Tag 951: Mein erster Nichtgeburtstag

von Heiko Gärtner
02.09.2016 02:23 Uhr

25.07.2016

Heute wäre eigentlich mein Geburtstag gewesen, doch als Franz von Bujor hatte dieser Tag nun keine Bedeutung mehr. Auch dies hatten wir zuvor noch einmal explizit ausgetestet. Der 25.07. war der Geburtstag von Tobias Krüger gewesen. Mit seinem Ende endete das Feiern dieses Tages. Bereits vor vielen Jahren hatte ich in einem Bericht über die Aborigines erfahren, dass diese unsere Angewohnheit, den Geburtstag zu feiern, als sehr abstrakt und sonderbar empfanden. Warum sollte man Feiern, dass man ein Jahr älter wurde, wenn sich durch diesen Tag doch ansonsten nicht das geringste änderte. War es wirklich eine Leistung, die man feiern musste, dass man es geschafft hatte, ein weiteres Jahr zu überleben? In ihren Traditionen feierte man nicht den Geburtstag, sondern stets den Beginn eines neuen Lebensabschnittest. Wenn ein Mensch also einen Schritt auf seinem Lebensweg geschafft hatte, dann wurde für ihn eine Feier veranstaltet. Und meist bekam er dann auch einen neuen Namen. Meine Lebensschnitt-Feier hatte ich also bereits vor einigen Tagen in Form des Riutals erlebt.

Nachdem ich an meinen letzten beiden Weltreisegeburtstagen immer ein sonderbares Gefühl hatte, weil durch den Ehrentag automatisch die Erwartungshaltung entstand, dass irgendetwas besonderes passieren musste, empfand ich es heute sogar als sehr erleichternd, meinen Geburtstag nicht als Geburtstag ansehen zu müssen. Es gab nur wenige Momente, in denen der Gedanke "Oh, heute ist dein Geburtstag" durch meinen Kopf flackerte und dann fühlte es sich schon etwas seltsam an. Auch etwas seltsam war das Gefühl, dass ich bis zum Mittag nur eine einzige Gratulations-SMS bekam, die von Heikos Eltern stammte. Obwohl ich zu diesem Zeitpunkt noch niemandem von meiner Entscheidung, keinen Kontakt zu meinem früheen Leben mehr zu pflegen erzählt hatte, war dies offenbar trotzdem bereits angekommen. Später bekam ich dann noch eine SMS von meiner Schwester, eine von einer alten Freundin und eine von meiner Tante. Ein Freund schrieb per Mail, einige weitere bei Facebook. Die meisten Facebook-Nachrichten, die ich jedoch bekam, stammten von Leuten, die ich noch nie persönlich gesehen hatte. Irgendwie ist unsere Welt in diesem Bereich schon etwas abstrackt geworden.

Kurz nach dem Start unserer Wanderung wurden wir von der Besitzerin eines kleinen Cafés auf ein Frühstück eingeladen. Ein kleines Geburtstagsgeschenk bekam ich damit also doch. Und gleichzeitig zeigte es auch, dass es trotz des Touristenrummels noch immer einige herzliche Menschen hier gab. Davon abgesehn verlief der Tag jedoch fast genau wie der vorherige. Wir wanderten durch ein endloses, langgezogenes Tal, das eigentlich wunderschön hätte sein können, wenn es nicht so unglaublich verbaut gewesen wäre. Die Hitze wurde gegen Mittag hin fast unerträglich. Wieder brauchten wir weit mehr als eine Stunde, um einen Schlafplatz zu finden, der auch nur halbwegs erträglich schien. Doch kaum hatten wir unser Zelt aufgebaut, verwandelte sich der kleine Schotterweg neben unserer Wiese in eine Hauptstraße für Motorradfahrer und Forst-LKWs. Es dauerte eine Weile, bis wir erkannten, dass es sich dabei nicht um viele Fahrzeuge, sondern immer wieder um die gleichen handelte, die immer hin und her fuhren. Warum der Motorradfahrer dies tat, blieb uns ein Rätsel. Was die LKWs anbelangte, erkannten wir nach kurzer Zeit ein Muster. Die einen brachten das Holz von den Wäldern bis an die Straße und legten es dort ab. Dann kamen andere LKWs, die komplett baugleich waren und sammelten alles wieder ein.

Um das Klangkonzert der Störgeräusche perfekt zu machen, tauchte dann noch eine Kuherde auf unserer Wiese auf, von der eine Kuh mit einer Glocke behangen war, die regelrecht in den Ohren schmerzte. Um uns überhaupt auch nur ein bisschen konzentrieren zu können, mussten wir diese Kuh wieder loswerden. Für eine gute viertelstunde führte sie uns an der Nase herum und wich uns immer wieder so geschikt aus, dass sie direkt zu unserem Zelt zurückkehren konnte. Dann gelang es uns, sie auf eine Nebenwiese zu treiben und das Gatter zu verschließen, so dass wir sie vom Zelt aus nicht mehr hören konnten.

Spruch des Tages: Viel Glück zum Nichtgeburtstag...

Höhenmeter: 64 m Tagesetappe: 28 km Gesamtstrecke: 17.116,27 km Wetter: sonnig und heiß Etappenziel: Jugendherberge, 4320 Nagykallo, Ungarn

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

Schreibe einen Kommentar:

Speichere Namen, Email und Webseite im Browser fur zukunftige kommentare