Tag 1238: Ein Projekt erfolgreich werden lassen

von Heiko Gärtner
12.09.2017 04:30 Uhr

25.05.2017

 

Wir hätten nicht geglaubt, dass es auch hier so sein würde, aber genau wie in den letzten Jahren ist es nun wieder so, als hätte jemand einen Schalter umgelegt, um den Sommer einzuschalten. Vorgestern war e noch grau, trübe und kalt und nun ist es so heiß und schwül, dass man es kaum aushält. Es ist natürlich bei weitem nicht so heiß, wie in Rumänien, aber dafür ist es hier feuchtwarm, was deutlich anstrengender ist, als die trockene Hitze.

Zum übernachten bekamen wir heute einen Platz in einer Methodisten-Kirche, wo wir inzwischen nahezu jedes Gemeindemitglied kennengelernt haben. Als wir schließlich Zeit für uns hatten, gingen wir heute noch einmal ein Thema durch, das uns schon seit längerem beschäftigte:

Warum geraten Dinge, die einmal ins Laufen gebracht wurden, so schnell wieder ins Stocken?

Dieses Thema begleitete uns nun schon seit langem auf mehreren Ebenen. Früher hatten wir dieses Thema mit unseren Wildniskursen und jetzt gerade ist es bei den Büchern präsent. Sie sind fertig gestellt, erfüllen unsere Ansprüche, werden von den Käufern gerne gelesen, sind hilfreich und interessant und wir bekommen fast nur positives Feedback. Und dennoch geht der Verkauf zurück und läuft immer schleppender. Das gleiche Thema haben wir auch in vielen anderen Bereichen. Es scheint ein bisschen wie ein Fluch zu sein, der verhindert, dass wir ein Projekt wirklich abschließen und uns dann einem neuen zuwenden können, weil wir uns immer und immer wieder um das alte kümmern müssen. Woran konnte das liegen? Was verhinderte, dass der Erfolg floss, so dass wir automatisch die Ressourcen bekamen, die wir brauchten, um unsere Projekte erweitern zu können und um unsere Reise auch problemlos auf anderen Kontinenten fortsetzen können? Waren hier immer noch Ängste, Schuldgefühle, Minderwertigkeitskomplexe oder ähnliches im Spiel? Hatten wir noch immer einen so negativen Bezug zu Geld, dass es einfach nicht zu uns kommen wollte? Aber warum klappte es dann in anderen Bereichen so locker? Warum flossen beispielsweise Spenden von den Menschen zu uns, die wir auf der Straße trafen? Nein, irgendwo musste etwas anderes dahinter stecken.

 

Der Abschluss ist erst der Anfang

Die Idee kam uns aufgrund eines Gefühls, dass ich bereits vor einigen Tagen in mir hatte. Es ging nicht um unsere Angst oder unsere Einstellung in Bezug auf Geld, sondern um unsere Einstellung zu den Projekten selbst. Hier hatten wir einen Denkfehler, durch den wir komplett falsch an die Sache herangingen.

Unsere Idee lautete stets: Wir wollen Projekte abschließen.

Das bedeutet im Klartext: Wir wollen eine Kiste zumachen, sie absenden und danach nie wieder etwas mit ihr zu tun haben, weil sie ja fertig ist. Aber ist dies wirklich die Art, wie man mit einem geistigen Baby umgeht?

Zum ersten Mal wurde uns heute bewusst, dass ein Erschaffungsprozess nichts damit zu tun hatten, Dinge oder Projekte zu beenden, sondern sie zu beginnen. Es ging darum, etwas ins Leben zu führen. Einen Erschaffungsprozess abzuschließen ist kein Kopfschuss, den man einem Projekt verpasst, es ist eine Geburt!

Als wir das Buch „Die natürliche Heilkraft der Bäume“ fertig gestellt haben, haben wir damit kein Projekt beendet, wie wir es selbst glaubten. Wir haben einem neuen Wesen das Leben geschenkt, das sich von nun an entwickeln darf um größer und stärker zu werden. Die Geburt eines Babys ist ja schließlich auch nicht der Abschluss einer Schwangerschaft, sondern der Beginn der Elternschaft. Niemand würde hier sagen: „Super, jetzt ist dieses Ding endlich raus aus meinem Bauch, jetzt will ich nie wieder etwas damit zu tun haben!“ Aber genau dies war unsere Einstellung unseren Projekten gegenüber. Kein Wunder also, dass es nicht so fruchten konnte, wie wir es uns gewünscht hätten. Unser Gefühl dabei war stehts: „Na super, jetzt haben wir dieses Ding schon geboren, jetzt kann es nicht einmal eigenständig laufen und sprechen! Was ist denn das für ein Scheiß! Obwohl wir jetzt schon die ganze Schwangerschaft über Energie hinein investiert haben, kommt es nun trotzdem noch nicht alleine zurecht!“

Und genau darum geht es. Das Projekt, das wir erfolgreich ins Leben gerufen haben, ist nun bereit um groß und stark zu werden. Doch dafür braucht es Pflege! Es braucht jemanden, der sich darum kümmert, der ihm zeigt, wie es seinen Weg gehen kann und worin seine Stärken liegen. Es braucht jemanden, der ihm all das beibringt, das es von sich aus als kleines, neues Projekt-Baby noch nicht kann. Vor allem aber braucht es Liebe! Es braucht also jemanden, der sich gerne darum kümmert, dem es Freude macht, Zeit mit ihm zu verbringen und es aufzupäppeln und groß zu ziehen. Es braucht jemanden, der für es da ist.

Was aber machen wir?

Negativer Bezug zur Erziehung

Wir hoffen, nichts mehr mit ihm zu tun haben zu müssen, weil wir uns bereits wieder um die nächste Geburt kümmern. Und wir sind jedes Mal genervt, wenn es doch unsere Aufmerksamkeit fordert. Wie also soll hier ein positiver Bezug entstehen? Wie soll hier etwas ins Fließen kommen?

Zunächst einmal fiel uns auf, dass wir zum Thema Pflegen, Kindererziehung und Großziehen alle ein negativ vorbelastetes Bild hatten, das wir durch die Arbeit bekommen haben. Heiko und ich waren beide für mehrere Jahre in der Kindererziehung tätig, hatten Seminare, Wildniskurse, Teamtrainings und dergleichen mehr geleitet und hatten bis heute einen faden Beigeschmack im Mund, wenn wir daran zurück dachten. Mit Kindern zu arbeiten bedeutete stets Anstrengung, Lärm, Hektik und Stress. Es bedeutete, wenig oder kaum Zeit für die eigenen Bedürfnisse zu haben, die eigenen Gefühle und Grenzen ignorieren zu müssen und dabei trotzdem zu erleben, dass der positive Einfluss, den man auf die jungen Leute hatte, verschwindend gering war. Das Kerngefühl, dass aus jener Zeit in uns hängen geblieben war lautete: „Kindererziehung raubt einem Energie und bringt am Ende doch nichts!“ Genau so sahen wir nun auch die Projektpflege an. Ein weiterer Blick in die Vergangenheit zeigte, dass sich dies nicht nur auf die Pädagogik, sondern auf all unsere Jobs bezog. Arbeit ist anstrengend und nervig, aber wenn man anschließend die Ernte einfahren will, wird dies gleich noch schlimmer!

Wenig hilfreiche Grundannahmen

Spannend ist auch, dass wir in diesem Bereich zwei vollkommen andere Grundannahmen in uns tragen. Wenn es ums Erschaffen geht lautet die Überzeugung: „Was du nicht selbst machst ist nicht gemacht!“ Niemand anderes könnte die Dinge so tun, wie wir sie tun, also muss alles von uns selbst erledigt werden. Geht es hingegen um die Ernte, haben wir das Gefühl, dass sich nun andere darum kümmern müssen. Wir mussten das Buch schreiben, aber der Verlag muss nun dafür sorgen, dass es auch jemand kauft. Und genau hier liegt einer der größten Denkfehler: Alles ist eins, es gibt also nur uns. Das heißt, niemand anderes kann überhaupt die Ernte übernehmen. Zu glauben, dass es nicht unsere Aufgabe ist, bedeutet zu glauben, dass es überhaupt nicht geschehen kann. Hiermit blockieren wir uns also gleich schon einmal von Grund auf. Denn der Punkt ist, dass es ja keinen Unterschied, zwischen dem Innen und dem Außen, dem Erschaffen und dem Ernten gibt. In dem Moment, wenn wir nicht glauben, dass andere Menschen es schaffen können, ein Projekt abzuschließen, glauben wir nicht daran, dass wir ein Projekt abschließen werden. Und dadurch, dass wir glauben, andere wären für die Ernte zuständig, geben wir die Verantwortung ab und sorgen so dafür, dass gar nicht geerntet wird. Bei Paulina hatten wir oft die Angst, dass sie nicht ins Erschaffen kommen würde. Tatsächlich richtete sich die Angst aber nicht gegen sie, sondern gegen uns selbst.

Nach und nach gelang es uns nun, die einzelnen Schichten der Angst freizulegen, die hier verborgen lag. Aus irgendeinem Grund glaubten wir, dass es weitaus besser war, einen neuen Baum zu pflanzen, als einen alten abzuernten. Denn genau das war es, was wir taten. Wir versuchten ständig neue Bäume zu pflanzen und hatten Ideen und Visionen über unendlich viele Bäume die wir noch pflanzen wollten, wenn wir diese hier einmal fertig hatten. Doch wir waren nicht bereit, einen davon zu ernten. Warum? Ihn zu pflegen, zurück zu schneiden, zu gießen, zu düngen und sogar ihm Geschichten vorzulesen um sein Wohlbefinden zu erhöhen, war für uns in Ordnung. Nur das Ernten nicht. Sobald es daran ging, kam sofort das Gefühl auf, dafür keine Zeit zu haben. Pflanzen und Pflegen ist wichtiger als Ernten! Und da wir so viel zu Pflanzen und zu Pflegen haben, ist das Ernten einfach nicht drin. Das ist zu viel. Das schaffen wir nicht auch noch. Darum sollte sich nun mal jemand anderes kümmern!

Den Erfolg richtig feiern

Plötzlich fiel uns ein weiterer Zusammenhang auf, den wir bislang nicht erkannt hatten. Ernten bedeutet Feiern. Das Ernten ist die Freude darüber, das genießen zu können, was man in die Welt gebracht hat. Es ist eine Zelebration des Lebens. Am Ende eines Erschaffungsprozesses ist das Feiern der Teil, an dem man neue Energie gewinnt und zurückblickt auf das, was erreicht wurde. Nur wenn man angemessen Feiert, kann auch ein Wachsen stattfinden, da dies der Teil ist, an dem einem noch einmal bewusst wird, was einen vorangebracht hat uns was nicht. Feiern und Erschaffen sind untrennbar miteinander verbunden. Nicht umsonst ist auch in der Bibel fest verankert, dass Gott am Ende des Schöpfungsprozesses der Erde seine Schöpfung gefeiert hat. Dies ist auch die Urbedeutung von Feiern, wie sie in allen Kulturen verankert ist. Eine Feier ist eine Danksagung, also eine Wertschätzung dessen, was erschaffen wurde. Nicht zu feiern ist, wie ein Tier zu erjagen, es dann aber nicht zu essen, wie eine Hütte zu bauen und sie dann nicht zu bewohnen. Doch genau das ist es was wir machen. Wir wollen etwas abhaken und von unserer Agenda schaffen, nehmen uns dann aber nicht die Zeit, es zu feiern, zu ehren und zu genießen. Die Frage ist nur: Warum zur Hölle machen wir das?

Die Antwort ist einfach: Weil wir Feiern von Grund auf mit etwas Negativem assoziieren. Seit Beginn dieser Lebensgeschichte haben wir Filme vorgespielt bekommen, die das Feiern als etwas Abstoßendes, Grauenhaftes darstellten, das man auf jeden Fall vermeiden sollte. Feiern weckt daher sofort die Assoziationen mit den Schauspiel-Ichs, die wir zwar nie waren, die aber irgendwo noch immer als Gedankengang in uns fest stecken und uns in Punkten wie diesem beeinflussen.

Zunächst fiel es uns nicht auf, weil wir das Feiern bewusst gar nicht als so negativ empfunden haben. Irgendwo hat es ja auch Spaß gemacht und man denkt ja gerne daran zurück. Oder etwa nicht? Wenn wir ehrlich sind, waren die meisten Erfahrungen doch nicht so schön, wie wir im ersten Moment dachten. Und tatsächlich gab es ja irgendwann einmal einen Punkt in unserem Leben, in dem wir damit einfach aufgehört haben, zu feiern, Party zu machen, wegzugehen und um die Häuser zu ziehen. Wenn es doch so toll war, warum haben wir das dann gemacht?

Wenn man genauer hinschaut dann erblickt man unter der fröhlichen, geselligen und lustigen Oberfläche des Gesellschaftsfeierns nahezu nichts mehr, das einem den spaß daran nicht für immer nimmt.

Negative Assoziationen mit Feiern

Feiern bedeutet für uns zunächst einmal Ablenkung. Es ist nicht das genussvolle Finale eines schöpferischen Prozesses, der uns von der ersten bis zur letzten Sekunde Kraft gibt, uns Inspiriert, uns heilt und energetisiert. Es ist der Ausgleich, oder besser gesagt die Flucht vor einem unbefriedigenden, zerstörerischen, auslaugenden und energieraubenden Alltag. Die Arbeit macht uns fertig, deswegen brauchen wir danach erst einmal etwas, das uns den nötigen Abstand gibt und dass uns den Arbeitsstress vergessen lässt. Es ist nicht das Finale des Erschaffens, sondern ein Gegenpol dazu. Es ist eine Art Rettungsinsel: „Ich muss nur noch bis Freitag Nachmittag durchhalten, dann kann ich endlich wieder feiern und den ganzen Scheiß hier vergessen!“ Das bedeutet aber auch, dass uns feiern grundsätzlich von unserem Weg abbringt. Es nimmt den Fokus von dem wo wir eigentlich hinwollen und bringt uns Zerstreuung. Es geht nicht darum, zu genießen, die Sinne zu öffnen und zu spüren, was der Erfolg unseres Erschaffens ist, es geht darum, zu übertönen, zu vergessen und nicht wahrzunehmen, dass wir uns gar nicht auf dem Weg befinden. Es geht darum, die Gefühle, die da sind und die uns zur wahren Freude führen wollen, zu betäuben und auszuschalten. Das Feiern ist eigentlich ein regenerativer Prozess.

Wenn eine Löwin eine Gazelle gejagt hat, dann war die Jagd selbst ein Prozess, der viel Energie verbraucht hat. Er war nicht schädlich, sondern wichtig für die Löwin, um in Form bleiben zu können, aber er verlangt dem Körper einiges an Kraft ab. Das Feiern im Anschluss besteht daher für Sie aus dem Festmal des frischen Fleisches und aus einem ausgedehnten Mittagsschlaf im Schatten, wodurch sie ihre Energiereserven wieder füllen kann. Bei uns ist Feiern aber immer ebenfalls ein kräftezehrendes Ereignis. Wir begeben uns an Orte, an denen es laut, bunt und grell ist und sorgen dafür, dass unser Adrenalinspiegel oben bleibt. Zur Ruhe zu kommen hat für uns niemals etwas mit Feiern zu tun. Jedenfalls nicht im positiven Sinne.

Fortsetzung folgt...

 

 

Spruch des Tages: Ein Projektabschluss ist wie eine Geburt.

Höhenmeter: 290 m

Tagesetappe: 29 km

Gesamtstrecke: 22.670,27 km

Wetter: heiß, schwül und sonnig

Etappenziel: Klarissen-Kloster, SY12 0PA Ellesmere, England

Hier könnt ihr uns und unser Projekt unterstützen. Vielen Dank an alle Helfer!
Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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