Tag 1448 bis 1451: Wie wähle ich die richtige Reiseroute?

von Heiko Gärtner
15.04.2018 06:24 Uhr

06.11.2017 

Wintereinbruch

Langsam aber sicher müssen wir uns eingestehen, dass der Sommer vorbei ist. Heute hatten wir nun die 6. Nacht in Folge Bodenfrost und in der Früh haben wir sogar eine fensterglasdicke Eisscheibe gefunden, die von einem LKW gefallen und dabei nahezu unversehrt geblieben war. Heute war außerdem der erste Tag des Herbstes, an dem ich meine Weste trotz Steigungen kein einziges Mal unter dem Wandern ausgezogen habe. Sogar Handschuhe gehörten fast durchgängig zum Pflichtprogramm. Und als wir uns heute Mittag ein Buttersandwitch mit Salz und Senf schmierten, waren die Windböen teilweise sogar so stark, dass es uns die Butter vom Brot wehte. Die Butter! Ist das zu fassen?

Was ist beeindruckender? Das Schloss oder die Hofeinfahrt?

Was ist beeindruckender? Das Schloss oder die Hofeinfahrt?

Ich denke also man kann ohne schlechtes Gewissen festhalten: Es wird Winter! Und ebenso kann man festhalten, dass es durchaus einen Unterschied macht, ob man sich um diese Jahreszeit in Italien oder auf der geographischen Höhe von Bayern befindet.

Es lässt sich nicht leugnen: Unsere Weltreise geht nun in den vierten Winter.

Es lässt sich nicht leugnen: Unsere Weltreise geht nun in den vierten Winter.

Neue Reisepläne?

Das zweite, was uns heute beschäftigte, war die Frage, ob wir Frankreich nicht doch schon etwas eher verlassen und noch einmal einen Abstecher durch Deutschland machen sollten. Je länger wir nun wieder in unserem einstigen Lieblingswanderland unterwegs waren, desto mehr mussten wi einsehen, dass von seinem ursprünglichen Charme kaum noch etwas übrig war.

Bäume und Blätter zeigen eindeutig, dass der Sommer vorbei ist.

Bäume und Blätter zeigen eindeutig, dass der Sommer vorbei ist.

Der Herbstwald ist nun unser ständiger Begleiter.

Der Herbstwald ist nun unser ständiger Begleiter.

Die kleinen Dörfer starben immer mehr aus und wurden zu geisterhaften Ruinenstätten, die grauer und trüber waren als jeder britische Friedhof. Im Schnitt brauchten wir nun drei Ortschaften um eine zu finden, in der wir bleiben konnten und auch kulinarisch ging es immer weiter bergab. Beachtet: Unser Picknick im Sturm bestand aus Baguette mit Butter und Senf. Und das war noch der abwechslungsreiche Teil des Tages. Sollten wir also vielleicht doch anfangen zu akzeptieren, das Frankreich (wie es ein Bürgermeister neulich so passend formuliert hatte) immer mehr zur Wüste wurde und anfangen unsere Konsequenzen daraus zu ziehen?

Selbst die Burg passt sich in das trüber Einheitsgrau ein.

Selbst die Burg passt sich in das trüber Einheitsgrau ein.

Schön war der Südwesten Deutschlands auf jeden Fall und es war ein Gebiet, das wir so gut wie gar nicht kannten. Aber es würde unsere Reise natürlich noch einmal verlängern und wieder mehr in die Berge leiten. Keine leichte Frage also.

Spruch des Tages: Ob ihr wirklich richtig geht, seht ihr wenn der Schlafplatz steht.

Höhenmeter 70m / 50m / 30m / 16m

Tagesetappe: 21km / 12km / 20km / 18km

Gesamtstrecke: 27.299 ,27km

Wetter: Kälte und Dauerregen

Etappenziel 1: Gemeindehaus, Haaksbergen, Niederlande

Etappenziel 2: Bed and Breakfast, Enschede, Niederlande

Etappenziel 3: Basilika Forum, Oldenzaal, Niederlande

Etappenziel 4: Gemeindehaus der Kirche, Ort nachtragen, Niederlande

05.11.2017

Auf der einen Seite ist es ja schön zu sehen, wie gut diese Sache mit dem Visualisieren klappt, auf der anderen Seite wäre es aber schon schön, wenn auch die eigenen, bewusst gewählten Bilder wahr werden würden, und nicht irgendwelche implizierten.

Die Statue eines abgetrennten Pferdekopfes gibt dem Ort ein gespenstisches Flair

 

Gestern nachdem wir die Austestungen gemacht und ich einen Teil meiner Schuld mir selbst gegenüber durch die Sanktion abgebaut hatte, versuchte ich mich noch einmal wieder mit dem Visualisieren. Eigentlich sollte dies ja Teil der täglichen Routinen sein, um so die Grundlagen für einen entspannten und angenehmen nächsten Tag zu schaffen. Doch leider hatte ich es nun schon seit Monaten nicht mehr geschafft, die Konzentration lange genug zu halten, um ein Bild vor meinem inneren Auge entstehen zu lassen. Heute hatte ich das Gefühl, dass es vielleicht wieder klappen könnte. Ich schloss die Augen und versuchte mir einen schönen trockenen und ruhigen Tag vorzustellen, an dem wir am Fluss entlang wanderten und schließlich in einer hübschen kleinen Ortschaft anlandeten, wo wir entspannt einen Platz fanden. Doch gerade als die ersten Bilder auftauchen wollten, wurden sie von anderen Bildern überlagert, die ich zwar klar, deutlich und lebendig sehen konnte, die aber definitiv nicht von meinem Bewusstsein erzeugt wurden. Ich sah Heiko und mich, wie wir durch tiefe Häuserschluchten und entlang großer Straßen wanderten. Es war laut und ungemütlich, doch wir kamen nicht von den Hauptstraßen weg, weil alles andere für uns gesperrt war. Ich versuchte diese Bilder aus meinem Kopf zu bekommen, indem ich sie weg radierte oder mit etwas positivem überschrieb, doch es wollte einfach nicht gelingen. Nun tauchten stattdessen Bilder auf, bei denen wir durch kleine Dörfer zogen, die allesamt an unverhältnismäßig riesigen Hauptstraßen entlang führten und diese bekam ich bis zum Schluss nicht mehr aus dem Kopf.

Das Rathaus ist ein beeindruckendes Gebäude, an dem man nicht vorbei schauen kann

Hoch über dem Fluss trotzt eine Mittelalterliche Burg auf.

Die Macht der Überzeugung

Und genau so kam es dann auch. Obwohl wir uns noch immer auf dem Fernradweg befanden, kamen wir heute fast nur über Hauptstraßen. Schlimmer noch! Die Straßen auf denen wir wanderten, ganz gleich, ob klein oder groß, waren hier nun bereits von derselben Beschaffenheit wie in Großbritannien. Es konnte noch nicht alt sein, aber man hatte nun auch hier großflächig auf den normalen und zum Teil völlig intakten, zumindest aber leisen Straßen flüssigen Asphalt gegossen, um anschließend groß körnigen Kies darüber zu streuen. Dieser soll dann kleben bleiben und mit der Zeit eine neue Oberfläche bilden. Theoretisch klingt das vielleicht ganz nett, aber praktisch endet es in einem Desaster der Baukunst, denn das Ergebnis ist genau das, was man vermuten könnte: eine dicke Schicht Kies, der am Bode verklebt war.

Der Garten eienr längst verlassenen Mittelalterresidenz.

Der Garten einer längst verlassenen Mittelaltersresidenz.

 

Auch mit dem Ankommen wurde es nicht leichter. Im ersten Dorf traf ich überhaupt niemanden an, der hätte hilfreich sein können. Im zweiten war es so grausam, dass wir nicht einmal fragen wollten und das dritte hatte seine ganz eigenen Hürden.

Keine Arbeit am Sonntag

Die Krönung in Sachen Dreistigkeit und Unverfrorenheit machte der Bürgermeister dieses Ortes. Seine Antwort auf meine Frage lautete allen ernstes: „Es ist mir egal, was du von mir willst! Heute ist Sonntag und da arbeite ich nicht. Ich werde dir nicht helfen, was immer du auch brauchst.“

Ich hakte noch einmal nach, um sicherzugehen, ob ich ihn richtig verstanden hatte: „Sie sagen also, weil heute Sonntag ist, wollen Sie uns keinen Platz zum Schlafen geben, obwohl sie es könnten und sagen pennt doch einfach an der Bushaltestelle?“

„Wenn ihr an der Bushaltestelle pennen wollt, dann macht das! Ist mir scheiß egal! Ich habe damit heute nichts zu tun.“ erwiderte er.

Eine typisch Französische Dorfkirche

Eine typisch Französische Dorfkirche

 

Sofort fiel seine Frau mit ein und versuchte die Situation zu retten, in dem sie Lügenausreden erfand: „Wir sind ein kleines Dorf und haben hier leider keine Möglichkeiten, jemanden unterzubringen!“ fing sie an, doch ihr Mann fuhr ihr über den Mund:

„Nein! Darum geht es nicht! Ich hab einfach keinen Bock, dass jemand am Sonntag hier auftaucht und irgendetwas von mir will obwohl ich keinen Dienst habe!“

Langsam wird es herbstlich um den See.

Langsam wird es herbstlich um den See.

 

Was man dem Mann lassen muss ist, dass er als einziger seit langem mal wirklich ehrlich war. Diese geheuchelten Ausreden seiner Frau kannten wir zu genüge und sie gingen uns tüchtig auf den Geist. Aber diese Ehrlichkeit war neu und auch, wenn mich der Mann in diesem Moment tierisch aufregte, hatte es doch etwas Erfrischendes. Leider gelang es mir nicht, auf Französisch eine Diskussion zu beginnen darüber, dass man einen Beruf nicht einfach an den Nagel hängen kann, wenn man Feierabend hat. Ein Arzt kann ja schließlich auch nicht sagen, dass er grundsätzlich niemandem außerhalb der Dienstzeiten hilft, wenn ein Unfallopfer vor ihm liegt. Er müsste sogar ins Gefängnis, wenn er es versuchte.

Die Dorfkirche liegt genau in der Straßengabelung

Die Dorfkirche liegt genau in der Straßengabelung

Schläusenhaus mit dem Gemälder einer Meerjungfrau auf der Wand

Schleusenhaus mit dem Gemälde einer Meerjungfrau auf der Wand

Lustigerweise traf ich auf dem Rückweg zu unserem Treffpunkt den Stellvertretenden Bürgermeister, der mit seiner Familie einen Spaziergang machte. Er hatte nichts gegen ein bisschen Arbeit am Sonntag, vor allem nicht, wenn er sich damit vor der Verwandtschaft drücken konnte. Er musste nur noch den obligatorischen Nachmittagsspaziergang beenden und kam dann mit dem Schlüssel zu unserer Halle. Da es zu kalt war, um in dieser Zeit einfach nur auf der Bank zu sitzen, nutzten wir die Gelegenheit um unsere Frisbee wieder einmal auszupacken. Es musste weit über ein  Jahr her sein, seit wir dies das letzte Mal getan hatten.

Spruch des Tage: An Sonntagen helfe ich grundsätzlich nicht! (Bürgermeister von Confladey, Frankreich)

Höhenmeter 70 m / 30 m

Tagesetappe: 12 km / 16 km

Gesamtstrecke: 27.228, 27 km

Wetter: Kalt, windig, sonnig

Etappenziel 1: Haus der Begegnung, Velen, Deutschland

Etappenziel 2: Gemeindehaus, Winterswick, Niederlande

04.11.2017 

Die Mütze, die mein Wagen verpasst bekommen hatte, stand ihm sogar recht gut. Ein klein wenig ragten die Ränder zur Seite und hinterließen dadurch einen etwas nerdigen Flair. Doch so wie es aussah, funktionierte er einwandfrei, wenngleich uns das Wetter (Gott sei dank!) noch keine Gelegenheit gab, es wirklich zu testen.

Verwunschene Häuser

Verwunschene Häuser

Werde ich nun Schizophren?

Nachdem die Nacht in Astrits Küche sogar für meine Verhältnisse recht produktiv war, spürte ich nun beim Wandern wieder, wie mich die Mattheit überkam. Nicht Müdigkeit, das wurde nun immer deutlicher, sondern eine Art Weggetreten sein, ein bisschen so wie ein Computer, der in den Ruhezustand fährt. Er ist nicht aus, sondern kann weiterhin an laufenden Programmen arbeiten und er reagiert auch auf bestimmte Impulse, aber er er ist nicht mehr aktiv im Tagesgeschehen. Mehrere Male kam es dabei vor, dass ich in das Gespräch mit Heiko, das währenddessen weiter lief. Einige vollkommen sinnlose Bemerkungen einwarf. „Stimmt, dann nehmen sie unseren Text und setzen nur die beiden anderen darüber!“ oder „Deswegen geben sie sich auf der slowenischen Seite auch so viel Mühe, den Anschluss zu finden!“ Jedes Mal war es so, dass diese Angaben in meinem Kopf noch vollkommen logisch gewesen waren, weil sie sich auf einen Teil der Kommunikation bezogen, der in mir tatsächlich stattgefunden hatte. Nur hatte er nichts mit der äußeren Kommunikation mit Heiko zu tun. Ich kam mir teilweise ein bisschen vor wie ein Medium, von dem ein Geist oder irgendetwas Besitz ergriffen hatte, um nun durch mich zu sprechen.

Moderne Kunst auf der Straße

Moderne Kunst auf der Straße

Tatsächlich testeten wir später aus, dass meine Selbstkontrolle im Moment gerade einmal bei 0,0001% währen der Rest wieder einmal vom Puppenspieler übernommen wird.

99,999% Fremdsteuerung!

Das hörte sich erst einmal hart an, aber es war genau das, wonach es sich auch anfühlte. Immer wieder spürte ich, dass ich die Kontrolle verlor und in eine Art Zwischenwelt abdriftete, in der ich stundenlang regungslos verharren konnte, ohne das Zeit und Raum für mich noch eine Bedeutung hatten. Was mich jedoch viel mehr nervte, als der Umstand Kontrolliert zu werden an sich, war das kleine Wort, das Heiko nach der Testung hinter „Puppenspieler“ geschrieben hatte. Dort stand in erschreckend klaren Buchstaben „Mutter!“

Mittelalterliche Stadt mit Stadtmauer

Mittelalterliche Stadt mit Stadtmauer

Nach all der Zeit war ich also immer noch die Marionette meiner Mutter oder zumindest der inneren Konzeptes „Mutter“ das ich nun in mir trug. „Super gemacht!“ feierte das gleich mein Selbst-Hass-Ich, „du bist mal wieder keinen Schritt weiter gekommen!“

Der Yachthafen am Flussufer

Der Yachthafen am Flussufer

Doch zum ersten Mal kamen wir dieses Mal auch auf eine Lösung, oder zumindest einen Lösungsweg, um mit dieser Situation umzugehen. Mein Problem bei der Sache war, dass ich mich selbst noch immer in den alten Konzepten gefangen hielt. Erst gestern im Gespräch mit Astrid war uns aufgefallen, dass ich in den vergangenen drei Jahren in gewisser Weise immer eine Schicht mehr abgelegt hatte. Zunächst war es das Verpflichtungsgefühl meinen Eltern gegenüber das mich davon abhielt, frei zu sein. Später war die gleiche Situation dann noch einmal mit meinen Freunden aufgetraucht, wieder im Herbst. Und nun, ein Jahr später, was ich es selbst, ohne weitere Umwege, der mich vom Freisein abhielt.

Ein neugieriges Lama

Ein neugieriges Lama

Spannend dabei war, das Heiko auf seiner Ebene an genau dem gleichen Punkt angekommen war. Soweit wir es für uns selbst herausfinden konnten, gibt es zwei große Faktoren, die einen davon abhalten können, frei und glücklich zu leben. Der erste ist die Verurteilung oder die Schuldzuweisung, also das Prinzip von „Alle anderen sind doof!“

Idyllische Burgenstadt

Idyllische Burgenstadt

In diesem Zyklus waren wir sehr lange verhaftet, doch langsam erkennen wir immer mehr, dass wir hier in vollkommenem Irrtum lagen. Wenn alles eins ist, dann gibt es niemand anderen als uns, da alles ein Teil des Allbewusstseins ist, das auch unser Bewusstsein ist. Alle anderen sind nur Spiegel unserer Selbst, also ist alles was geschieht selbst von uns erschaffen. Dieses Prinzip haben wir nun langsam immer besser verinnerlicht und auch vom Gefühl und vom Sein her begriffen. Doch führt ein tiefes Verständnis auf dieser Ebene leider noch nicht dazu, dass man in die vollkommene Wertungsfreiheit und damit in die Zufriedenheit kommt. Alles, was wir getan haben ist, dass wir das „Andere“ durch ein „Ich“ ersetzt haben. Unser Verständnis des Universums reicht noch nicht auß, um zu erkennen, dass alles gut und richtig ist. Wir empfinden viele Dinge noch immer genauso als falsch und unangenehm wie früher und suchen noch immer nach einem Schuldigen dafür. Wenn es aber ja nur uns gibt, dann müssen wir damit zwangsläufig auch der Schuldige sein. So wie wir also zuvor alle anderen verurteilt haben, verurteilen wir nun für alles uns selbst und halten uns damit natürlich genauso vom Leben ab, wie zuvor mit der Fremdverurteilung.

Die Kathedrale überragt die mittelalterliche Stadt

Die Kathedrale überragt die mittelalterliche Stadt

Auffällig war jedoch, dass obwohl bei Heiko und mir das gleiche Prinzip hinter den aktuellen Leidensthemen steckte, wir doch jeweils etwas vollkommen anderes darunter verstanden. Das Schuldgefühl, das zur Selbstverurteilung und damit auch zur Selbstbestrafung führte, wurde bei Heiko durch ein Konzept von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit ausgelöst. In seinem Verständnis der Welt, ausgehend von alten, indoktrienierten Glaubenssätzen, musste immer alles pari sein. Wenn er etwas bekam, musste er dafür auch etwas geben. Wenn er etwas gab musste er dafür auch etwas bekommen. Wenn jemand seinetwegen litt, dann musste auch er dafür leiden. Es ging nicht darum, was sich gerade richtig anfühlte oder was jetzt im Moment benötigt wurde, sondern stets darum, die Kräfte in Balance zu halten. Gelang ihm das nicht, musste er dafür bestraft werden und leiden, egal wie hilfreich die aktuelle Situation gerade wegen ihrer subjektiv empfundenen Ungerechtigkeit vielleicht auch sein mochte. Und damit uns dieses Prinzip auch gleich noch einmal glasklar wurde, erschufen wir uns ein unmissverständliches Paradebeispiel dafür.

Eine verschlafene Mittelalterstad

Eine verschlafene Mittelalterstad

Im Rahmen der Austestungen prüften wir auch meine Seelenverstöße seit dem letzten Mal, sowie die damit verbundenen Sanktionen. Es waren 69 Millionen Verstöße, die vor allem mit meiner Demut und meinem Selbstwertgefühl in Verbindung standen. Um dies auf eine Fühlbare und damit auch wandelbare Ebene zu bringen, bestand meine Ausgleichsübung aus der durchaus ekeligen Aufgabe, einmal auf Knien durch den Festsaal zu robben und dabei eine komplette Linie mit meiner Zunge über den Boden zu ziehen. Es klingt tatsächlich nicht so, als könnte dahinter ein tieferer Sinn stehen und es war keine Übung, die mich freute, aber ich verstand den Sinn darin und nahm sie bereitwillig an.

Einsame Gassen

Einsame Gassen

Tatsächlich spürte ich dabei eine große Demut gegenüber mir selbst und erkannte auch, dass das Gefühl von Ekel verschwand, sobald mir bewusst wurde, dass ich selbst dieser Boden war, den ich dort mit der Zunge berührte. Mit einer gründlichen Mundspülung was die Sache dann für mich abgehakt und ich konnte mich wieder anderen Aufgaben zuwenden. Nicht so jedoch Heiko. Er ging in den Küchenraum, den er sich als Schlafquartier auserkoren hatte und wollte sein Bett aufbauen, als er unvermittelt mit voller Wucht mit dem Kopf gegen einen Schrank stieß. Der Aufprall war so heftig, dass er zurücktaumelte und auf den Hintern viel. Dabei geriet seine Zunge zwischen deine Zähne und er biss sich eine tiefe, blutende Wunde hinein. So offensichtlich wie in diesem Moment war es sonst natürlich nie, aber in gewisser Weise war es genau das, was er sich selbst jedes Mal antat, sobald in ihm das Gefühl entstand, dass er auf bewusste oder unbewusste Weise irgendwo eine Ungerechtigkeit erzeugt hatte.

Ein Hinterhofladen mit blauen Türen

Ein Hinterhofladen mit blauen Türen

Mein Prinzip von Schuld hingegen hatte nichts mit Gerechtigkeit oder Ausgeglichenheit zu tun, sondern war von ganz anderer Natur. Es setzte sich aus dem Gefühl von Richtig und Falsch zusammen. So wie Heiko Schuld in sich verspürte, wenn er Dinge als Ungerecht empfand, kam diese Schuld in mir auf, wenn ich das Gefühl hatte, die Dinge müssten anders sein. Sie waren so, wie sie waren nicht richtig! Ich war nicht schnell genug, ein platz war nicht schön genug, eine Situation sollte freudiger oder zumindest angenehmer sein, Menschen müssten uns mehr helfen, Lektionen müssten einfacher zu lösen sein. In meinen Augen war nicht alles gut so wie es war. Ds meiste war sogar gerade genau falsch so wie es war, und dies war meine Schuld. Es war falsch, dass wir noch nicht erfolgreicher waren, dass der Reißverschluss von meinem Wagen kaputt gegangen war und vieles mehr.

Noch ein Lama

Noch ein Lama

Ich konnte die Dinge nicht als das ansehen was sie waren, nämlich als stets genau die Spiegelsituationen, die benötigt wurden, um Heilung zu finden und um ins Erwachen zu kommen. Sie waren ein Feedback, durch das man die nächsten Entwicklungsschritte leichter gehe konnte, doch ich sah sie als Kritik und als Beweis, selbst nicht richtig zu sein, was mich demotivierte und dieses Gefühl der Schuld in mir auslöste. Daher kam auch dieses Verhaftet-Sein in der selbst empfundenen Fremdgesteuertheit durch meine Mutter. Ich wusste, dass sie nur ein inneres Konzept in mir war, sah sie aber als eine Art bösen Teil in mir an, über den ich keine Kontrolle hatte, der aber jederzeit die Kontrolle über mich übernehmen konnte, wenn ihm danach war. Und das tat er dann zum Beispiel in Form der Ohnmächtigkeit, der Starrheit und der Lähmung, in die ich immer wieder verfiel.

Die Kirche im Zentrum des Friedhofs

Die Kirche im Zentrum des Friedhofs

Hier bestand die Aufgabe darin, eine neue Verknüpfung zu erschaffen und von der Idee der „bösen, manipulativen Mutter“ zum Konzept von „Mutter Erde“ überzugehen. Das was mich hier lenkte und steuerte war die Urenergie der Schöpfung, die Erschafferin allen Lebens und die Steuerung geschah aus Güte und nicht aus dem Versuch heraus, mich kaputt zu machen. Ausgehend von diesem Verständnis konnte ich dann auch wieder leichter annehmen, dass ich diese Schöpferkraft bin und mich selbst fernsteuere. Dies vollkommen zu verinnerlichen ist nun der nächste Schritt. Bislang war ich nun schon so weit, zu erkennen, dass alles eins war und dass die Schöpfung mit allem verbunden war und durch alles hindurch spürbar war. Nur eben nicht mit mir. Ich selbst sah mich irgendwo außerhalb der Schöpfung und fühlte mich daher verstoßen und abgeschnitten. Deshalb konnte ich auch keine Energie bekommen.

 

Einen Friseur gibt es in nahezu jeder Ortschaft.

Einen Friseur gibt es in nahezu jeder Ortschaft.

Höhenmeter 20m / 10m / 17m / 35m

Tagesetappe: 17km / 13km / 13km / 19km

Gesamtstrecke: 27.200,27km

Wetter: Wind und Kälte, hin und wieder sogar etwas Sonne

Etappenziel 1: Katholisches Jugendhaus, Rees, Deutschland

Etappenziel 2: Gemeindehaus, Isselburg, Deutschland

Etappenziel 3: Evangelisches Gemeindehaus, Bocholt, Deutschland

Etappenziel 4: Gemeindehaus, Borken, Deutschland

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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