Die Geheimnisse von Fatima

von Franz Bujor
12.07.2014 02:50 Uhr

Gestern war es schon so heiß, dass der Asphalt vor sich hinschmolz, doch heute war es noch einmal bedeutend heißer. Bereits als wir aufbrachen hatte die Temperatur den höchsten Wert vom Vortag erreicht. Es war also schon nach wenigen Metern klar, dass dies ein anstrengender Tag werden würde. Doch zunächst wurden wir von einem kleinen Freund auf unserer Wanderung unterbrochen. Es war ein Naßhornkäfer. Ob er wirklich so heißt weiß ich nicht, aber er sah auf jeden Fall so aus. Der kleine Kerl zählt zu den stärksten Tieren der Welt und kann mit seiner Nase unvorstellbare Gewichte stemmen. Würden wir umgerechnet auf unsere Körpergröße das gleiche leisten wollen, dann müssten wir mit nur einer Hand eine Boing 747 anheben.

Das Vorhaben, was sich Heiko in den Kopf gesetzt hatte, war zwar nicht ganz so schwer, beinhaltete aber auch seine Tücken. Er wollte den kleinen Krabbelfreund fotografieren, was vor allem deshalb schwierig war, weil der kleine Käfer ununterbrochen krabbelte. Mir als Fotografenassistent fiel dabei die Aufgabe zu, den Sechsbeiner davon abzuhalten, was in 99% der Fälle absolut misslang.

Als wir schließlich weiterzogen, hatte sich die Straße noch mehr aufgeheizt. Unser Weg führte uns auch heute wieder durch eine schöne aber karge Landschaft, in der es so gut wie keinen Schatten gab. Auch mit Infrastrukturen sah es äußerst schlecht aus. Es gab weder Bars, noch Cafés, Restaurants oder Supermärkte, die uns mit frischem Wasser oder einer Wegstärkung versorgen konnten. Jedenfalls nicht bis zum Mittag. Gegen zwölf Uhr trafen wir auf zwei Kanadier, die in der Früh aus Fátima aufgebrochen waren. Von dort aus wanderten sie nun nach Santiago. Auf die Frage, wie weit es noch bis nach Fátima war, konnten sie leider keine genaue Auskunft geben. Etwa drei Stunden, vielleicht auch vier. Für uns aber sicher nur zwei.

Um 13:00 Uhr kamen wir zum ersten Mal in einen Ort, mit einem kleinen Tante-Emma-Laden, der uns mit neuem Wasser und einigen Zutaten für einen Salat versorgte. Gesunde Ernährung aufzutreiben funktionierte in letzter Zeit wirklich gut.

Doch keine 100 Meter nach Verlassen unseres Pausenplatzes kam dann die erste große Ernüchterung des Tages. Mein Hüftgurt riss an der linken Seite, so dass ich meinen Wagen nicht mehr daran aufhängen konnte. Wir haben noch einen Ersatz, doch der war tief unten in den Packsäcken vergraben. Wäre das Unglück 100m vor und nicht nach der Pause passiert, dann wäre es ein leichtes gewesen, die Gurte zu vertauschen. Doch jetzt hatten wir es bereits nach drei Uhr, die Strecke bis nach Fátima lag mit unbekannter Länge vor uns und die Reparatur hätte mindestens eine weitere Stunde in Anspruch genommen. Also entschied ich mich dazu, den Wagen für den Rest des Tages mit der Hand zu ziehen. Das ist im Nachhinein betrachtet doch deutlich nerviger und anstrengender als ich geglaubt hätte. Vor allem, wo mir durch die Allergie ständig die Nase lief, die ich aber nicht putzen konnte, weil ich ja meinen Wagen halten musste.

Der Weg nach Fátima zog sich wie ein alter Kaugummi, der zu lange in der Mittagshitze gelegen hatte. Man konnte Santiago vorwerfen was man wollte, aber nicht, dass es seine Pilger nicht ausgiebig mit Informationen versorgt hätte. Man wusste zum Teil auf den Meter genau, wie weit es noch bis zur Kathedrale war. Es hatte jede Menge Möglichkeiten zum Nahrungsbetanken gegeben und der Weg war so gut ausgeschildert, dass man ihn blind und rückwärts auf einem Bein hüpfend hätte finden können. Hier war es an vielen Stellen noch auf den letzten Metern eine Schnitzeljagd, bei der man weit mehr seiner Intuition als den Wegweisern vertrauen musste. Angaben über die Entfernung gab es keine einzige. Weder auf den Wanderzeichen, noch auf den Straßenschildern. ‚Fátima da lang!’ war alles was hier gesagt wurde. Wenn man Glück hatte. Oftmals gab es nur ein kleines verstecktes ‚F.’ an einer Straßenlaterne.

Hinzu kam, dass das Gelände immer hügeliger wurde. Wir überquerten einen Kamm nach dem nächsten und hofften jedes Mal nun endlich die Dächer der Kathedrale zu sehen. Doch nichts dergleichen passierte. Schließlich beschlossen wir, uns nach der nächsten Hügelkette einen Schlafplatz zu suchen, ganz gleich, ob wir dort in Fátima waren oder nicht. Diesmal aber hatten wir Glück. Wir sahen zwar noch immer keine Basilika oder Kathedrale, aber das Ortseingangsschild sagte uns, dass wir den Wallfahrtsort erreicht hatten. Zunächst waren wir etwas endtäuscht, da wir nur die gleichen alten und leerstehenden Gebäude sehen konnten, die wir auch aus den Orten davor bereits kannten. Doch dann sahen wir einen Kirchturm mit einem goldenen Etwas an der Spitze. Es wirkte nicht spektakulär, konnte aber die besagte Kirche sein, von der hier alle sprachen.

Kurz darauf betraten wir den Kirchenvorplatz. Es war ein riesiger Platz, der eher an ein militärisches Aufmarschgelände als an einen heiligen Ort der inneren Einkehr erinnerte. Die Basilika selbst stand zur linken Seite. Ihr gegenüber lag das neuerrichtete Zentrum des Papstes Paul VI, ein recht modernes Gebäude, dessen Zweck wir nicht ausmachen konnten. Energetisch betrachtet war der Ort eine Katastrophe. Es hingen zwar überall Schilder, die einem das laute Sprechen verboten, damit man die stillen Gebete der anderen nicht störte, aber darüber hinaus gab es hier nichts, dass irgendwie an eine Begegnung mit Gott glauben ließ. Das Aufmarschgelände in Nürnberg, das seinerzeit von Adolf Hitler gebaut worden war, wirkte weniger machtorientiert als dieses Gelände. Während ich mich auf die Suche nach einem geeigneten Schlafpatz machte, lernte Heiko auf dem Platz einen Mann namens Martin kennen. Er stammte auf Polen, reiste aber nun bereits seit 12 Jahren auf allen heiligen Wegen Europas hin und her. In der Zeit hatte er sich den vielleicht längsten Pilgerpass der Welt ausstellen lassen. Darüber hinaus hatte er sieben Sprachen gelernt, die er alle fließend beherrschte. Die Frage: „Wo warst du schon überall?“ beantwortete er mit der folgenden Aufforderung: „Frag lieber, wo ich noch nicht war!“ Er hatte Recht das ging wirklich deutlich schneller: Rumänien, Großbritannien und Griechenland. Sonst hatte er in Europa so ziemlich alles gesehen. Später erzählte er uns von einer Tradition in Fátima, die wir am Abend sogar noch selbst beobachten konnten. Wer sich hier Heilung versprach, der legte rund 500 Meter bis zum Eingang der Basilika auf den Knien zurück. Als Tourist machte man das in der Regel mit dicken Knieschonern, als Pilger machte man es auf den blanken Knien. Martin hatte es selbst bereits zwei Mal gemacht und präsentierte uns Stolz die Narben, die er an seinen Knien davon zurückbehalten hatte. Warum er dieses Ritual gemacht hatte und warum es die anderen Menschen taten, erfuhren wir leider nicht. Ich kann aber sagen, dass mich diese Prozedur nicht überzeugt hat. Ich habe es mal für einen guten Meter ausprobiert und muss sagen, dass mir das vollkommen gereicht hat. Meine Knie fingen bereits nach dieser kurzen Strecke an wehzutun und ich muss sagen, ich mag sie einfach zu sehr, um sie mutwillig zu demolieren, nur weil ich gerade auf einem abstrakten Kirchenvorplatz stehe. Später am Abend sahen wir eine Frau, die gerade auf ihren letzten Metern vor dem Ziel war. Sie wurde von ihrem Mann und einer weiteren Frau gestützt, weil sie kurz davor war, zusammenzubrechen. Die Leute mochten sich von dieser Aktion ja eine Wunderheilung versprechen, aber war es wirklich nötig, sich dabei so kaputt zu machen?

In der Zwischenzeit war es mir nach dem 6. Versuch gelungen ein Hotel aufzutreiben, in dem wir übernachten dürfen. Es handelte sich um das Hotel Santo António de Fátima, das mit seinen knapp 5 Zimmern zu den kleinsten im Ort gehörte. Maria de Jesus, die 73jährige Besitzerin und Leiterin des Hotels, war in Fátima geboren worden und hatte den gesamten Aufschwung der Stadt, vom kleinen, unbekannten Ort im Nirgendwo bis zur größten Touristenmetropole in Portugal miterlebt. In ihrer Kindheit hatte es in Fátima nur wenige kleine Herbergen gegeben, die alle sehr schlicht und einfach gehalten waren. Heute gab es rund um das sogenannte Santuário Übernachtungsplätze für mehr als 10.000 Personen. Einige der neuen Hotels haben über 500 Betten und zu besonderen Anlässen wie Ostern oder anderen Feiertagen kommen bis zu 1 Million Menschen in die kleine Stadt. Allein auf dem Weg bis zur Basilika haben wir Parkplätze gesehen, die mit ihrer Größe so manchem Messegelände Konkurrenz machen konnten. Maria mochte die Veränderung in der Stadt jedoch. Sie hatte eine Menge Wohlstand und Entwicklung mit sich gebracht und außerdem war heute auch viel mehr los. Es gab mehr Action und das war nicht verkehrt. Trotzdem legte die alte Dame großen Wert darauf, ihr Hotel familiär zu halten. In den großen Konkurrenzunternehmen sei man als Gast nur eine Nummer. Ihr war der persönliche Kontakt zu ihren Gästen hingegen äußerst wichtig.

Als wir sie jedoch nach dem Geheimnis von Fátima fragten, hüllte sie sich in Schweigen. Sie hätte zwar ihre Meinung zu der Sache, doch es sei eben nur ihre Meinung und die wäre wahrscheinlich falsch. Die offizielle Geschichte könnten wir hingegen in der Touristeninformation an der Kirche erfahren. Natürlich weckte gerade diese Aussage besonders unsere Neugier. Warum wollte sie über das Thema nicht sprechen? Und warum hatte sie Angst, ihre eigene Meinung preiszugeben, die wahrscheinlich von der öffentlichen Version abwich? Doch egal wie sehr wir auch nachbohrten, wir kamen bei ihr nicht weiter.

Die offizielle Geschichte von Fátima ist die folgende:

Am 13. Mai 1917 hüteten drei Kinder eine kleine Schafsherde auf dem Platz, der heute das besagte Aufmarschgelände ist. Die Kinder hießen Francisco Marto, Jacinta Marto und Lucia de Jesus. Ob es wohl ein Zufall ist, dass Lucia den gleichen Nachnamen hat, wie unsere Hoteldirektorin? Natürlich könnte es sein, dass ‚de Jesus’ einfach ein sehr häufiger Name ist. Doch Fátima war damals ein winziges Dorf in dem es wahrscheinlich nicht allzu viele Familien mit dem gleichen Namen gab. Warum weigerte sich die alte Dame so strikt, irgendetwas über die Geschichte von Fátima zu erzählen, obwohl uns ihre Tochter zuvor erst auf die Idee gebracht hatte, sie zu interviewen. Warum war es der Tochter so wichtig, uns unbedingt den Nachnamen ihrer Mutter aufzuschreiben? In all den Tagen, die wir nun schon umherreisen haben wir noch keinen einzigen Hotelbesitzer per Namen kennengelernt. Warum sind wir genau in diesem Hotel gelandet? Wenn es also wirklich stimmen sollte, dass die alte Dame die Tochter einer Schwester oder eines Bruders der berühmten Lucia de Jesus ist, weiß sie dann vielleicht mehr, als sie zugibt? Ihre Tochter meinte zur Begrüßung: „Unsere Chefin ist hier in Fátima geboren. Sie heißt Maria de Jesus und kann euch viel über die Stadt erzählen!“ Alles Zufall?

Doch zunächst zurück zur Geschichte. Lucia war am besagten Datum gerade 10 Jahre alt, ihre beiden Cousins Francisco und Jacinta waren 9 und 7 Jahre alt. Da ihnen langweilig war, verbrachten sie ihre Zeit damit, ein kleines Häuschen aus den herumliegenden Steinen zu bauen, genau an der Stelle, an der sich heute die Basilika befindet. Der offiziellen Version der Geschichte nach, beteten sie außerdem ständig Rosenkränze, aber ich bin mir nicht sicher, ob man ihnen das nicht nur im Nachhinein angehängt hat, um sie besonders Fromm und unschuldig wirken zu lassen. Es waren immerhin drei Kinder, die sich ohne Aufsichtsperson auf einer Schafweide befanden. Plötzlich jedoch erschien ihnen ein helles Licht am Himmel, das zunächst wie ein Blitz wirkte, dann aber zu lange blieb um wirklich einer zu sein. Als die Kinder gerade davonlaufen wollten, erschien ein zweiter Lichtkegel, diesmal etwas weiter unten, direkt über einer Eiche. Passenderweise steht heute genau an dieser Stelle die sogenannte Erscheinungskapelle, denn in diesem Lichtkegel tauchte plötzlich die heilige Mutter Gottes auf. Sie befahl den Kindern zukünftig an jedem 13. Der folgenden fünf Monate immer um die gleiche Zeit hier wieder aufzutauchen, um sie wiederzutreffen. Dann verschwand sie wieder.

Um kein Aufsehen zu erregen versprachen sich die drei Kinder, niemandem etwas von der Sache zu erzählen. Eine Weile ging das auch gut, dann plauderte Jacinta das Geheimnis jedoch aus und so kam es, dass am 13. Juni noch einige andere Schaulustige anwesend waren. Sie wollten herausfinden, ob die Erscheinung lediglich eine Einbildung der Kinder war, oder ob sie die Maria ebenfalls sehen konnten. Zu ihrer Überraschung tauchte die Marienerscheinung wirklich auf und so wurde die Gruppe der Schaulustigen immer größer. Am 13. August jedoch wurden die drei vom Bezirksvorsteher nach Vila Nova de Ourém entführt. Den Grund dafür konnte ich bislang noch nicht herausfinden, doch er hat wahrscheinlich mit den Erscheinungen zu tun. Da Maria jedoch nicht auf ihre monatlichen Besuche verzichten wollte, schon gar nicht wegen irgendeinem dahergelaufenen Bezirksvorsteher, erschien sie den Kindern 6 Tage später dort, wo sie sich gerade befanden.

In den Monaten darauf war wieder alles beim alten. Die Crowd hatte sich inzwischen jedoch so stark vermehrt, dass Maria für den 13. Oktober ein Wunder ankündigte. An diesem Tag trafen gut 70.000 Menschen auf der Schafsweide ein. Sie alle wurden tatsächlich Zeuge einer wundersamen und absolut ungewöhnlichen Erscheinung. Die Sonne verwandelte sich in eine Silberscheibe, die man ohne Probleme direkt anschauen konnte. Sie begann sich dabei wie ein Feuerrad um ihre eigene Achse zu drehen und wirkte, als wolle sie jeden Moment auf die Erde herabstürzen. Vor dieser Erscheinung forderte Maria die Menschen auf, ihr zu ehren an dieser Stelle eine Kapelle bauen. Außerdem solle man damit aufhören, Gott ständig zu beleidigen. Das sei schließlich kein angemessenes Verhalten. Es mag sein, dass sie dafür andere Worte benutzte.

Spannender noch als das Sonnenwunder ist jedoch das dritte Treffen zwischen Maria und den drei Kindern. Es war das Treffen am 13. Juli, das nachdem Jacinta ihren Mund nicht mehr halten konnte. Einem 7jährigen Mädchen kann man das auch kaum verübeln, denn bei dieser Begegnung wurden den Kindern die drei Geheimnisse von Fátima offenbart. Das erste Geheimnis war eine Vision der Hölle in der alle verlorenen Seelen schmorten und sich mit widerlichen Dämonen herumplagen mussten. Das zweite Geheimnis bestand in der Aufforderung Marias, ihren Aufforderungen Folge zu leisten, um das Leid der Hölle zu vermeiden. Andernfalls würde Gott die Menschen für ihre Missetaten bestrafen. Dabei ging es ihr vor allem darum, Russland zu weihen und zu bekehren, so dass es nicht zu einem Krieg zwischen den Supermächten komme.

„Wenn man auf meine Wünsche hört, wird Russland sich bekehren und es wird Friede sein. Wenn nicht, wird es seine Irrlehren über die Welt verbreiten, wird Kriege und Kirchenverfolgungen heraufbeschwören. Die Guten werden gemartert werden, der Heilige Vater wird viel zu leiden haben, verschiedene Nationen werden vernichtet werden, am Ende aber wird mein Unbeflecktes Herz triumphieren. Der Heilige Vater wird mir Russland weihen, das sich bekehren wird, und der Welt wird eine Zeit des Friedens geschenkt werden.“

Lucia hat die ersten beiden Geheimnisse erst im Jahre 1941 aufgeschrieben und veröffentlicht, doch erhalten hat sie beide bereits 1917. Und das ist das spannende daran, denn Europa befand sich zu diesem Zeitpunkt mitten im 1. Weltkrieg. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung tobte bereits der 2. Weltkrieg. Beide Jahre waren also wahrscheinlich nicht zufällig gewählt.

Das dritte Geheimnis schrieb Lucia erst drei Jahre später nieder. Es wurde Papst Johannes XXIII übergeben, jedoch mit dem Hinweis, dass es erst 1960 veröffentlicht werden dürfe. Doch auch nach Ablauf dieses Datums erfuhr die Öffentlichkeit nichts von dem Geheimnis. Erst im Jahr 2000 wurde es durch Kardinal Joseph Ratzinger und Erzbischof Tarcisio Bertone bekanntgegeben. Der Joseph Ratzinger übrigens, der später als Papa Ratzi in die Geschichte einging.

Wikipedia zitiert den Text des Geheimnisses folgendermaßen:

„Nach den zwei Teilen, die ich schon dargestellt habe, haben wir links von Unserer Lieben Frau etwas oberhalb einen Engel gesehen, der ein Feuerschwert in der linken Hand hielt; es sprühte Funken und Flammen gingen von ihm aus, als sollten sie die Welt anzünden; doch die Flammen verlöschten, als sie mit dem Glanz in Berührung kamen, den Unsere Liebe Frau von ihrer rechten Hand auf ihn ausströmte: den Engel, der mit der rechten Hand auf die Erde zeigte und mit lauter Stimme rief: Buße, Buße, Buße! Und wir sahen in einem ungeheuren Licht, das Gott ist: ‚etwas, das aussieht wie Personen in einem Spiegel, wenn sie davor vorübergehen‘ und einen in Weiß gekleideten Bischof – ‚wir hatten die Ahnung, dass es der Heilige Vater war‘. Wir sahen verschiedene andere Bischöfe, Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen einen steilen Berg hinaufsteigen, auf dessen Gipfel sich ein großes Kreuz befand aus rohen Stämmen wie aus Korkeiche mit Rinde. Bevor er dort ankam, ging der Heilige Vater durch eine große Stadt, die halb zerstört war und halb zitternd mit wankendem Schritt, von Schmerz und Sorge gedrückt, betete er für die Seelen der Leichen, denen er auf seinem Weg begegnete. Am Berg angekommen, kniete er zu Füßen des großen Kreuzes nieder. Da wurde er von einer Gruppe von Soldaten getötet, die mit Feuerwaffen und Pfeilen auf ihn schossen. Genauso starben nach und nach die Bischöfe, Priester, Ordensleute und verschiedene weltliche Personen, Männer und Frauen unterschiedlicher Klassen und Positionen. Unter den beiden Armen des Kreuzes waren zwei Engel, ein jeder hatte eine Gießkanne aus Kristall in der Hand. Darin sammelten sie das Blut der Märtyrer auf und tränkten damit die Seelen, die sich Gott näherten.“

Niemand weiß jedoch, ob es sich dabei um den Originaltext handelt, oder ob dieser im Nachhinein verfälscht wurde. Einige vermuten, dass es sich bei dem Geheimnis um einen Hinweis auf das Papstattentat, das am 13. Mai 1981 auf Johannes Paul II verübt wurde. Ein Attentat, dass vielleicht nicht zufällig genau am Jahrestag der ersten Marienerscheinung stattfand.

Auch wenn wir noch nicht allzu viel über die Hintergründe der ganzen Geschichte herausgefunden haben, so tauchen doch schon ein paar Fragen auf, die das ganze irgendwie undurchsichtig erscheinen lassen. So sind die beiden Geschwister Jacinta und Francisco Marto bereits wenige Jahre nach der Erscheinung auf mysteriöse Weise dicht hintereinander verstorben. Angeblich an der spanischen Grippe, doch auch hier scheiden sich die Geister. Wäre es also Möglich, dass die Kinder doch mehr erfahren haben, als dass man in die Hölle kommt, wenn man nicht ausreichend Buße tut? Vielleicht etwas, das einige Menschen lieber nicht veröffentlicht haben wollten? Und noch immer stellt sich die Frage, warum hier niemand etwas über das Thema erzählen will. Lucia überlebte als einzige und ging kurz nach dem Tod ihrer Cousine in ein Kloster. Später verließ sie Portugal als Nonne und lebte in Spanien. 2005 Starb sie im Alter von 97 Jahren.

Am 13. Mai 1930 wurden die Marienerscheinungen vom Bischof von Leiria als „glaubwürdig erklärt und die öffentliche Verehrung Unserer Lieben Frau von Fátima gestattet“. Seitdem hat sich der Kult um Fátima stetig vergrößert, auch wenn heute kaum einer der Besucher mehr weiß, warum er eigentlich hier ist. Viele versprechen sich Wunderheilungen von dem Besuch in Fátima doch auch hierüber wollte uns niemand eine konkrete Aussage geben. Maria de Jesus sagte lediglich, dass man von Ereignissen gehört habe, aber sie wolle nichts sagen, was vielleicht gar nicht stimmte.

Zurück auf dem Kirchenplatz, nahmen wir die Bauwerke noch einmal genauer unter die Lupe. Die Basilika selbst erinnerte auf eigentümliche Weise eher an eine Konzerthalle als an eine Kirche. Auf dem Platz liefen nun überall Mönche und Nonnen herum. Angeblich gibt es hier mehr als 15 verschiedene Mönchs- und mehr als 50 verschiedene Schwesternorden. Von Morgens um 4:00 bis nachts um 23:00 gab es jeden Tag einen genauen Zeitplan mit Messen und Veranstaltungen. Immer und immer wieder die gleichen Feierlichkeiten für ständig neue Touristen. Um 21:30 sollte auf dem Platz eine Kerzenprozession stattfinden, die wir uns ansehen wollten. Bis dahin mussten wir auf jeden Fall noch etwas zum Essen auftreiben, wenn wir hier nicht den heiligen Hungertod sterben wollten. In einem Restaurant bekamen wir eine Suppe und danach sogar noch das Angebot für ein Dessert, das wir jedoch gegen Obst eintauschten. Dabei erfuhren wir, dass uns die Nachspeise nicht vom Restaurant sondern von einem Pärchen ausgegeben wurde, dass hier ebenfalls zu Gast war. Später gesellten sich die beiden zu uns und wir verquatschten uns so lange, bis die Kerzenprozession schon fast vorbei war.

Der Mann war Italiener, die Frau Deutsche und beide lebten in Düsseldorf, wo sie ein Restaurant führten. Die beiden machten sich ebenfalls viele Gedanken über gesundes Essen und verzichteten, bis auf wenige ausnahmen, seit geraumer Zeit auf Zucker und Kohlenhydrate. Dabei kamen wir auch auf die Frage, ob eine gesunde Ernährung heutzutage überhaupt noch möglich sei, oder ob man gegen die Übermacht der Supermärkte und der Lebensmittelproduzenten letztlich machtlos war. Das Problem lag vor allem darin, dass gesunde Nahrung so teuer war, dass sie sich eigentlich niemand leisten konnte.

„Und das ist überall auf der Welt gleich!“ sagte der Italiener. „Es wird immer genau so angepasst, dass keiner ausbrechen kann. Je reicher ein Land ist, desto teurer sind auch die Lebenshaltungskosten, so dass am Ende alles beim Alten bleibt.“

Als wir schließlich zum Kirchenplatz zurückkehrten, bekamen wir gerade noch das Ende der Kerzenprozession mit. Es war auf der einen Seite beeindruckend, die vielen Lichter auf dem großen Platz zu sehen. Auf der anderen Seite war es aber auch so offensichtlich inszeniert und so weit weg von jeder spirituellen Bedeutung, dass es etwas lächerlich wirkte. Ein Mann kniete betend vor einer Stele und hielt dabei seiner Kerze in der einen und sein Handy in der anderen Hand. Man brauchte schließlich eine gute Verbindung nach allen Seiten.

Am Ende brachte jeder seine Kerze an eine Art Kerzenschrein, wo man sein Leid und seine Wünsche dem Feuer übergeben konnte. In einer kleinen Auslage an der Seite lagen Wachsskulpturen in der Form von Organen, die man ins Feuer werfen konnte. Darunter befanden sich auch Ohren und ein Magen-Darm-Trakt. Heiko und ich nahmen jeweils das Organ, für das wir uns Heilung erhofften und legten es in die Flammen. Schaden kann es ja nicht. Da wir in Santiago nicht dazu gekommen waren, zündeten wir hier auch einige Kerzen für die Menschen an, die wir unterwegs getroffen und die uns darum gebeten haben. Mögen ihre Wünsche mit der Kraft des Feuers in Erfüllung gehen!

Schließlich löste sich die Menge auf und auch wir machten uns auf den Heimweg ins Hotel. Hunger hatten wir zwar noch immer aber außer einem Brötchen für jeden von uns konnten wir nichts weiter auftreiben.

Als wir den Tag nun eigentlich als abgehakt erklärt hatten und uns nur noch an die Verarbeitung der Bilder und Erlebnisse machen wollten, wurden wir von Fátima dann doch noch einmal in den Bann gezogen. Heiko öffnete die Bilder des Tages, während ich gerade den Text über die Geschichte von Fátima las. Als das Bild von der Basilika auf seinem Bildschirm erschien, blieb der Computer hängen und lud nicht weiter. Dafür tauchte links im Himmel neben der Basilika auf dem Bild eine kleine silberne Scheibe auf, die sich wie ein Feuerrad um die eigene Achse drehte. Es war genau die Stelle auf dem Bild, an der das Sonnenwunder der Geschichte nach tatsächlich stattgefunden hatte. Und es tauchte exakt in der Sekunde auf, als ich von genau dieser Erscheinung las. Minutenlang starrten wir gebannt auf den Monitor. Natürlich konnte es sich dabei einfach um einen Grafikfehler handeln, doch war dieser zuvor noch nie aufgetaucht. Und dann noch genau an dieser Stelle? Heiko überkam eine Gänsehaut. Was immer das auch war, es war ziemlich gruselig. Steckte hinter der ganzen Sache doch wieder mehr als wir dachten? Heute ist es zu Spät um dem Geheimnis auf den Grund zu gehen, aber irgendetwas sagt mir, dass wir nicht ohne Grund in Fátima gelandet sind. Im Hotel, das wahrscheinlich einer Nachfahrin von Lucia gehört. Zwei Tage vor dem 97. Jahrestag der Geheimniskundgebung.

 
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Spruch des Tages: Wunder gibt es immer wieder

Höhenmeter: 210 m

Tagesetappe 28 km

Gesamtstrecke: 3778,47 km

Franz Bujor
Franz Bujor ist Wandermönch, Web-Nomade und Autor. Nach einem Studium in Kulturwissenschaften, bei dem er unter anderem bei einem Maya-Volk in Guatemala gelebt und in einem Kinderheim in Serbien gearbeitet hat, war er zunächst als Erlebnispädagoge und Wildnismentor tätig. 2014 ließ er sein bürgerliches Leben hinter sich und reist seither zu Fuß und ohne Geld um die Welt. Neben seinem eigenen Entwicklungsweg schreibt Franz besonders gerne über geschichtliche und gesellschaftliche Themen.

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