Der deutsche Zoll - Ein Erfahrungsbericht

von Franz Bujor
12.12.2013 04:12 Uhr

...noch 21 Tage bis zum Start: Besuch beim Binnenzollamt in Amberg.

Wir sind zwar noch nicht losgegangen und haben dementsprechend auch noch keine Grenze überquert, aber eine Begegnung der dritten Art mit dem Zoll hatten wir trotzdem schon.

Der deutsche Zoll ist nicht gerade ein Ort der Gemütlichkeit.

Auch ohne eine Grenze zu überqueren, kann man Probleme mit dem deutschen Zoll bekommen.

Ein Paket aus Amerika

Anfang November haben wir die Firma Flowtoys aus Amerika als Sponsorpartner gewonnen, die uns mit einer großartigen Ausrüstung an Lichtjonglagematerialien für Straßenkunst zur Verfügung stellt. Doch nach der Bestätigung, dass das Paket aufgegeben wurde, hörten wir überhaupt nichts mehr davon. Zunächst machten wir uns deswegen auch keine Sorgen. Immerhin musste das Zeug ja um den halben Planeten kutschiert werden und das kann schon mal seine Zeit dauern. Doch mehr als zwei Wochen hätten es dann eigentlich doch auch wieder nicht sein sollen. Langsam wurden wir also Nervös und fragten einmal nach. Wie sich herausstellte, hatte Izzy, unser Kontaktmann bei Flowtoys das Paket sogar per Express versendet.

Verschollen in der Bürokratie

Es war auch weder entführt noch gestohlen worden oder unterwegs verloren gegangen. Nein, es lag schon seit zwei Wochen auf dem Amberger Zollamt und langweilte sich in einem dunklen Lagerraum. Aus irgendeinem Grund hatte man jedoch vergessen uns darüber zu informieren. Warum auch, denn so war es ja viel spannender! Schnitzeljagden haben mich schon als Kind fasziniert und so eine gute hatte ich lange nicht mehr! Laut Paketverfolgungsnummer lag das Paket auf dem Postamt von Neumarkt.

Leicht geht im Sumpf der Bürokratie so einiges verloren.

Leicht geht im Sumpf der Bürokratie so einiges verloren.

Servicewüste deutscher Zoll

Laut Neumarkter Postamt lag das Paket auf irgendeinem Zollamt. Man müsse dort anrufen und Nachfragen. Entweder in Nürnberg oder in Amberg. Der Zollbeamte aus Nürnberg, der mich am Telefon so freundlich beriet, als hätte ich ihm gerade absichtlich ins Knie geschossen, teilte mir in umständlichen und fachmännischen Worten mit, dass er keine Ahnung hatte. Mit der Paketverfolgungsnummer könne er nichts anfangen und er wolle es auch gar nicht und überhaupt sei das nicht sein Zuständigkeitsbereich und außerdem ist das Wetter scheiße und wo ich gerade anrufe, bin ich wahrscheinlich auch schuld an der miesen Weltwirtschaft, dem Klimawandel und seiner Ehekrise. Abgesehen davon solle ich mich gefälligst an die DHL wenden, denn die sei ja schließlich für das Versenden von Paketen zuständig.

Jede Menge Papierkram macht die Dinge nicht unbedingt leichter.

Jede Menge Papierkram macht die Dinge nicht unbedingt leichter.

Gefangen im Bürokratie-Wahnsinn

Der DHL-Mann war wesentlich freundlicher, aber genauso wenig hilfreich. Ja, der Zoll könne mit den Paketnummern wirklich nichts anfangen, da sie vorsichtshalber eigene Nummern vergeben. Sonst könnte ja noch jemand auf die Idee kommen, das System würde einen Sinn ergeben. Immerhin wusste ich jetzt, dass sich das Paket auf dem Zollamt Amberg befinden müsste, denn das sei für Neumarkt zuständig. Der Amberger Beamte stand seinem Kollegen aus Nürnberg in Sachen Unfreundlichkeit um nichts nach.

Während ich noch überlegte, ob ich ihm nicht wirklich ins Knie schießen sollte, um seiner beeindruckend abweisenden Haltung einen ersichtlichen Grund zu geben, erfuhr ich, dass er das Paket hätte und es noch in Bearbeitung sei. Das Problem war jetzt, wie ich eine Kugel durch den Telefonhörer in sein Knie bekommen konnte, ohne, dass dadurch die Verbindung abriss. Ich entschied mich daher von körperlicher Gewalt abzusehen und zum verbalen Gefecht anzusetzen. In deutlichen und nachdrücklichen Worten erklärte ich ihm, dass wir das Paket unbedingt noch diese Woche bräuchten und keine Zeit für langen Bürokratiewahnsinn hatten.

Diese Bürokratie ist zum Verrückt werden.

Diese Bürokratie beim deutschen Zoll ist zum Verrückt werden.

Auf zur Zollstation

Daraufhin erklärte er mit in ebenso deutlichen und nachdrücklichen Worten, dass ich das Paket gerne abholen könne, wenn es denn unbedingt sein müsse, dass ich aber die Rechnung mit einer Auflistung des Wertes mitbringen müsse. Dass es sich bei dem Paket um ein Geschenk handelte, wollte er am Telefon nicht glauben. Einige Stunden später standen wir dann also mit einer Rechnung über 0,00 € in Amberg vor dem Zollamt. Das Gebäude war in etwa so einladend wie eine Jugendstrafanstalt. Es begrüßte seine Gäste mit einem breiten, sterilen Gang von dem links und rechts lauter Glaskäfige mit Beamten darin abgingen. Links saßen diejenigen, die sich um die Ausfuhr von Paketen kümmerten, rechts die Verantwortlichen für den Import. Ich wandte mich an den ersten besetzen Schalter auf der rechten Seite.

So viel Bürokratie für ein kleines Paket.

So viel Bürokratie für ein kleines Paket.

Bewusst ungemütlich

Dahinter saß ein kleines dickes Männlein und gab mir durch eine Luke in der Glasscheibe zu verstehen, dass ich mich setzen sollte, um zu warten, bis ich an der Reihe war. Ich versuchte also es mir auf den Holzpritschen bequem zu machen, die so konstruiert waren, dass einem bereits der Hintern weh tat, wenn man sie nur ansah. Heiko und ich überlegten, ob es vielleicht ein System gab, nachdem Zollstationen, Schulen, Arbeitsämter und dergleichen bewusst so gebaut wurden, dass man sich nur unwohl darin fühlen konnte.

Gab es wohl ein Casting für Architekten, bei denen die Jury nach Faktoren wie Sterilität, Unbequemlichkeit, und Ungemütlichkeit entschied? „Vielen Dank Herr Hallhuber für Ihren Architekturentwurf, aber so können wir ihn leider nicht umsetzen! Das Gebäude, dass sie vorschlagen hat einen Wohlfühlfaktor von rund 10 %, das sind 7 % über dem Grenzwert. Aber wenn wir die Deckenverkleidung weglassen, sodass man den blanken, fleckigen Beton sehen kann und wenn wir die Wandverkleidung in diesem Gelb-Braunton wählen, der sogar meiner Urgroßmutter zu altmodisch wäre, dann könnte es gehen.“

Anträger über Anträge

Anträge über Anträge. Das ist der deutsche Zoll in Höchstform.

Eine Stimmung vermiesende Umgebung

Langsam verstand ich, warum die Beamten so unfreundlich waren. Wir hielten es ja schon kaum aus, ob wohl wir nur 10 Minuten hier waren, aber die Jungs mussten fast ihr ganzes Leben hier verbringen. Das konnte man nur dann überleben, wenn man seine Gefühle zu den konfiszierten Drogen, Schlangenhauttaschen und Zigaretten ins Regal legte und zu einem Zombie wurde. Wir wurden aufgerufen und zu Zombie Nummer fünf geschickt, dem Mann, mit dem ich zuvor telefoniert hatte. Als ich ihn sah, wurde mir klar, dass ich sehr gut daran gewesen war, mir die Kugel für ihn zu sparen, denn dieser Mann hatte sich mit seiner Berufswahl bereits vor sehr langer Zeit selbst ins Knie geschossen.

Ohne jedes Wort der Begrüßung griff er nach unserer Flowtoys-Rechnung und beäugte sie skeptisch. Dann bedeutete er uns erneut zu warten. Wir nutzten die Zeit um die auf einer vergilbten Europakarte an der Wand unsere Reiseroute für die nächsten 11.000 Kilometer durch Europa zu planen. Als wir damit fertig waren, gingen wir dazu über, sämtliche Informationen über Zollbestimmungen, die Erfolge gegen den Drogenschmuggel und die Gefahr von unseriösen Medikamentenhändlern durchzulesen.

Ein Beruf, der Zombies erschafft

Nachdem uns auch hier der Lesestoff ausgegangen war, begannen wir, die Zombies in ihren Glaskäfigen zu beobachten. Abgesehen von einer Frau, die mit offenem Mund uns starrem Blick verträumt auf ihren Bildschirm starrte, gab es nur Männer um die fünfzig. Alle hatten exakt die gleiche Stimmung, die gleiche Figur, die gleiche Ausstrahlung und den gleichen Kleidungsstil. Ob das ein Einstellungskriterium war? Oder war es einfach das Ergebnis des jahrelangen Ausharrens in diesem Gebäude? Wenn ich bislang gedacht hatte, die Post sei Langsam, so musste ich dieses Bild, angesichts dessen, was wir hier zusehen bekamen, deutlich relativieren. Außer uns waren noch drei andere Besucher im Flur und es gab pro Aufgabenbereich vier oder fünf Beamte. Dennoch warteten wir bereits eine halbe Stunde, ohne das groß etwas passiert wäre. Der Beamte unseres Vertrauens kam aus seinem Bürokäfig gekrochen und fragte ohne Umschweife: „Meinen Sie das ernst mit der Rechnung?“ Heiko und ich sahen uns an. „Wie bitte?“
Es bleibt ein Drahtseilakt

Es bleibt ein Drahtseilakt

„Meinen Sie das ernst mit einer Rechnung von 0,00 €?“

Eine leicht sarkastische Stimme in meinem Kopf antwortete: „Nein, wir haben uns nur überlegt, wie wir den laden etwas aufmischen könnten und dachten, so eine Rechnung ohne Betrag für ein Geschenk wäre sicher ein Heidenspaß!“

Zeit totschlagen beim deutschen Zoll

Laut sagte ich jedoch, dass die Rechnung unser voller ernst sei und dass es sich bei dem Paket – wie bereits erwähnt – um ein Sponsoring handelte. Daraufhin verschwand er kommentarlos und ließ uns wieder warten. Leider gingen uns langsam die Beschäftigungsmöglichkeiten aus. Glücklicherweise entdeckten wir auf einem Tresen eine kostenlose Zeitschrift über Amberg. Es war die Sorte Zeitschrift, die so langweilig waren, dass man die nur an Orten wie diesen auslegen konnte, da sie sonst niemals jemand lesen würde. Sie war sogar so langweilig, dass die Autoren sie nicht einmal hatten Korrekturlesen können, weil sie sonst dabei eingeschlafen wären.

Auch Unannehmlichkeiten sind nicht kostenlos

Als der Zombie-Beamte schließlich mit unserem Paket wieder aus den Katakomben der Zollstelle auftauchte und sah, dass wir uns über allerlei Dinge in seinem Reich amüsierten, blickte er uns entgeistert an. Sein Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel daran, dass wir in den letzten 10 Jahren die ersten Menschen waren, die in diesen Räumen gelacht haben. Gegen eine Unterschrift, die Bestätigung, dass das Paket wirklich ein Sponsoring-Geschenk war und wir nicht vorhatten es weiterzuverkaufen und gegen eine Lagergebühr von 7,50 € bekamen wir unsere Flowtoys ausgehändigt.

„Moment mal, ist das Ihr Ernst?“, fragte ich den Mann.

„Wie bitte?“

Noch ein Sprung, dann ist es geschafft

Noch ein Sprung, dann ist es geschafft

„Verstehe ich das richtig, dass wir 7,5 € bezahlen, weil unser Paket hier eingelagert wurde, anstatt zu uns gebracht zu werden?“ Offensichtlich hatte ich das richtig verstanden. Das ist dann wirklich einmal Bürokratie vom feinsten. Es ist ja nicht so, dass wir darum gebeten hatten, dass das Paket beim Zoll gelagert werden soll. „Entschuldigung, aber könnten sie unsere Lieferung aus den USA vielleicht zwei/drei Wochen bei Ihnen einlagern? Wir wissen zu Hause nicht wo hin damit und wir hätten gerne etwas mehr Nervenkitzel vor der Reise, wenn wir nicht wissen, wo unsere Ausrüstung ist. Wir fahren dann auch gerne die 60 km nach Amberg, um es abzuholen...“

Danke für die Unterhaltung

Immerhin hat uns der Zoll mit seiner Skurrilität einen sehr amüsanten und lustigen Nachmittag beschert. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken. Noch mehr bedanken wir uns natürlich bei Flowtoys für die großartigen Jonglage Utensilien, mit denen wir demnächst üben und auftreten werden. Für alle die schon mal einen Vorgeschmack haben wollen, gibt es hier bereits ein Video.
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Franz Bujor
Franz Bujor ist Wandermönch, Web-Nomade und Autor. Nach einem Studium in Kulturwissenschaften, bei dem er unter anderem bei einem Maya-Volk in Guatemala gelebt und in einem Kinderheim in Serbien gearbeitet hat, war er zunächst als Erlebnispädagoge und Wildnismentor tätig. 2014 ließ er sein bürgerliches Leben hinter sich und reist seither zu Fuß und ohne Geld um die Welt. Neben seinem eigenen Entwicklungsweg schreibt Franz besonders gerne über geschichtliche und gesellschaftliche Themen.

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