Kurzurlaub in Metz - Ein Erfahrungsbericht
21.11.2017
Die Stadt Metz markiert in unserer Erinnerung einen wichtigen Wendepunkt zu Beginn unserer Reise. Sie war unser erstes großes Etappenziel auf dem Weg nach Santiago und außerdem die erste große Stadt im Ausland, in der wir uns irgendwie orientieren mussten.
Wenn wir in unseren Erinnerungen zurückkehren, dann verbinden wir mit unserem Aufenthalt in dieser Stadt die Begegnung mit einer unwahrscheinlich hübschen und sympathischen Frau an einer Bushaltestelle, einen vollkommen misslungenen Versuch, eine Privatadresse in der Innenstadt zu finden, mit nichts als der Karte, die sich in unserem Jakobsführer befand, ein unerwartetes Wiedersehen mit alten Bekannten, die wir einige Tage zuvor beim Besuch einer ebenso chaotischen wie herzlichen Jägersfamilie kennengelernt hatten, eine unverhoffte Pause bei McDonnalds, eine wilde Autofahrt, bei der uns der Weg an unser Ziel gezeigt wurde, eine Wanderung, bei der wir weit nach Einbruch der Dunkelheit das Apartment von Adrian, unserem Gastgeber erreichten, ein erholsames und stärkendes Abendessen und eine witzige, informative und interessante Stadtführung unseres Gastgebers, bei der er uns mit einem Car-Sharing-Wagen von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten gebracht hat.
Ich erinnere mich auch noch an Fußschmerzen, die dazu führten, dass ich kaum Laufen konnte, aber dennoch sind all diese Erinnerungen Grund-positiv. (Wenn ihr mehr darüber wissen wollt, könnt ihr euch dazu ja noch einmal unseren Tagesbericht von Tag 32 ansehen.)
Metz zu besuchen war anstrengend gewesen, aber es war ein Erlebnis, das man nicht missen sollte. Alles in allem, war uns die Stadt dabei zudem sehr schön erschienen und hatte später noch oft als Gegenpol fungiert um festzustellen, dass andere Städte eher hässlich waren. „Vergleich das hier mal mit Metz und Nancy! – Das sind ja Welten!“ war beispielsweise ein beliebtes Kommentar geworden, wenn wir eine unangenehme Großstadt erreichten.
Heute sollten wir nun wieder unsere Füße und Räder über die Schwellen der Stadtgrenze setzen, doch dieses Mal zeigte sich die Metropole von einem ganz anderen Licht. Obwohl wir bis zum Schluss auf einem Fahrradweg wandern durften, der an sich sehr schön gewesen wäre, wurde die Wanderung vom permanenten Autobahnlärm überschattet, der so stark war, dass uns fragten, wie wir ihn beim ersten Mal hatten überhören können. Auch in der Stadt selbst waren die Autos und Trucks die rund fünfhundert Meter entfernt vorbeirauschten permanent präsent.
Ohne ein festes Ziel und ohne eine Verabredung schien es zudem unmöglich und auch nicht allzu erstrebenswert, hier einen Schlafplatz zu finden. Und ohne unseren Stadtführer waren wir gezwungen, die Wege zwischen den einzelnen Sehenswürdigkeiten zu laufen, wodurch wir einige Seiten der Stadt zu Gesicht bekamen, die ganz und gar nicht mehr schön und angenehm waren.
Es dauerte kaum zehn Minuten, bis wir vor uns selbst zugeben mussten: Metz war eine ganz normale Großstadt in Autobahn Nähe, mit allen dazugehörigen Vor- und Nachteilen. Es gab hier nichts, weshalb wir hier bleiben wollen würden. In unserer Erinnerung hatten wir diese ganze Gegend also offenbar stark romantisiert. Oder jetzt gerade lagen wir einer äußerst unromantischen Wirklichkeits-Verzerrung auf, die mal wieder das Gedankenmuster von „alles ist schlecht“ stärken sollte.
Einen kleinen Stadtrundgang sowie eine Pizza-Pause ließen wir uns dennoch nicht nehmen, bevor wir uns wieder an die Weiterreise machten. Leider wurde die Geräuschkulisse nicht besser.
Die Autobahn entfernte sich bis auf sieben Kilometer von uns, ohne dabei merklich leiser zu werden. Kurioserweise tauchte nach einer knappen Stunde eine weitere Autobahn auf, die unseren Weg kreuzte, die wir jedoch auch 100m Meter vor der Unterführung kaum hören konnten. Es war also ganz offensichtlich möglich, leise Autobahnen zu bauen. Fragte sich nur, warum man sich hier so vehement dagegen entschieden hatte.
Wie bereits beim ersten Besuch der Stadt dauerte es auch heute wieder bis zum Abend, ehe wir eine Übernachtungsmöglichkeit fanden. Dieses Mal durften wir im Haus eines Pfarrers in einem kleinen, industriell geprägten Vorort nächtigen, der durch eine Hügelkuppe leicht vom Autobahnlärm abgeschottet wurde.
Unser Gastgeber wurde uns von der Frau im Rathaus als eine Art Hausmeister angekündigt, der im Pfarrhaus lebt, wenn der Pfarrer nicht da ist. Als wir den Mann kennenlernten, stellten wir jedoch fest, dass er selbst Pfarrer war.
Die Bemerkung der Sekretärin war offenbar nicht informativer, sondern viel mehr rassistischer Natur gewesen, denn der Pfarrer stammte aus dem afrikanischen Staat Togo. Es stimmte, dass es noch einen weiteren Hauptpfarrer gab, der für die ganze Region zuständig war, aber der junge Afrikaner war nun hier für das Dorf zuständig, offenbar wollte die Rathausmitarbeiterin diesen Umstand noch nicht akzeptieren und beharrte weiterhin auf ihren alten, gewohnten und vor allem einheimischen Pfarrer.
Der junge Togoaner hatte es nicht leicht, wie man aus seinen Erzählungen heraushörte. Nicht nur, dass es schwer war, von den Einheimischen anerkannt zu werden, er selbst konnte sie auch nicht wirklich verstehen.
„Nach meiner ersten Messe dachte ich, ich sei kaputt und hätte mein Handwerk verlernt!“, erzählte er, „Normalerweise konnte ich immer erstklassige Messen führen, die die Menschen mitrissen und begeisterten.
Es war normal, dass man beim Gottesdienst in Tränen oder Jubelschreie ausbrach und jeder fieberte bei den Gebeten und Gesängen mit um die Verbindung zu Gott und Jesus tief zu spüren. Hier hingegen ist es, als hielte man einen Vortrag vor einer Leichenhalle.
Die meisten Menschen schauen einen nicht einmal richtig an, sondern starren zu Boden, zählen die Dielenbretter an der Decke oder lesen irgendwelche Schriftzeichen die sie im Kircheninneren entdecken.“
Heiko und ich mussten lachen. „Ja!“ sagte ich, „das ist das normale Verhalten vorn Europäern in der Kirche, das wirst du kaum verhindern können!“
Er lachte auch und meinte:. „Ja, inzwischen habe ich das auch verstanden und mache mir keinen Kopf mehr deswegen, aber die erste Male war es wirklich ein Schock!“
Spruch des Tages: Besuche niemals einen Ort zweimal, denn das frustriert nur.
Höhenmeter 36m / 17m / 80m / 10m
Tagesetappe: 15km / 17km / 16km / 15km
Gesamtstrecke: 27.809,27km
Etappenziel 1: Evangelisches Gemeindehaus, Bov, Dänemark
Etappenziel 2: Gemeindehaus der Kirche, Tnglev, Dänemark
Etappenziel 3: Gemeindehaus der Kirche, Uge, Dänemark
Etappenziel 4: Gemeindehaus der Kirche, Hjordkaer, Dänemark