Tag 1208: Eliteschulen

von Heiko Gärtner
28.07.2017 07:55 Uhr

21.04.2017

Heute konnten wir der Küste nun vorerst wieder den Rücken zuwenden und uns ins Landesinnere zurückziehen. Es reichten bereits ein paar Meter in die Dünen hinein und schon befanden wir uns wieder in einer vollkommen neuen Welt. Wir wanderten durch grüne Wiesen und entlang kleiner, einsamer Straßen, die nicht den Anschein machten, als würden sie ein paar Kilometer weiter ins Getümmel der Uferstädte führen. Nur der Fluglärm zerstörte die Idylle noch immer, denn die Flieger flogen hier etwa im Vierminutentakt über unsere Köpfe hinweg.

Für einen großen Teil unserer Strecke gab es keine Straßen sondern nur die Trampelpfade und kleinere Feldwege. Landschaftlich waren beide wunderschön gelegen, aber mit unseren Wagen waren sie leider kaum passierbar. Mehrere Male mussten wir unser Gepäck über Zäune, Gatter und Brücken hieven, ehe wir wieder festen Boden unter den Füßen hatten.

Wenig später mussten wir dann noch ein weiteres Mal eine Hauptstraße kreuzen und etwa 400m an ihr entlang wandern. Es war keine große Straße sondern eine ganz gewöhnliche Landstraße und doch war sie stärker befahren als manche Autobahn in Deutschland. Heiko zählte mit. Von dem Punkt an, an dem wir die Straße betraten bis zu dem Moment an dem wir sie nach 400m wieder verließen waren es genau 101 Auto, das an uns vorüber fuhr. Wo kamen all diese Leute her und wo wollten sie hin, wenn es doch in beide Richtungen nur winzige Dörfer gab?

Zum Übernachten kehrten wir heute wieder zu unserer alten Englischen Tradition zurück und bauten unser Lager in einer 1000 jährigen Kirche in einem winzigen Ort auf. Es ist unsere rustikalste Kirche bislang, denn wir haben weder ein Klo noch einen Wasserhahn. Dafür bekamen wir aber von unserem Pfarrer zwei riesige Tüten mit Essen und gerade vor einer Minute kam der Kirchenverwalter und drehte uns die Heizung an, damit wir nicht die ganze Nacht durchfrieren müssen.

22.04.2017: Wie in Hogwarts

Ich weiß, wir haben Harry Potter in den letzten Tagen schon einige Male erwähnt, aber heute git es noch einmal wieder einen ganz besonderen Anlass dafür. Auf unserem Weg kamen wir zufällig mitten durch eine Privatschule, die der Schule aus den Zauberbüchern erstaunlich ähnlich war. Es war kein Schloss wie bei Harry Potter und es gab auch keine fliegenden Hexen und Zauberer, die über unseren Köpfen schwebten. Aber das waren dann auch schon so ziemlich alle Unterschiede. Selbst das Wappen der Schule ähnelte dem von Hogwarts und es setzte sich genau wie in den Büchern aus mehreren Einzelwappen zusammen, die jeweils für ein Haus innerhalb der Schulgemeinde standen. Das Internat war ein weitläufiger Komplex, der sich über eine Strecke von fast vier Kilometern erstreckte und aus verschiedenen Einzelgebäuden bestand. Die meisten von ihren waren mittelalterliche Bauten, wie gesagt, keine Schlösser, aber Villen und Gutshäuser.

Unten im Tal gab es keinen Quidditch-Platz, aber ein astrein gepflegtes Areal für Cricket, Tennis und Polo. Dahinter befanden sich die Häuser für die Lehrer und seitlich die Wohnanlagen für die Schüler. Das Haupthaus ähnelte dem Schulgebäude von X-Men und es war klar, dass man hier nicht zur Schule gehen konnte, wenn man keine betuchten und einflussreichen Eltern hatte. Wer solche Schulen in seiner Umgebung hatte, brauchte nicht viel Phantasie um sich Hogwarts auszudenken. Hier wurden natürlich keine Zauberer ausgebildet, dafür aber die Elite, die unsere Welt regiert. Das Konzept dahinter war genial. Man erschuf einen Ort, der so speziell war, dass jeder dort zur Schule gehen wollte. Dann sorgte man dafür, dass nur wenige wirklich in den Genuss kamen und achtete darauf, dass diese Grundsätzlich die besten Positionen in unserem Wirtschaftssystem bekamen. Und schon konnte man alles Kontrollieren. Man bestimmte wer an die Macht kam und man bestimmte, was er für eine Weltsicht hatte, indem man ihn genau nach den eigenen Vorstellungen ausbildete.

Bislang war all dies für uns nur eine Theorie, aber jetzt vor einem solchen Elite-Lernzentrum zu stehen, zeigte noch einmal deutlich, dass es keine Hirngespinste waren.

Spruch des Tages: Hier entsteht also die Elite von morgen

 

Höhenmeter: 55 m

Tagesetappe: 16 km

Gesamtstrecke: 22.163,27 km

Wetter: heiter bis wolkig und windig

Etappenziel: Kirche, GU28 0NB East Lavington, England

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Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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