Tag 1560 bis 1563: Auf ins letze Jahr!

von Heiko Gärtner
28.06.2018 06:12 Uhr

28.12.2017-01.01.2018

Der Jahresausklang verlief relativ ruhig und entspannt. Bis Skandinavien bereisbar wurde hatten wir noch mehr als genug Zeit und so konnten wir es uns leisten kurze Etappen zu machen, früh anzukommen und die Tage zu nutzen um zu entspannen, u schlemmen und um liegengebliebene Arbeiten nachzuholen. Auch das Wetter spielte zunächst gut mit und brachte uns einige Sonnentage an dem das Wandern und vor allem das Picknicken gleich doppelt Spaß machten. Nach unserer Regenzeit in Großbritannien und Irland wirkte dies nun fast wie eine Art wiedergutmachung des Wettergottes.

 
Stadtplatz mit Brunnen

Stadtplatz mit Brunnen

Zwei Tage vor Sylvester hatten wir eine etwas skurrile Begegnung mit einem Holländer, der uns ansprach als wir gerade auf einem Dorfplatz in der Sonne saßen und Pommes futterten. Er war gerade aauf dem Weg zum Arzt, weil er sich einen Nagel durch die Hand gebort hatte. Warum und wie es dazu gekommen war, wollte er nicht erzählen, doch dafür miemte er eine Weile den Alleinunterhalter, bis wir aufgegessen hatten. Auffällig war dabei vor allem, wie er selbst sein eigenes Volk wahrnahm. „Die meisten Deutschen sagen immer, wir Holländer so offen und tollerant, aber ich glaube, das ist ein Irrtum! Ich denke viel eher, dass wir es uns angewöhnt haben, für die meisten Dinge keinerlei Interesse zu zeigen. Wir sind nicht tollerant gegenüber andersdenkenden, anderen Religionen, Kulturen und Lebensweisen. Sie sind iúns nur vollkommen egal. Sie interessieren uns nicht die Bohne und deswegen stören wir uns auch nicht weiter daran. Das wirkt natürlich sehr tollerant, aber es ist in meinen Augen etwas ganz anderes und sollte nicht verwechselt werden. Denn es führt leider wohl auch zu dem Phänomen, dass die Hilfsbereitschaft fast permanent weiter absinkt und dass Civikcourage eine Art Fremdwort geworden isr. Na Gut, ok, im Grunde war „Civilcourage“ schon immer ein Fremdwort, aber ihr wisst ja, was ich meine.

Familiengrab

Familiengrab

Auf jeden Fall schien der Mann mit seiner Einschätzung nicht ganz unrecht zu haben, wenngleich sie natprlich sehr allgemein gehalten war. Aber vorn der Grundtendenz deckte es sich durchaus mit den Erfahrungen die wir gemacht haben und noch machen sollten.

Das Schloss bildete das Zentrum unseres Silvester-Ortes

Das Schloss bildete das Zentrum unseres Silvester-Ortes

Silvester selbst verbrachten wir in einem kleinen Ort im Münsterland, unweit der Holländischen Grenze. Wir hatten ie üblich das Gemeindehaus der Kirche zur Verfügung gestelt bekommen, das für unsere Zwecke kaum hätte besser geeignet sein können. Es verfügte nämlich über ein großes, auf das Ortszentrum ausgerichtetes Panoramafenster, von dem aus wir um Mitternacht einen großartigen Blick auf das Feuerwerk hatten, ohne selbst ein Teil davon sein zu müssen. Die Lautstärke war angenehm gedämpft, der inzwischen aufgekommene Regen blieb ebenso draußen, wie der eiskalte, ekelhafte wind und wir konnten gefahrlos unsere Nachbarn beobchten. Letzterehatten ein geradezu außergewöhnliches Talent dafür, Raketen genau im letzten Moment noch umzuwerfen und mitten in die Zuschauerreihen zu schießen, Böller, beim Versuch, sie auf die Straße zu werfen einfach fallen zu lassen oder die Länge von Zündschnüren gennerell zu unterschätzen. Alle drei oder vier Minuten spang jemand panisch kreischend zur Seite oder flüchtete in den Hauseingang zurück, Ernsthaft verletzt wurde aber niemand und mit unserer Sicherheitsscheibe zwischen uns un den Feuerwerkschaoten war die Sache durchaus amüsant.

Zwei Weltreisende

Zwei Weltreisende

Später, als sich der Zwölf-Uhr-Trubel wieder etwas gelegt hatte, ließen wir den Abend noch mit einem Darttournier ausklingen.

Spruch des Tages: Auf ins letzte Jahr des ersten Abschnitts

Höhenmeter 280m / 160m / 130m / 290m

Tagesetappe: 39km / 22km / 16km / 28km

Gesamtstrecke: 29.161,27km

Wetter: Überwiegend sonnig, Schneeschmelze bricht herein, viele Wege noch unpassierbar aufgrund der Schneemassen

Etappenziel Tag 1560: Private Holzhütte, Gräv (Gangnef), Schweden

Etappenziel Tag 1561: Privates Gästeapartment, Leksand, Schweden

Etappenziel Tag 1562: Kirche, Siljansnäs, Schweden

Etappenziel Tag 1563: Private Ferienhütte, Gesunda, Schweden

27.12.2017

Nachdem ich mich über Weihnachten wie ein Bär gefühlt hatte, der erfolglos versuchte ohne einen Winterschlaf auskommen, war ich heute Nacht zum ersten mal wieder produktiv und schaffte es, unser Erlebnisportal noch einmal ein Stück weiter in Richtung vorläufiger Fertigstellung zu bringen. Immerhin waren es nun nur noch 4 Tage bis sie offiziell online gehen sollte und es gab noch immer bergeweise Aufgaben, die zuvor erledigt werden wollten.

Agrarkultur und Schwerindustrie prägen das Bild von Norddeutschland

Agrarkultur und Schwerindustrie prägen das Bild von Norddeutschland

Doch noch immer schien es, als wollte uns irgendetwas davon abhalten, voranzukommen. Dieses Mal war es Heikos Fuß, der nun schmerztechnisch seinen Höhepunkt erreicht hatte und mit dem er kaum noch einen Schritt gehen konnte. Auf der einen Seite wusste er natürlich, dass dies Teil des Heilungsprozesses war und dass es in spätestens drei oder vier Tagen wieder abgeklungen sein würde. Auf der anderen Seite half ihm dies jetzt im Moment aber gar nicht, denn es tat einfach „scheiße weh“. (Um bei der Originalen Wortwahl zu bleiben).

Handysucht: unsere Smartphones sind allgegenwärtig

Handysucht: unsere Smartphones sind allgegenwärtig

Norddeutsche Shoppingmall

Norddeutsche Shoppingmall

Um die Leidphase so kurz wie möglich zu halten und weil es bereits wieder aus Eimern schüttete, versuchten wir daher bereits im übernächsten Ort einen Schlafplatz zu ergattern. Zunächst sah dies auch sehr erfolgsversprechend aus, denn ich lernte einen netten, aufgeschlossenen Mann kennen, der gleich den Kaplan anrief und ihn dazu animierte, eine Übernachtungsmöglichkeit für uns zu erarbeiten. Die Wartezeit, bis zum Eintreffen des Kirchenmannes verbrachten wir damit, uns das Haus des besagten Mannes anzuschauen. Der Grund dafür, dass er uns hier eine Führung gab war der, dass es sich dabei um ein Museum handelte, in dem er seit Beginn der ersten Zahlungsmittel alles über Geld zusammengetragen hat, was er hatte finden können. Sogar eine Münzprägmaschine mit der wir uns unsere eigenen Münzen prägen konnten. Sie war allerding mit einem eigenen Design ausgestattet worden und entsprach keiner gängigen Währung, denn das wäre in etwas ebenso praktisch wie Illegal gewesen.

Geld spielt bei uns immer eine entrale Rolle

Geld spielt bei uns immer eine entrale Rolle

Obwohl wir bereits einiges über das Geldsystem wussten, war doch noch vieles Neue und Interessante dabei. Dass die Telefonkarten beispielsweise der erste Schritt in Richtung Bargeldlosigkeit waren, beispielsweise. Mit der Erfindung der Handys sind sie weitgehend in Vergessenheit geraten, weil niemand sie mehr nutzt, aber ihre ursprüngliche Funktion war es, die Menschen daran u gewöhnen, dass sie statt mit Geld mit einer Plastikkarte bezahlen können. Ein System, das sich seither sehr gut durchgesetzt hat.

Spannend war auch die Entwicklung von den ersten Zahlungsmitteln wie Steingeld und Muschelgeld zurückzuverfolgen.

Ein Einkaufsentrum

Ein Einkaufsentrum

Als der Kaplan eintraf waren wir gerade beim Münzprägen, wodurch eigentlich sofort eine lockere Atmosphäre hätte entstehen müssen. Leider war der Mann in etwa so locker und flockig wie ein Knäckebrot und es wurde schnell klar, dass er hier war um guten Willen zu zeigen, nicht aber, um uns einen Schlafplatz zu besorgen. Wir mussten also wieder hinaus in den Regen und noch einmal bis in einen Ort namens Rees weiter wandern. Hier trafen wir dann jedoch eine freundliche ältere Dame von der Caritas, die uns nicht nur einen Platz im Gemeindehaus der Kirche organisiert hatte, sondern uns gleich noch mit in den Caritas-Shop nahm. Dort durften wir uns nach belieben bei der großen Auswahl an Lebensmitteln bedienen, die für die Bedürftigen der Stadt hier gelagert wurden.

Eine neue Mütze für Franz

Eine neue Mütze für Franz

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Lustige Mütze

Lustige Mütze

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Filmützen im Test

Filmützen im Test

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Tatsächlich gab es auch hier wieder so viel, dass man es unmöglich, es unter die Leute zu bringen, ehe es wirklich schlecht und gammlig wurde. Der vordere Teil des Ladens bestand außerdem aus einem Second-Hand-Kleidungsmarkt, auf dem ich mir eine neue Mütze aussuchen durfte. Passend zu unserem Geldmuseum kamen wir dabei zu den Anfängen der modernen Marktwirtschaft zurück und betrieben einen Tauschhandel. Dafür, dass ich die neue Mütze mitnehmen konnte, ließ ich die alte zurück. Sie war ja noch immer noch in gutem Zustand und passte nur leider nicht richtig auf meinen Kopf.

Spruch des Tages: Its all about the money!

Höhenmeter 120m / 260m / 230m / 290m

Tagesetappe: 11km / 37km / 28km / 41km

Gesamtstrecke: 29.056,27km

Wetter: Überwiegend sonnig, Schneeschmelze bricht herein, viele Wege noch unpassierbar

Etappenziel Tag 1556: Kirche, Rämmen, Schweden

Etappenziel Tag 1557: Gemeindehaus der Kirche, Säfsen, Schweden

Etappenziel Tag 1558: Privatbäckerei, Lindesnäs, Schweden

Etappenziel Tag 1559: Kirche, Björbo, Schweden

Pünktlich zu Weihnachten erreichten wir die Stadt Kevelar, die sich als die zweitwichtigste Pilgerstadt Deutschlands entpuppte. Wir selbst hatten zwar bis dato noch nichts von ihr gehört, aber zumindest hier im Münsterland schien sie recht beliebt zu sein.

Ausgehend von unseren Vorerfahrungen in den vergangenen Jahren, gingen wir davon aus, dass es wahrscheinlich kein Kinderspiel werden würde, an Weihnachten eine Übernachtung aufzutreiben, weshalb wir bereits rechtzeitig im Pilgerzentrum der Stadt anriefen und hier um Unterstützung baten.

„Oh, sagte eine Dame am anderen Ende der Leitung, „das tut mir Leid, aber gerade über Weihnachten können wir Sie leider nicht aufnehmen, denn da hat unser Pilgerzentrum geschlossen!“

Ich musste fast lachen, als sie das sagte, weil es einfach zu typisch war.

„Die Ironie in dem was Sie da sagen ist Ihnen schon bewusst, oder?“ fragte ich sie.

„Wie bitte?“

„Naja, dass Sie ausgerechnet an den Tagen keinen Platz für Menschen haben, die irgendwie auf den Spuren von Jesus unterwegs sind, an denen wir die tragische Geschichte seiner Eltern nachspielen und uns öffentlich die Frage stellen, warum niemand die heilige Familie hatte aufnehmen wollen. Also auf einen Punkt gebracht: Beim Fest der Nächstenliebe und der Barmherzigkeit kann man genau dies hier nicht finden.“

„Stimmt!“ sagte sie überrascht. „Das ist mir noch gar nicht so aufgefallen. Ja, das hat wirklich eine gewisse Ironie! Leider kann ich aber trotzdem nichts für euch tun, denn ich bin hier nur die Telefonbeantworterin und darf über nichts bestimmen. Aber ich kann dir die Telefonnummer von der zweiten Kirche geben, von der, die keine Verbindung zum Pilgerzentrum hat.“

Keine zwei Minuten später hatten wir dort einen Platz.

Heilig Abend hielten wir wieder in unserer Weihnachtstradition ab, die sich in den letzten Jahren ja bereits bewehrt hatte. Wir besorgten Gemüse, Fleisch, Salat und Brühe und nutzten den Nachmittag um einordentliches Weihnachts-Fondue zu zaubern. Zuvor schauten wir uns aber natürlich noch Kevelar und vor allem auch die Pilgerkirchen an. Es war ein Komplex mit einer Kathedrale und einigen Kapellen, der durchaus einen Besuch wert war.

Von unserem Zimmer aus konnten wir zwar nicht auf die Kathedrale dafür aber auf die Kirche unserer Gastgebergemeinde schauen und was allein hier los war, beeindruckte uns zu tiefst. Ab etwa 10:00 Uhr morgens fanden hier durchgängig mit je etwa einer halben Stunde Pause dazwischen Weihnachtsgottesdienste statt. Unter anderem gab es dabei Messen auf Deutsch, Russisch, Polnisch, Englisch und Spanisch. Nach jeder Messe wurde der Altarbereich umgebaut wie die Bühne bei einem Festival. Jede Gemeinde hatte ihren eigenen Weihnachtsschmuck, ihre eigenen Kerzen und ihre eigenen Tischdecken für den Altar. Nur die Messdiener blieben durchgängig die gleichen und kamen immer wieder in ihren Pausen zu uns ins Gemeindezentrum herüber. Kurz nach halb eins in der Nacht, als auch die letzte Messe vorbei war, kamen sie dann ganz, bezogen den Aufenthalts- und Partykeller und ließen es für Messdiener und -dienerinnen mal so richtig krachen. Unser Schlafbereich befand sich zum Glück zwei Stockwerke höher, weshalb wir trotz allem ganz gut schlafen konnten. Dennoch bekamen wir mit, dass die Weihnachtliche Partystimmung der jungen Christen bis etwa um 4:00 Uhr anhielt, bis auch der letzte zu seiner Familie zurückgekehrt war.

Die Feiertage verliefen dann relativ ruhig und ereignislos. Wir wanderten kurze entspannte Etappen, kamen früh an und hatten stets einfache aber nette Plätze. Einen Teil der Zeit nutzten wir dann bereits wieder zum Arbeiten, aber auch das gingen wir erst einmal ganz gemütlich an und lockerten die Schaffensphasen immer wieder mit Gesellschaftsspielen auf, die wir in unseren Räumen fanden.

Spruch des Tages: Es geht doch nichts über friedliche, besinnliche Weihnachten.

Höhenmeter 180m / 250m / 170m / 190m

Tagesetappe: 25km / 18km / 19km / 23km

Gesamtstrecke: 29.056,27km

Wetter: Heiter bis Wolkig, Temperaturen um Null Grad, Land ist weitgehend mit Schnee bedeckt.

Etappenziel Tag 1552: Gemeindehaus der Kirche, Nykoppa, Schweden

Etappenziel Tag 1553: Gemeindehaus der Kirche, Filipstad, Schweden

Etappenziel Tag 1554: Kirche, Nordmark, Schweden

Etappenziel Tag 1555: Kirche, Lejefors, Schweden

Heiko Gärtner
Heiko Gärtner ist Wildnismentor, Extremjournalist, Survivalexperte, Weltreisender und einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Antlitz- und Körperdiagnostik. Nachdem er einige Jahre als Agenturleiter und Verkaufstrainer bei einer großen Versicherungsagentur gearbeitet hat, gab er diesen Job auf, um seiner wahren Berufung zu folgen. Er wurde Nationalparkranger, Berg- und Höhlenretter, arbeitete in einer Greifenwarte und gründete schließlich seine eigene Survival- und Wildnisschule. Seit 2014 wandert er zu Fuß um die Welt und verfasste dabei mehrere Bücher.

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