Tag 1580 bis 1583: Das Jagdschloss zu Sögel

von Heiko Gärtner
28.07.2018 07:12 Uhr

12.01.2018

Heute erreichten wir einen Ort namens Sögel, der vor allem für sein Jagdschloss und den dazugehörigen Schlosspark bekannt ist. Vor rund dreihundert Jahren als das Emsland noch nahezu unbewohnt war, kam Clemens August, Kurfürst und Erzbischof von Köln, der zeitgleich auch noch Kurfürst von Hannover, Hildesheim und einigen weiteren Fürstentümern war, immer wieder zum Jagen in diese Gegend. Damals bot sich das auch an, denn heute kann man wahrscheinlich vor allem Jagd auf Hunde oder Autos machen, wobei ersteres aufgrund der Leinenpflicht nicht besonders fair und sportlich wäre.

Der alte Schlossteich in Sögel

Der alte Schlossteich in Sögel

Doch vor dreihundert Jahren gab es hier noch echte Wildnis und somit auch einen großen Wildbestand, den man bejagen konnte, ohne dabei ausversehen überfahren zu werden. Einige Jahre lang machte der Kurfürst das auf die Rustikale und eher primitive Weise und lebte während der Jagdzeit in Zelten oder improvisierten Hütten. Aber auf Dauer ist das natürlich kein Zustand für einen Fürsten, erst recht nicht, wenn er das Wort „Kur“ schon im Namen trägt. Also musste ein Unterschlupf her, der der Natur eines Hochadeligen eher entsprach. Und dies war nun einmal ein Schloss.

Das historische Jagdschloss zu Sögel in Nordwestdeutschland

Das historische Jagdschloss zu Sögel in Nordwestdeutschland

Da man nun schon einmal dabei war, legte man gleich noch einen großzügigen und äußerst beeindruckenden französischen Park um das Schloss an, einen jener Parks, die auf den Milimeter genau durchgeplant werden und einer strengen Symmetrie folgen.

Reliquien in der Schlosskirche

Reliquien in der Schlosskirche

Dies war möglicherweise auch gleich mit einer Jagdstrategie verbunden, denn das besondere an diesen Parkanlagen ist ja, dass es immer wieder Punkte gibt, an denen man ewig weit geradeaus schauen kann, ohne dass ein Hindernis im Weg ist. Man hatte also vom Schloss aus in mehrere Richtungen ein ideales Schussfeld, in dem sich die Tiere aber trotzdem nicht weit aus dem Unterholz heraustrauen mussten und daher sicher fühlten.

Der Altar der Schlosskirche

Der Altar der Schlosskirche

Die Schlosskirche

Die Schlosskirche

Heute finden hier natürlich keine Jagten mehr statt und es kommen auch keine Kurfürsten mit Gesellschaft mehr vorbei. Das Schloss selbst, das eher ein Schlösschen als ein richtiger Palast ist, beherbergt ein Museum. Die umstehenden Pavillons werden für verschiedene andere Zwecke genutzt. Gemeinsam bilden Schloss, Wege und Pavillons übrigens ein sehr ästhetisches, sternartiges Gebilde, das man leider nur aus der Luft so richtig erkennen kann. Dies weckte in uns die Frage, warum gerade aus der Zeit vor der Erfindung von Flugzeugen und anderen Flugmaschinen so viele Gebäude stammen, die aus der Luft ihre ganze Schönheit entfalten. Heute wo wir den Luftraum erobert haben, achtet kaum jemand mehr darauf. Das ist doch komisch, oder?

Der barocke Schlossgarten aus der Vogelperspektive

Der barocke Schlossgarten aus der Vogelperspektive

Besonders interessant war für uns jedoch der Teil der Schlossanlage, der früher einmal der Pferdestall gewesen war, denn dieser beherbergte heute die Jugendbildungsstätte Marstall Clemenswerth, in der wir mit dem Geschäftsleiter verabredet waren. Bereits am Vorabend hatten wir einen Termin ausgemacht und eine Zusage für zwei gemütliche Zimmer bekommen. Außerdem wurden wir nun noch mit einem Mittagessen versorgt. Anschließend setzten wir uns mit Christian, dem Geschäftsleiter auf einen Tee zusammen. Er erzählte uns unter anderem, dass dieser Teil von Niedersachsen noch bis vor wenigen Jahren als „Armenhaus von Europa“ bezeichnet wurde, weil es hier nichts gab als ein paar vereinsamte Hütten von erfolglosen Landwirten. Heute hingegen ist das Gebiet zu einem der wirtschaftsstärksten in Deutschland geworden und steht ungefähr auf einer Höhe mit Bayern. Nur ohne Berge. Ob die Entwicklung aber wirklich so positiv war, bin ich mir nicht sicher, denn die Industrialisierung brachte natürlich auch den ganzen Lärm mit, der uns nun schon seit Tagen fast permanent begleitet. Ob uns da ein paar Bauernhöfe inmitten riesiger Wälder nicht lieber gewesen wären?

Eine durchwegs positive Entwicklung ist hingegen die Entstehung eines neuen Pilgerweges, der sich vor ein paar Jahren hier etabliert hat. Er trägt den Namen Hümmlinger Pilgerweg und ist als ein Rundweg angelegt, der viele der kleinen aber historisch bedeutsamen Ortschaften miteinander verbindet und dabei stets den schönsten, ruhigsten und natürlichsten Weg sucht. Morgen werden wir ein Stück auf diesem Weg gehen, dann können wir euch mehr darüber erzählen.

DIe alten Stallungen sind heute eine Jugendbildungsstätte

DIe alten Stallungen sind heute eine Jugendbildungsstätte

Spruch des Tages: Was ein echter Kur-Fürst ist, braucht auch ein echtes Schloss!

 

Höhenmeter 330m / 190m / 320m / 210m

Tagesetappe: 34km / 18km / 34km / 22km

Gesamtstrecke: 29.563,27km

Wetter: Überwiegend sonnig, Schneeschmelze bricht herein, viele Wege noch unpassierbar aufgrund der Schneemassen

Etappenziel Tag 1580: Gästehütte im Skizentrum, Alen, Norwegen

Etappenziel Tag 1581: Aufenthaltsraum der Friedhofsarbeiter, Haltdalen, Norwegen

Etappenziel Tag 1582: Private Ferienhütte auf dem Bauernhof, Singsas, Norwegen

Etappenziel Tag 1583: Bürogebäude einer Speditionsfirma, Stören, Norwegen

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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