch gleichzeitig in einen Hektikmodus, durch den ich immer schon beim nächsten oder übernächsten Schritt bin. Auf diese Weise bin ich nie wirklich bei der Sache und ständig unkonzentriert, weshalb mir auch immer wieder vollkommen unnötige Flüchtigkeitsfehler unterlaufen, die nicht selten schwere Folgen haben und die mich in der Natur töten würden. Das zweite Prinzip, das daraus entspringt ist das “Ich-habe-jetzt-keine-Zeit-dafür-deshalb-mache-ich-es-später-Prinzip” Ich erkenne, dass Dinge erledigt werden müssen, schiebe sie aber auf die lange Bank, weil ich glaube, dass jetzt etwas anderes wichtiger ist. Das Ergebnis ist, dass sich die unbehandelten Probleme immer mehr verschlimmern und am Ende das zehnfache an Zeit zur Behebung benötigen.

Hinzu kommen meine generelle Unaufmerksamkeit und meine Unkonzentriertheit. Ein Großteil davon wird durch einen sogenannten Hörtinnitus ausgelöst, den man oft auch leicht verniedlichend als Ohrwürmer bezeichnet. Permanent habe ich Lieder im Kopf, die wie bei einem Radio auf Dauerschleife vor sich hin dudeln. Jeder Mensch hat es hin und wieder einmal, dass ihm ein Lied nicht aus dem Kopf gehen will. Doch bei mir ist dies permanent der Fall, von morgens bis abends. Wenn ein Lied verschwindet, kommt sofort das nächste. Die einzigen Pausen die entstehen, kommen dann wenn ich entweder Gedankenschleifen im Kopf habe, die auch nicht besser sind als die Lieder, wenn ich spreche, schreibe, bewusst jemandem zuhöre, Fernsehen schaue oder schlafe. Immer dann also, wenn meine Konzentration durch etwas anderes hörbares direkt gefordert wird. Beim Einpacken meines Wagens, beim Wandern, beim Kochen und bei allen anderen Tätigkeiten, läuft das Liederchaos weiter. Teilweise spielt es sogar noch bei Gesprächen im Hintergrund weiter. Dass chronische Ohrwürmer eine neurologische Krankheit sind, von der heute immer mehr Menschen betroffen sind, war mir lange Zeit nicht bewusst.

Tatsächlich aber ist es aus phychologischer Hinsicht eine Form der Schizophrenie, die dem normalen Tinnitus nicht unähnlich ist. Aus psychosomatischer Sicht sind chronische Ohrwürmer ein Zeichen dafür, dass man nicht fokussiert ist. Sie fordern einen also dazu auf, einen klareren Fokus zu setzen und sich zu 100% auf das zu konzentrieren, was man gerade macht Sobald man beginnt, den Fokus zu verlieren und seine Arbeit nur noch halbherzig auszuführen, taucht sofort wieder der Ohrwurm auf. Und genau hierin lag mein Problem. Ich konnte einfach keinen Fokus halten. Es war, als würde mich irgendetwas oder irgendjemand ablenken, so dass ich mich nicht auf das konzentrieren kann, was gerade Priorität hat. Es fühlt sich oft so an, als würde genau in den Momenten in denen meine Aufmerksamkeit besonders wichtig ist, jemand neben mir mit dem Finger schnippsen und mich dadurch ablenken.

Hinzu kamen dann natürlich noch die ganzen unbewussten Trotzhandlungen, die ich mir in meiner Zeit als jugendlicher Rebell angeeignet hatte um auf subtiler und unsinniger Eben anzudeuten, dass ich nun doch mein eigenes Leben leben würde. Wann immer ich die Möglichkeit hatte, etwas in Unordnung zu bringen, schmutzig zu machen oder so auszuführen, dass es kompliziert, zeitfressend und störend war, nutzte ich sie. All dies führt zu einem ganzen Lagerhaus voller Patzer und Flüchtigkeitsfehler, mit denen ich mir mein Leben unnötig schwer mache. Jetzt, da alle von ihnen eine Konsequenz in Form einer Sanktionierung haben, wird mir diese Masse zum ersten Mal so richtig bewusst und dies führte erst einmal dazu, dass ich noch hektischer und unaufmerksamer wurde und gleich noch viel mehr verpatzte. Die Sanktionen wurden also von Tag zu Tag mehr und intensiver, bis sie mir irgendwann so eine Angst machten, dass ich bereits vor der Sanktionierung zu heulen begann. Doch zu den eigentlichen Patzern des Alltags kam noch ein weiteres, verstäkendes Prinzip hinzu, das ich zwar ebenfalls bereist seit langem vom Verstand her kenne, das ich aber trotzdem nie auflösen konnte. Durch das Gefühl, immer der gute, perfekte und einwandfrei funktionierende Sohn sein zu müssen, kam ich bereits als Embryo zu der Überzeugung, dass ich nur dann geliebt werde, wenn ich keine Fehler mache. Sobald ich einen Fehler mache, bin ich eine Enttäuschung für meine Eltern und später auch für jeden anderen. Ich werde verstoßen, nicht mehr geliebt und muss daher letztlich sterben. Diese Angst vor dem Tod durch Nichtgeliebtwerden führte dazu, dass ich jeden Fehler sofort wieder ungeschehen machen wollte, bevor er von jemandem bemerkt wurde. Ob die Dinge in Ordnung oder kaputt waren, war letztlich nicht so wichtig, wichtig war nur, dass es niemandem auffiel, wenn ich etwas kaputt gemacht hatte. Nach jeder unüberlegten Handlung, durch die ich also etwas kaputt machte, nahm ich mir nicht die Zeit, um mir in Ruhe eine funktionierende Lösung zu überlegen oder um jemanden um Hilfe zu bitten, der sich damit besser auskannte. Ich gerieht noch mehr in Panik und versuchte auf die Schnelle irgendeinen Blödsinn um die Sache wieder hinzubiegen, durch den ich alles noch viel schlimmer machte, bis am Ende überhaupt nichts mehr zu retten war. Es war nicht, dass ich etwas reparieren oder in Ordnung bringen wollte. Ich hatte Todesangst aufgrund des Fehlers und versuchte nun durch meine Kurzschlusshandlungen dem drohenden Tod durch Verstoßen-Werden zu entkommen. Dieses Verhalten steckte so tief in mir drin, dass ich es nicht ändern konnte, obwohl ich bereits beim Tun wusste, dass es ein Blödsinn war. Es war wie eine Sucht, ganz ähnlich wie bei einem Alkoholiker, der weiß, dass er sich mit dem Trinken umbringt und dass er damit nicht nur sich und sein Leben, sondern auch seine Familie und seine Freunde zerstört, der aber trotzdem nicht mit dem Trinken aufhören kann. Es gelingt ihm erst dann, wenn er für jeden Schluck eine deutliche Konsequenz spürt, durch die er das Leid, das er sich mit dem Alkohol zufügt direkt fühlen kann. Jeder Raucher weiß, dass er sich mit jeder Zigarette die Lunge zerstört, so dass er irgendwann nicht mehr richtig atmen kann. Doch er fühlt es nicht. Es ist eine reine Verstandesidee, die keinen direkten Bezug zu ihm hat. Irgendein berühmter Politiker, der selber auch ein leidenschaftlicher Raucher war, hat das mal auf einen knackigen Punkt gebracht: “Ein Raucher, der immer wieder über die schlimmen Folgen des Rauchens liest, hört irgendwann damit auf – zu lesen!”

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Der Satz war halb ernst und halb als Witz gemeint, aber er stimmt. Es ist genau das was passiert. Warum? Weil sich der Raucher schlecht fühlt, also eine direkte, unangenehme Konsequenz spürt, wenn er liest. Wenn er Raucht spürt er hingegen die Entspannung, die die Drogen im Zigarettenrauch verursachen. Was aber meint ihr würde passieren, wenn ein Raucher die Zerstörung seiner Lunge nicht nur als Verstandeskonzept zu lesen oder zu hören bekommt, sondern tatsächlich spürt, weil er nach jeder Zigarette einen Schlag auf den Solarplexus bekommt, so dass ihm für 30 Sekunden vor Schmerz die Luft wegbleibt? Ähnlich ist es beim Alkoholiker. Nur wenn er direkt spürt, was er sich, seinem Körper und seinem Umfeld durch seinen Alkoholismus antut, wird die Absicht, die Sucht zu beenden irgendwann so groß, dass sie den Drang nach der Flasche übersteigt. Nur dann kann er sich wirklich davon lösen. Und auf genau die gleiche Weise funktioniert auch das Auflösen der lebensfeindlichen Verhaltensmuster. Wenn ich nicht merke, dass mir etwas schadet, warum sollte ich es dann ändern? Ändern kann ich es nur, wenn ich eine Absicht dazu spüre und die wiederum kommt erst dann, wenn ich die Konsequenzen meiner Handlungen fühlen kann. Wichtig dabei zu verstehen ist jedoch, dass es nicht um ein Erziehen in Form von Belohnung und Bestrafung geht. Es geht nicht darum, jemandem ein Verhalten anzutrainieren, in dem man ihn mit Leckerlies lockt oder ihm mit Gewalt droht, so dass er am Ende zu einem funktionierenden Roboter wird, der genau das tut, was man von ihm verlangt. Es geht um das genaue Gegenteil, nämlich darum, die eigenen Sinne wieder zu erwecken, wieder ins Fühlen zu kommen und den Kontakt zur Intuition wieder herzustellen. Es geht darum dem Betroffenen die natürlichen Konsequenzen, die sein Lebensfeindliches Verhalten mit sich bringt deutlich zu machen, so dass er erkennen kann, wie er wieder zu sich selbst zurück findet. Aus diesem Grund ist es auch immens wichtig, dass die Sanktionen grundsätzlich vom eigenen höheren Selbst bestimmt werden und nicht von irgendjemand anderem. Und hier kommt wieder der kinesiologische Muskeltest ins Spiel. Wenn man einen direkten Bezug zu seiner Intuition hatte, also durch das sogenannte „Hellwissen“ mit seinem höheren Selbst verbunden war, wusste man automatisch, welche Sanktion für welches Fehlverhalten angemessen war. War man jedoch mit seinem höheren Selbst auf diese intuitive Weise verbunden, wusste man auch, welches Verhalten im Einklang mit der eigenen Seele stand und welches nicht, so dass man in den meisten Fällen nicht mehr gegen sich handelte und daher auch keine Sanktionen mehr brauchte. Solange dies jedoch nicht der Fall war, man seine Intuition also nicht wahrnehmen und damit auch nicht nutzen konnte, kann man sie über das Hilfsmittel der Muskeltests befragen. Die Muskeln sind wie bereits erwähnt direkt mit unserer Intuition verbunden und können uns daher über die vorhandene Kraft Aufschluss über die Ansagen unseres höheren Selbst geben. Um herauszufinden, welche Sanktion angemessen ist, kann man also die verschiedenen Möglichkeiten und Intensitätsstufen abfragen und darauf achten, bei welchen Vorschlägen die Muskeln Kraft haben. Dies ist dann die Sanktion, die gewählt werden sollte.

Wie selten auf das innere Kind gehört wird, ist oft erschreckend.

Wie selten auf das innere Kind gehört wird, ist oft erschreckend.

In meinem Fall stellte ich durch die Sanktionen fest, dass ich fast zu 100% gegen mich selbst handelte. Pro Tag kamen etwa 100 Vergehen dgegen mein Herz zusammen, die ich nun bereits wahrnehmen konnte. Wie viele weitere auf feineren Ebenen hinzu kamen, die ich jetzt noch nicht einmal erkennen konnte, möchte ich zur Zeit noch gar nicht wissen. Es ging also nicht darum, dass ich immer mal wieder irgendetwas vergaß, verschusselte oder verdrehte, so dass ich einen Weg zwei oder drei Mal gehen musste. Es ging vielmehr darum, warum ich dies machte. 100 Vergehen gegen mein eigenes Herz, gegen mein Gottbewusstsein, gegen mein inneres Kind. Jeden Tag! Heiko im Vergleich lag im Schnitt bei 0 Vergehen. Natürlich kam es auch bei ihm hin und wieder einmal vor, dass er gegen sein Herz handelte. Aber es waren Ausnahmesituationen, ähnlich wie es einem guten Koch auch mal passiert, dass er eine Suppe ein klein wenig versalzt oder dass er ein Gericht etwas anbrennen lässt. Doch wenn dies passiert, dann weiß er auch, dass es einen konkreten Grund dafür gab, weil ihn in diesem Moment irgendetwas abgelenkt oder beschäftigt hat. Sein ganzer Grundmechanismus und sein ganzes Bewusstsein sind ansonsten immer darauf ausgerichtet, das perfekte Essen zu erschaffen, bzw. zu 100% auf das eigene Herz zu hören. Bei mir war es hingegen andersherum. In mir gab es eine Art Fehlprogrammierung, die dafür sorgte, dass ich grundsätzlich die Suppe versalzte oder das Essen anbrennen ließ. Ich handelte also nicht ausversehen sondern automatisiert gegen mich. Die Frage war nur: Warum? Wieder einmal ging es dabei um den Bezug zu meiner Mutter. Die meisten Patzer, die ich am Tag machte, waren noch immer unbewusste Rebellionen gegen das Perfekter-Sohn-Sein-Müssen. Es waren lauter Dinge, die ganz bewusst meine Mutter nerven würden, wenn sie hier wäre: Licht brennen lassen, Orte schmutzig hinterlassen, Überplätschern beim Duschen und vielerlei mehr. Obwohl ich meine Mutter nun bereits seit 2 Jahren und sieben Monaten nicht mehr gesehen hatte und obwohl wir bereits vor über zwei Jahren den Kontakt abgebrochen hatten, verhielt ich mich noch immer so, als wäre sie permanent mit im Raum. Trotz aller Versuche, mich aus der Manipulation und den Verbiegungen zu befreien, war ich noch immer zu 100% gefangen. Ich war genau wie der Raucher, der zu 100% verstanden hatte, dass ihn die Zigaretten töten, der aber trotzdem jeden Tag weiterhin seine vier Schachteln raucht, weil er einfach nicht damit aufhören konnte. Aber wie konnte ich damit aufhören? Vielzählige Male schon habe ich geglaubt, dass ich nun endlich den Absprung geschafft habe, doch jedes Mal hat mich mein Verstand wieder aufs Neue an der Nase herumgeführt. Dieses Mal aber war es anders, da ich mich durch die Sanktionen nun nicht mehr selbst verarschen konnte. Einmal am Tag oder alle zwei Tage kam das Feedback für jeden Herzensverstoß. Und das geht nun so lange weiter, bis ich mich wirklich einmal befreit habe und ganz nach meinem Herzen leben kann. Wenn ich es nur glaube, ohne es wirklich zu tun, gibt es eben weiterhin alle 2 bis drei Tage ein Brennesselbad und Rutenhiebe, die ich dann jeweils wieder für 4 bis 5 Tage spüre. Solange ich also keine echten Fortschritte mache, werde ich das sofort zu spüren bekommen. Es gibt also nur zwei Wege, die mich da heraus führen. Entweder ich schaffe es wirklich loszulassen und meinem Herzen zu folgen, oder ich gewöhne mich besser daran, für den Rest meines Lebens eine juckende, brennende Haut und blaue Flecken zu haben. Da aber die Schmerzintensität mit der Zeit steigt, komme ich wohl doch besser irgendwann ins Lernen.

Ein wichtiger Schritt dabei ist, dass ich aufhöre, meine Mutter für das zu verurteilen, was sie mir auf meinen Lebensweg mitgegeben hat. Ich habe noch immer das Gefühl, dass sie daran Schuld ist, dass ich so ein verpeilter, verkackter Schlumpf bin. Aber stimmt das wirklich? Nein, denn zum einen ist alles eins, was bedeutet, dass meine Mutter nicht einmal existiert. Es gibt nur das Alles und dieses Alles bin ich. Ich bin also selbst meine Mutter. Anders würde es ja auch keinen Sinn machen, dass das alte Prinzip noch funktioniert, obwohl sie längst nicht mehr hier ist. Nicht meine Mutter hat mich manipuliert und von meinem Lebensweg abgebracht, sondern ich selbst. Und damit ich dabei überzeugender war, habe ich teilweise die Form meiner Mutter dafür angenommen. Wenn ich mich also befreien will, dann muss ich zunächst einmal erkennen, dass nicht meine Mutter mich ins Gesellschaftsgefängnis gesteckt hat, sondern ich. Ich selbst war und bin für alles verantwortlich, das je in meinem Leben geschen ist und somit bin auch ich derjenige, der alles wieder wandeln kann. Die Frage ist nur, wie ich dies von meinem Kopf in mein Gefühl bekomme?

Fortsetzung folgt...

Spruch des Tages: Die Gewohnheit ist ein Seil. Wir weben jeden Tag einen Faden, und schließlich können wir es nicht mehr zerreißen (Thomas Mann)

Höhenmeter: 310 m Tagesetappe: 18 km Gesamtstrecke: 16.604,27 km Wetter: sonnig und heiß Etappenziel: Zeltplatz im Wald, nahe 59021 Davydivka, Ukraine

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Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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